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Würzburg
Altersarmut: Frauen sind besonders betroffen
Wieso gibt es Altersarmut nach einem Leben voller Arbeit? Und warum sind so viele Frauen davon betroffen? Wie sieht es in der Region aus? Wir haben nachgefragt.
Private Vorsorge kostet viel Geld und kann die Rentenlücke meist doch nicht schließen. 
Foto: Gettyimages | Private Vorsorge kostet viel Geld und kann die Rentenlücke meist doch nicht schließen. 
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:56 Uhr

Christiane Straub berät Senioren, denen die Rente nicht zum Leben reicht. Meistens sind es Frauen, die mit einer geringen Rente zurecht kommen müssen. Straub ist Kreisgeschäftsführerin beim Sozialverband VdK in Würzburg. "Frauen erziehen immer noch überwiegend Kinder, sie pflegen Angehörige und wenn sie wieder arbeiten, dann meist nur in Teilzeit." 47 Prozent aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen arbeiteten 2017 in Teilzeit. Die Zahl stammt aus der Statistik der Agentur für Arbeit. Und: "Oft sind die Jobs schlechter bezahlt als bei den Männern", sagt Straub. 

Über die Folgen sind sich die meisten bewusst: 68 Prozent aller teilzeitbeschäftigten Frauen sind sich einer Studie zufolge sicher, von ihrer eigenen Rente später nicht leben zu können. 25 Prozent sagen, dass sie sich mit ihrer Rente nicht mehr befassen, weil sie das Thema zu sehr deprimiert. Derzeit beträgt die durchschnittliche Rente in Unterfranken 849 Euro. Männer aus der Region erhielten 2017  im Durchschnitt 1169 Euro, Frauen dagegen nur 596 Euro - jeweils brutto. Nach Zahlen des Deutschen Gewerkschaftsbundes liegen 70 Prozent der Frauen in Bayern mit ihrer Rente unter der Armutsgefährdungsgrenze.

Christiane Straub, Kreisgeschäftsführerin beim Sozialverband VdK in Würzburg, ist für eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung.
Foto: Thomas Obermeier | Christiane Straub, Kreisgeschäftsführerin beim Sozialverband VdK in Würzburg, ist für eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung.

Viele versuchen, ihre Armut zu verbergen 

Am Anfang fällt es gar nicht so auf, dass die Frauen als Rentnerinnen weniger Geld zur Verfügung haben, weiß Straub aus der Beratung. Gerade Frauen aus mittleren Schichten kaschierten ihre Situation sehr gut. "Aber wenn die Waschmaschine kaputt geht oder man Zahnersatz braucht, bemerken viele, dass sie ihre Fassade nicht aufrecht erhalten können", sagt Straub. Sie höre sich viele Probleme an. Altersarmut sei immer noch ein schambesetztes Thema. "Wir wissen aus unseren Beratungen, dass viele Frauen keine Grundsicherung beantragen, weil sie sich schämen, weil sie nicht zum Sozialamt wollen oder weil sie Bürokratie scheuen."

Eine Kampagne gegen Altersarmut: VdK-Präsidentin Verena Bentele fordert eine umfassende Rentenreform.
Foto: Henning Schacht, VdK | Eine Kampagne gegen Altersarmut: VdK-Präsidentin Verena Bentele fordert eine umfassende Rentenreform.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat in einer Studie die bisher gesammelten Rentenansprüche der Geburtsjahrgänge 1957 bis 1976 verglichen. Fazit: Frauen werden auch in Zukunft mit weniger Rente zurecht kommen müssen als Männer. Viele weibliche Versicherte nehmen nicht nur die Ausfallzeiten für Kindererziehung in Kauf, sondern würden nach wie vor nur in Teilzeit arbeiten, erläuterte Dina Frommert aus dem Geschäftsbereich Forschung und Entwicklung der Deutschen Rentenversicherung Bund. In den neuen Bundesländern näherten sich die Frauen in Sachen Rentenanspruch allmählich den Männern an, aber im Westen gebe es weiter eine geschlechterspezifische Rentenlücke. Ist Altersarmut also weiblich?

Michael Bischof, Vorstandsvorsitzender der Rentenversicherung Nordbayern, hält die Angst vor Altersarmut für übertrieben.
Foto: DRV | Michael Bischof, Vorstandsvorsitzender der Rentenversicherung Nordbayern, hält die Angst vor Altersarmut für übertrieben.

"Wir sollten aber nicht aus den Augen verlieren, dass Armut mehr die jüngeren Bevölkerungsschichten betrifft", sagt Michael Bischof, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern. Heute erhalten ungefähr drei Prozent der über 65-Jährigen Leistungen der Grundsicherung. Dieser Anteil wird Studien zufolge bis zum Jahr 2030 auf bis zu 5,5 Prozent steigen. "Das bedeutet aber auch, dass mindestens 94,5 Prozent der künftigen Rentner über so viel Einkommen verfügen werden, dass sie keine ergänzende Grundsicherung benötigen", sagt Bischof.

VdK: Zahlen sind besorgniserregend

Christiane Straub zeigt sich dennoch besorgt. "Die Zahlen zeigen, dass schon heute ein großer Teil der Rentner und vor allem Rentnerinnen gesetzliche Renten erhält, die unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle liegen." Noch dazu verdienten viele Frauen so wenig, dass sie nicht privat für ihr Alter vorsorgen können. "Ein Abrutschen in die Armut wird nur durch eine Absicherung durch den Ehepartner verhindert." In der Beratungsstelle in Würzburg höre Straub viele Probleme: Zum Beispiel von einer Frau, die vier Kinder alleine groß gezogen und als Zimmermädchen gearbeitet hat. "Diese Frau kann von ihrer Rente nicht leben", sagt Straub. Kleine Renten seien meist ein Resultat von schlecht bezahlten Jobs, aber auch von Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen.

Damit eine Rente oberhalb des Existenzminimums möglich ist, müsse der Mindestlohn auf über 12 Euro steigen. "Besonders Jobs im Niedriglohnsektor erhöhen das Risiko, in Altersarmut zu geraten", sagt Staub. 

Sozialverband VdK
Mit über 700 000 Mitgliedern ist der Sozialverband VdK Bayern die größte Selbsthilfeorganisation für Sozialversicherte, ältere Arbeitnehmer, Patienten, Rentner, chronisch Kranke und Menschen mit Behinderung in Deutschland. Der Kreisverband Würzburg hat derzeit 46 Ortsverbände in der Stadt und im Landkreis und zählt über 14 000 Mitglieder.
 
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