zurück
Würzburg
Altersarmut: Warum Rentner jetzt auf die Straße gehen
Seit 2008 steigt die Zahl der Menschen in Unterfranken, die Grundsicherung im Alter beantragen müssen. Einige Gruppen planen jetzt Mahnwachen gegen Altersarmut.
Immer mehr Senioren sind arm. Diese Entwicklung wird sich nach Ansicht von Wirtschaftsexperten in den nächsten Jahren noch verschärfen.
Foto: Dobrila Vignjevic | Immer mehr Senioren sind arm. Diese Entwicklung wird sich nach Ansicht von Wirtschaftsexperten in den nächsten Jahren noch verschärfen.
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 07.04.2020 13:09 Uhr

In Unterfranken gibt es immer mehr Menschen, die Grundsicherung im Alter beantragen müssen, das zeigen die Zahlen des Statistischen Landesamts. 2008 erhielten 8877 Menschen in Unterfranken Grundsicherung im Alter. Zehn Jahre später, also 2018, waren es bereits 12 465 Rentner, die staatliche Hilfe benötigten. Noch dazu gibt es wohl eine hohe Dunkelziffer. So gehen viele Rentner, die Anspruch auf Grundsicherung hätten, gar nicht zum Sozialamt. Laut einer Erhebung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) stellen gerade einmal 40 Prozent der Anspruchsberechtigten einen Antrag auf Grundsicherung im Alter.

Angst vor Altersarmut

Gleichzeitig steigt die Angst vor Altersarmut. Einer neuen Umfrage der Deutschen Bank zufolge fürchtet jeder Zweite sich vor Armut im Alter. Ebenfalls jeder Zweite rechnet gar mit einem Kollaps des deutschen Rentensystems innerhalb der nächsten zehn Jahre. Mit der aktuellen Rentenpolitik der Bundesregierung sind immer mehr Menschen unzufrieden. In den sozialen Netzwerken haben sich zum Thema Altersarmut mehrere Gruppen formiert. Die größte Facebook-Gruppe, im Oktober 2019 ins Leben gerufen, nennt sich "Fridays gegen Altersarmut". Sie hat mittlerweile knapp 300 000 Follower, ist allerdings umstritten. Ihr wird ein rechter Hintergrund vorgeworfen, andere Facebook-Gruppen distanzieren sich und sprechen von "rechter Hetze". 

Zu wenig Geld im Alter? Das Renten-Magazin der Main-Post gibt Tipps zum richtigen Sparen. Hier bestellen.
Foto: Gettyimages | Zu wenig Geld im Alter? Das Renten-Magazin der Main-Post gibt Tipps zum richtigen Sparen. Hier bestellen.

Zwei Facebook-Gruppen in Unterfranken

Auch in Unterfranken haben sich vor kurzem deshalb zwei eigene Gruppen gegen Altersarmut gegründet. Volker Müller, ehemaliger Lkw-Fahrer aus Schweinfurt, hat für Schweinfurt, Kissingen, Rhön-Grabfeld und Kitzingen eine eigene Facebook-Gruppe "Gemeinsam gegen Altersarmut" ins Leben gerufen. "Wir fordern die sofortige Einführung eines solidarischen Rentensystems, in dem ausnahmslos alle einzahlen müssen", sagt der 56-Jährige.

Die Gruppe ist gegen die Besteuerung der Rente, "da eine Doppelbesteuerung verfassungswidrig ist". Insgesamt zehn Forderungen hat die Gruppe, die aktuell 136 Mitglieder hat, an die Politik formuliert.

Brigitte Bauer (70), die bis vor fünf Jahren als Altenpflegerin gearbeitet hat, administriert die Facebook-Gruppe "Rentner gegen Altersarmut", die derzeit 270 Mitglieder hat. "Wenn die Renten zum leben nicht mehr reicht, dann läuft etwas gewaltig schief", sagt die 70-Jährige aus Hammelburg. Ihr geht es vor allem um soziale Gerechtigkeit. Beide Gruppe organisieren jetzt Mahnwachen jeweils in Würzburg und Schweinfurt - auch, um mit Passanten ins Gespräch zu kommen.

Der Sozialverband VdK sieht das soziale Klima schon seit Jahren in Gefahr: "Die Politik hatte dies in der Vergangenheit zu lange ignoriert", sagt Carsten Vetter, VdK-Bezirksgeschäftsführer in Unterfranken, über die Altersarmut. "Ich kann nur hoffen, dass die Politik das Thema wirklich ernsthaft angeht und den Menschen zuhört", so Vetter. Und: "Natürlich lohnt es sich, auf die Straße zu gehen." Ende März will die Rentenkommission ihre Pläne für die Zukunft der Rente bekannt geben. Dazu veranstaltet der VdK eine Großdemo in München.  

Niedrige Einkommen, Teilzeit und Minijobs 

"Eine entscheidende Ursache für dürftige Renten sind niedrige Einkommen", erklärt Ibo Ocak, Geschaftsfuhrer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststatten (NGG) Unterfranken. "Auch wer Jahrzehnte in einer Bäckerei oder einem Restaurant gearbeitet hat, landet im Alter oft unter der Armutsschwelle." Das liege auch an der Praxis vieler Unternehmen, "aus Tarifverträgen auszusteigen und so die Löhne zu drücken", so Ocak. 

"Die Altersarmut wird steigen, falls nicht bald eine rentenpolitische Kurskorrektur erfolgt", prognostiziert Benedikt Dederichs, Pressesprecher beim Sozialverband Deutschland. Das Rentenniveau müsse über das Jahr 2025 hinaus gefestigt und langfristig auf 53 Prozent angehoben werden. "Ein höherer Mindestlohn würde zudem helfen, Armutsrisiken im Alter zu reduzieren", so Dederichs. "Zweifellos lohnt es sich, für die erforderlichen Kurskorrekturen zu demonstrieren." Das gelte insbesondere für junge Menschen, um deren soziale Zukunft im Alter es schließlich gehe.

Protestaktionen in der Region
Mahnwachen gegen Altersarmut finden am Freitag, 24. Januar, in Würzburg und Schweinfurt statt, organisiert von lokalen Bündnissen gegen Altersarmut: in Schweinfurt von 16 bis 18 Uhr auf dem Marktplatz, in Würzburg wird von 14 bis 18 Uhr in der Eichhornstraße.
Der Sozialverband VdK veranstaltet am Samstag, 28. März, unter dem Motto "Soziales Klima retten" eine Großdemo in München. Aus Unterfranken fahren etwa 25 bis 30 Busse dorthin. Demonstriert wird auf der Theresienwiese ab 12 Uhr, die Schlusskundgebung findet um 14 Uhr auf dem Odeonsplatz statt. Wer eine Mitfahrgelegenheit sucht, kann sich unter Tel. (0931)- 390 10-10 beim VdK-Kreisverband Würzburg melden. 
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Claudia Kneifel
Altersarmut
Deutsche Bank
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
Deutsches Rentensystem
Gewerkschaften
Grundsicherung
Grundsicherung im Alter
Mindestlohn
Niedrige Einkommen
Rente
Renten
Rentenpolitik
Sozialverband VdK
Sozialverbände
Volker Müller
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Albatros
    Wo bleiben eigentlich die Greta-Jünger und demonstrieren für ihre Großeltern. So ein Monday-for-Grandparents wäre doch eine tolle Sache. Euch Enkeln ginge es nicht im Ansatz so gut, hätten eure Großeltern und Urgroßeltern nicht das Land welches in Schutt und Asche lag wieder aufgebaut. Diese Generation hat ein Wirtschaftswunder bewirkt und darauf ruht ihr euch alle aus. Ihr lebt in euren Wohlfühloasen und habt diesem Land noch nichts gegeben. Greta hat vor dem Weltklimagipfel gesagt: "Ihr habt mir meine Kindheit genommen". Wenn Jemand keine Kindheit hatte, dann waren es eure Großeltern, die in Krieg und Elend aufgewachsen sind. Zum Dank müssen sich eure Großeltern in öffentlich rechtlichen Sendern als Umweltsau bzw. Nazisau beschimpfen lassen. Ihr fordert und fordert und viele eurer Großeltern leben am Existenzminimum, darüber solltet ihr euch einmal Gedanken machen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Helmut_Faul_HF2017
    Die vielen armen Rentner in Deutschland leben in kleinen Wohnungen, haben kein Auto und können sich keinen Urlaub leisten. Rein aus Umweltgesichtspunkten sind diese alten armen Leute vermutlich die umwelt- und klimafreundlichste Bevölkerungsgruppe im Land.
    Von daher ist es eine Frechheit, wenn diese Leute sich im Staatsfunk Lieder über Omas als Umweltsäue anhören müssen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Arcus
    btw es waren ja nur die Omas gemeint. Und besonders die, die mit riesigen Blechkisten zu riesigen Flüghäfen und von dort aus mit riesigen fliegern zu riesigen Kreuzfahrschiffen fliegen und dort nochmal die Luft mit dem schmutzigsten Öl nochmal zu verpesten. Ok. ich geb zu manchmal ist auch der Opa dabei.
    Aber sie haben Recht. Die arme Oma, um die Ecke gehört sicher nicht dazu. Deshalb wirddie arme Oma auch nicht der Rubrik der Umweltsäue zugeordnet. Enverstanden?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Arcus
    statt Reiche und Superreiche weiter massiv mit Steuerentlastungen zu winken fände ich die Überlegung, den reduzierten Mehrwertsteuersatz zu senken mehr als überlegenswert. Da würden Arm und Reich, ja nahezu lalle gesellschaftlichen Gruppen gleich entlastet werden. Warum werden solche Überlegungen nicht auf politischer Ebene diskutiert?
    Von der FDP, CSU und CDU erwarte ich das jetzt nicht unbedingt. ABer von allen anderen Parteien.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • pmueller55
    Wenn man im Jahr ca. 7.000 Euro in die Rentenkasse zahlt, setzt sich zusammen aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil - das ist etwa der Bertrag der bei einem Jahresverdienst von ca. 38.000 Euro zu zahlen ist. Für ca 38.000 Euro bekommt man aber nur einen Rentenpunkt - heißt 33 Euro. Der Betrag wird dann auch noch versteuert. D. h. ich zahle 7.000 Euro ein und bekomme 33 Euro. Armes Deutschland.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • 1958kosb
    33,- x 12 Monate ist 396,- im Jahr, mal angenommene 20 Jahre Rentenbezug ist 7920,- kommt halt imm drauf an wie man es rechnet.
    Sie haben nicht fertig gerechnet.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • al-holler@t-online.de
    Dieser Kommentar trägt nicht zur Diskussion bei und wurde daher gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • pmueller55
    Die 33 Euro wsind für ein Jahr- also für einen Rentenpunkt
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • 1958kosb
    Falsch
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • pmueller55
    Es geht darum was man über die Jahre einzahlt und was man dafür bekommt an Rentenpunkten. Nicht was man als Renter bekommt. Die Anahl der Jahre des Rentenbezuges sind auch nicht vorhersehbar.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten