Am Ende des viermonatigen Babymord-Prozesses setzte der Vorsitzende Claus Barthel ein Zeichen - mit einer der ungewöhnlichsten Urteilsbegründungen in der Geschichte des Landgerichts Würzburg. Der Richter ließ ein übergroßes Bild vom Gesicht des getöteten Säuglings an der seitlichen Wand des Gerichtssaales zeigen. Das Baby schien mit vorwurfsvollem Blick auf den Angeklagten herunter zu blicken. Mehrfach blickte der 24-Jährige, der den gesamten Prozess über bemüht gleichgültig gewirkt hatte, dem Baby scheu ins Gesicht.
Dem Opfer seine Achtung erwiesen
Der Vorsitzende ergriff in seiner zweistündigen Urteilsbegründung an diesem Montag leidenschaftlich Partei für das kleine Opfer, das der Angeklagte - wie seine Mutter - so oft grob behandelt hatte: Das Gericht wolle dem Baby "zumindest posthum die Aufmerksamkeit zukommen lassen, die es verdient hatte, aber nicht bekam". Dann verkündete Barthel das Urteil: elf Jahre Haft wegen Totschlages für den 24-Jährigen. Und er machte deutlich: "Die Strafe wäre bei einem Geständnis weitaus geringer ausgefallen."
Das Gericht ist überzeugt davon: Der Angeklagte wollte zwar nicht morden. Aber das Baby seiner Ex-Freundin ist tot, weil der drogenabhängige 24-Jährige im Dezember 2019 auf furchtbare Weise die Beherrschung verlor: Grausam missglückte sein Versuch, das schreiende Kind im Nebenzimmer zum Schweigen zu bringen, damit er ungestört einen Film weiterschauen konnte.
Ein Leben, das um Drogen kreiste
Was während der monatelangen Verhandlungen deutlich geworden war: Das Leben des arbeitslosen 24-Jährigen kreiste um Drogen und Videospiele in der kleinen Wohnung im Landkreis Main-Spessart. Freunden blieb nicht verborgen, wie sehr ihn der kleine Sohn seiner Freundin nervte und ihm lästig war. Zwei Tage vor der Tat kurz vor Weihnachten 2019 hatte der Angeklagte in einer vielsagenden Whatsapp-Nachricht, die die Ermittler später fanden, geschrieben: "Das Problem ist halt, dass das Schreien mir mega-mäßig auf die Psyche geht."
Der Würzburger Rechtsmediziner Michael Bohnert hatte zahlreiche Belege dafür gefunden, dass das acht Monate alte Baby schon vor jenem Tag rüde behandelt worden war, weil der Angeklagte es nicht leiden konnte. Der Angeklagte - laut seinem Verteidiger "dauerbekifft" - und die zeitweise überforderte Mutter: Die Situation, so der Gutachter, sei unweigerlich auf eine Katastrophe zugetrieben. An jenem Tag sei die ständige Misshandlung "aus dem Ruder gelaufen" und habe zum Tod des Säuglings geführt.
Auch hier setzte der Richter am Montag ein eindrucksvollen Zeichen: Ein Mensch erstickt nicht innerhalb weniger Sekunden. Das Ersticken dauert drei bis fünf Minuten. Wie quälend lange diese Zeit ist, machte Barthel deutlich - mit einer stummen Pause von drei Minuten, die allen Zuhörern im Gerichtssaal wie eine Ewigkeit vorkam. So lange soll der Angeklagte dem Säugling Mund und Nase zugehalten haben, bis er verstummt war? Und daran soll er sich nicht mehr erinnern?
Fehlende Lebensperspektiven und regelmäßiger Drogenkonsum
Wie der 24-Jährige vor Gericht zugegeben hatte, konsumierte er regelmäßig Cannabis. "Nur wenn ich abends eine geraucht habe, konnte ich schlafen." Morgens sei die Droge für ihn wie ein Kaffee gewesen. Dann sei er weniger aggressiv geworden und habe gewisse "Wehwehchen" wie Bauch- oder Kopfschmerzen nicht mehr gespürt. Seinen Konsum habe er finanziert, indem er Drogen an andere vertickte.
Das Urteil des Gerichts liegt nahe an den Vorstellungen von Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach. Der hatte in seinem Plädoyer eine zwölfjährige Haftstrafe wegen Totschlages für angemessen gehalten. Seebach ist überzeugt davon, dass der 24-Jährige ins Nebenzimmer gegangen war, um das Baby zu beruhigen. Als das aber misslang, habe er das Kind im Bauchbereich "extrem grob" angepackt, vergleichbar "mit einem heftigen Faustschlag oder Tritt in den Bauch“.
Weil dies schwere Verletzungen verursachte, habe der kleine Junge vor Schmerzen vermutlich nur noch stärker geschrien. Da habe der Angeklagte, so der Staatsanwalt, ihm Mund und Nase zugehalten, bis er still war.
Verteidiger Hans Jochen Schrepfer war von Körperverletzung mit Todesfolge ausgegangen und plädierte für eine Haftstrafe von sieben Jahren. Er warf den Mitarbeiterinnen mehrerer Jugendämter "Totalversagen" vor, weil sie bei 21 Besuchen nicht bemerkt hätten, unter welchen Verhältnissen das Kind lebte. Der Vorsitzende nahm sie gegen die Vorwürfe ausdrücklich in Schutz, Schrepfer blieb bei seiner Kritik.
Appell des Richters an den Angeklagten: "Halten Sie Wort"
Am Ende seiner Urteilsbegründung wandte sich der Richter persönlich an den Angeklagten. Das Urteil sei vielleicht nicht so ausgefallen, wie der es sich gewünscht habe. Aber vielleicht habe er es so erwartet: "Sie haben im letzten Wort gesagt, Sie wollten Verantwortung übernehmen. Halten Sie Wort und tun Sie es."
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Verteidiger Hanjo Schrepfer sagte am Montagabend: Das Urteil sei für das, was beweisbar war, deutlich zu hoch ausgefallen. "Ob wir es anfechten, werden wir noch in dieser Woche entscheiden, wenn ich mit meinem Mandanten gesprochen habe."
Denn Häftlinge mitsolch einem Verbrechen (also sich in irgendeiner Weise an Kinder zu vergehen) stehen in der Knasthierachie ganz weit unten, sind oft Repressalien durch Mithäftlingen ausgesetzt.
dem Angeklagten!
Es ist schon äußerst perfide, dass er hingeht und jetzt auch (indirekt) dem Jugendamt eine Mitschuld an diesem grausamen Verbrechen gibt!
Nicht dass Jugendamt hat dass Kind auf dem Gewissen, sondern der 24. jährige Täter!
Kann man diesem Rechtsverdreher die Zulassung entziehen!?
Barbarisch. Auch lebenslänglich wäre noch viel zu wenig gewesen!