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Würzburg
Elf Jahre Haft: Urteil im Babymord-Prozess mit eindrucksvollem Zeichen
Das Landgericht Würzburg erwies am Montag bei der Urteilsbegründung dem kleinen Opfer seine Ehre: Der 24-jährige Angeklagte musste dem getöteten Baby ins Gesicht sehen.
Ohne erkennbare Regung sah der Angeklagte im Babymord-Prozess dem Urteil  entgegen. Das Gericht um den Vorsitzenden Claus Barthel verurteilte ihn wegen Totschlages zu elf Jahren Haft.
Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa | Ohne erkennbare Regung sah der Angeklagte im Babymord-Prozess dem Urteil  entgegen. Das Gericht um den Vorsitzenden Claus Barthel verurteilte ihn wegen Totschlages zu elf Jahren Haft.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 09.02.2024 04:58 Uhr

Am Ende des viermonatigen Babymord-Prozesses setzte der Vorsitzende Claus Barthel ein Zeichen - mit einer der ungewöhnlichsten Urteilsbegründungen in der Geschichte des Landgerichts Würzburg. Der Richter ließ ein übergroßes Bild vom Gesicht des getöteten Säuglings an der seitlichen Wand des Gerichtssaales zeigen. Das Baby schien mit vorwurfsvollem Blick auf den Angeklagten herunter zu blicken. Mehrfach blickte der 24-Jährige, der den gesamten Prozess über bemüht gleichgültig gewirkt hatte, dem Baby scheu ins Gesicht. 

Dem Opfer seine Achtung erwiesen

Der Vorsitzende ergriff in seiner zweistündigen Urteilsbegründung an diesem Montag leidenschaftlich Partei für das kleine Opfer, das der Angeklagte - wie seine Mutter - so oft grob behandelt hatte: Das Gericht wolle dem Baby "zumindest posthum die Aufmerksamkeit zukommen lassen, die es verdient hatte, aber nicht bekam". Dann verkündete Barthel das Urteil: elf Jahre Haft wegen Totschlages für den 24-Jährigen. Und er machte deutlich: "Die Strafe wäre bei einem Geständnis weitaus geringer ausgefallen."

Das Gericht ist überzeugt davon: Der Angeklagte wollte zwar nicht morden. Aber das Baby seiner Ex-Freundin ist tot, weil der drogenabhängige 24-Jährige im Dezember 2019 auf furchtbare Weise die Beherrschung verlor: Grausam missglückte sein Versuch, das schreiende Kind im Nebenzimmer zum Schweigen zu bringen, damit er ungestört einen Film weiterschauen konnte. 

Ein Leben, das um Drogen kreiste

Was während der monatelangen Verhandlungen deutlich geworden war: Das Leben des arbeitslosen 24-Jährigen kreiste um Drogen und Videospiele in der kleinen Wohnung im Landkreis Main-Spessart. Freunden blieb nicht verborgen, wie sehr ihn der kleine Sohn seiner Freundin nervte und ihm lästig war. Zwei Tage vor der Tat kurz vor Weihnachten 2019 hatte der Angeklagte in einer vielsagenden Whatsapp-Nachricht, die die Ermittler später fanden, geschrieben: "Das Problem ist halt, dass das Schreien mir mega-mäßig auf die Psyche geht."

Eine Aufnahme vom Beginn der Verhandlungen im Herbst 2020: Im Gerichtssaal wurden dem Angeklagten die Handschellen abgenommen.
Foto: Thomas Obermeier | Eine Aufnahme vom Beginn der Verhandlungen im Herbst 2020: Im Gerichtssaal wurden dem Angeklagten die Handschellen abgenommen.

Der Würzburger Rechtsmediziner Michael Bohnert hatte zahlreiche Belege dafür gefunden, dass das acht Monate alte Baby schon vor jenem Tag rüde behandelt worden war, weil der Angeklagte es nicht leiden konnte. Der Angeklagte - laut seinem Verteidiger "dauerbekifft" - und die zeitweise überforderte Mutter: Die Situation, so der Gutachter, sei unweigerlich auf eine Katastrophe zugetrieben. An jenem Tag sei die ständige Misshandlung "aus dem Ruder gelaufen" und habe zum Tod des Säuglings geführt.

Auch hier setzte der Richter am Montag ein eindrucksvollen Zeichen: Ein Mensch erstickt nicht innerhalb weniger Sekunden. Das Ersticken dauert drei bis fünf Minuten. Wie quälend lange diese Zeit ist, machte Barthel deutlich - mit einer stummen Pause von drei Minuten, die allen Zuhörern im Gerichtssaal wie eine Ewigkeit vorkam. So lange soll der Angeklagte dem Säugling Mund und Nase zugehalten haben, bis er verstummt war? Und daran soll er sich nicht mehr erinnern?

Fehlende Lebensperspektiven und regelmäßiger Drogenkonsum

Wie der 24-Jährige vor Gericht zugegeben hatte, konsumierte er regelmäßig Cannabis. "Nur wenn ich abends eine geraucht habe, konnte ich schlafen." Morgens sei die Droge für ihn wie ein Kaffee gewesen. Dann sei er weniger aggressiv geworden und habe gewisse "Wehwehchen" wie Bauch- oder Kopfschmerzen nicht mehr gespürt. Seinen Konsum habe er finanziert, indem er Drogen an andere vertickte. 

Das Urteil des Gerichts liegt nahe an den Vorstellungen von Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach. Der hatte in seinem Plädoyer eine zwölfjährige Haftstrafe wegen Totschlages für angemessen gehalten. Seebach ist überzeugt davon, dass der 24-Jährige ins Nebenzimmer gegangen war, um das Baby zu beruhigen. Als das aber misslang, habe er das Kind im Bauchbereich "extrem grob" angepackt, vergleichbar "mit einem heftigen Faustschlag oder Tritt in den Bauch“.

Weil dies schwere Verletzungen verursachte, habe der kleine Junge vor Schmerzen vermutlich nur noch stärker geschrien. Da habe der Angeklagte, so der Staatsanwalt, ihm Mund und Nase zugehalten, bis er still war. 

Verteidiger Hans Jochen Schrepfer war von Körperverletzung mit Todesfolge ausgegangen und plädierte für eine Haftstrafe von sieben Jahren. Er warf den Mitarbeiterinnen mehrerer Jugendämter "Totalversagen" vor, weil sie bei 21 Besuchen nicht bemerkt hätten, unter welchen Verhältnissen das Kind lebte. Der Vorsitzende nahm sie gegen die Vorwürfe ausdrücklich in Schutz, Schrepfer blieb bei seiner Kritik.

Appell des Richters an den Angeklagten: "Halten Sie Wort"

Am Ende seiner Urteilsbegründung wandte sich der Richter persönlich an den Angeklagten. Das Urteil sei vielleicht nicht so ausgefallen, wie der es sich gewünscht habe. Aber vielleicht habe er es so erwartet: "Sie haben im letzten Wort gesagt, Sie wollten Verantwortung übernehmen. Halten Sie Wort und tun Sie es."

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Verteidiger Hanjo Schrepfer sagte am Montagabend: Das Urteil sei für das, was beweisbar war, deutlich zu hoch ausgefallen. "Ob wir es anfechten, werden wir noch in dieser Woche entscheiden, wenn ich mit meinem Mandanten gesprochen habe."

 
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  • isabellaihrig@web.de
    Danke dem Richter für die Art und Weise, wie der Prozess beendet wurde. Für die Aufmerksamkeit, die dem getöteten Baby zuteil wurde.
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  • Albatros
    @isabellai, ich glaube wer im Gerichtssaal saß, hatte Gänsehaut. Leider wurde wieder ein kleines Menscheleben ausgelöscht, weil es leider keinen "Führerschein" für Neugeborene gibt. Es wird viel zu wenig darüber berichtet, wie viele Kinder sich in der Obhut der Behörden befinden. Leider werden auch im Wohlstandsland viele Kinder misshandelt und wachsen in unvorstellbar schlechten Zuständen auf.
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  • pelo
    "die Strafe wäre bei einem Geständnis deutlich geringer ausgefallen " so der Richter....da kann man ja direkt froh sein,dass der Angeklagte dies nicht getan hat.
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  • Auf eigenen Wunsch entfernt.
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  • Albatros
    Herr Rechtsanwalt Schrepfer, dass auch ein Totschläger oder Mörder einen fairen Prozess bekommt, nun, das ist die Aufgabe eines Rechtsanwaltes und so sieht es unser System vor, und das ist auch gut so. Was Sie jedoch in den vergangenen Jahren in Mord-, Totschlags- und anderen Tötungsprozessen anwaltlich zum Teil abgeliefert haben, ist nicht selten mehr als fragwürdig und am Rande dessen, was das Deutsche Recht noch zulässt. Leute wie Sie haben längst aufgehört in den Spiegel zu sehen, denn Ihren Charakter haben Sie schon seit Jahren im Gerichtssaal verloren. Alle Ihre Prozesse haben stets das gleiche Muster, der Beklagte wird mit allen zulässigen Mitteln zum Opfer stilisiert, gleichermaßen suchen Sie die Schuld bei Anderen, so wie auch in diesem Prozess. Dies hat mit anwaltlicher Geschicktheit nicht das Geringste zu tun. Sie sind das Paradebeispiel für das, was man einen Winkeladvokaten nennt; und vermutlich sind Sie auch noch stolz auf sich.
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  • juergenmagic@t-online.de
    Leider gibt das Gesetz nicht die Möglichkeit zu einer höheren Strafe bei dem Vergehen. Da hätte es schon bei der Mordanklage bleiben müssen. Aber man muss sich mal vor Augen halten, dass der Täter erst 24 ist. Wenn er bei guter Führung und günstiger Sozialprognose nach Verbüßung von 2/3 der Strafe aus dem Gefängnis frei kommt, ist er um die 30 und hat das ganze Leben noch vor sich. Irgendwie bitter, während das Baby nicht mehr sein Leben genießen kann.
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  • saf.wuerzburg@t-online.de
    Wobei (selbt) diese (verkürzte) Haftzeit für den Verurteilten 24 jährigen zur Qual werden können, egal wie er sich verhält.

    Denn Häftlinge mitsolch einem Verbrechen (also sich in irgendeiner Weise an Kinder zu vergehen) stehen in der Knasthierachie ganz weit unten, sind oft Repressalien durch Mithäftlingen ausgesetzt.
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  • jennifer_weidle@gmx.net
    Was ist denn mit der Mutter, frage ich mich. Zwei Sätze im Artikel dazu wären nett gewesen. Unschuldig an dem Drama ist die ja wohl auch nicht.
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  • saf.wuerzburg@t-online.de
    Mit dass schlimmste an diesem Prozess ist aber dass Agieren des Rechtsverdrehers von
    dem Angeklagten!

    Es ist schon äußerst perfide, dass er hingeht und jetzt auch (indirekt) dem Jugendamt eine Mitschuld an diesem grausamen Verbrechen gibt!

    Nicht dass Jugendamt hat dass Kind auf dem Gewissen, sondern der 24. jährige Täter!

    Kann man diesem Rechtsverdreher die Zulassung entziehen!?
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  • SteffenKathrin
    Ein unschuldiges Baby derart leiden zu lassen.....
    Barbarisch. Auch lebenslänglich wäre noch viel zu wenig gewesen!
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  • Goeggeholz@aol.com
    DANKE für dieses Urteil und vorallem die Begründung!!!!!!! Ruhe in Frieden kleiner Engel
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  • Zorella
    Der Angeklagte hat meines Erachtens mit dem Urteil noch Glück gehabt. Ich hätte mir gewünscht, dass er lebenslang hinter Gitter kommt. Wer einen wehrlosen kleinen Menschen (Baby) derArt misshandelt und quält, der darf sich Meier Meinung nie mehr frei in unserer Gesellschaft bewegen.
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