Sie ist ein bauliches Juwel aus der Gründerzeit. Eines der wenigen, das die Bombennacht des 16. März 1945 in Würzburg übrig gelassen hat. Und doch war die alte Uni-Augenklinik am Röntgenring lange dem Verfall preisgegeben. Von 1898 bis 1901 als moderne Klinik erbaut, stand das Gebäude mit seiner prachtvollen Fassade zuletzt vier Jahrzehnte leer.
Nach 40 Jahren Leerstand: über 20 Millionen Euro für die Sanierung
Nur das Erdgeschoss wurde als studentische Mensa genutzt. In den vier Stockwerken darüber nisteten die Tauben und blätterte der Putz. Die Augenklinik war 1970 in einen Neubau auf den Klinik-Campus nach Grombühl gezogen, bis 1981 nutzte dann noch die Uni-Nervenklinik das Gebäude. Seitdem blieben die Türen verschlossen.
Bis vor sechs Jahren. Da wurde das architektonische Schmuckstück wachgeküsst: Die Fraunhofer-Gesellschaft verständigte sich mit der Uni Würzburg als Eigentümerin auf eine neue Nutzung. Und die Politik gab grünes Licht für die Grundsanierung und Ausstattung mit modernstem Gerät. 23 Millionen Euro sollten dafür aus EU-, Bundes- und Landesmitteln fließen, wegen gestiegener Baukosten am Ende wohl mehr.
Seit über drei Jahren klopfen und schrauben nun die Handwerker, sie sind auf der Zielgeraden. Zu tun gab's genug. "Total desolat und verwahrlost" habe man das Gebäude vorgefunden, berichtet Chemie-Professor Gerhard Sextl als Leiter des Würzburger Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung (ISC).
Künftig findet in dem 120 Jahre alten Bau hochmoderne Forschung statt. Im Mai zieht das ISC ins Gebäude ein – mit seinem "Translationszentrum für Regenerative Therapien". An die 60 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen hier arbeiten, Studierende ihre Abschlussarbeiten machen. Translation bedeutet, Erkenntnisse aus der Forschung in die konkrete Anwendung zu bringen. In diesem Fall zugunsten von Patientinnen und Patienten, Materialforschung und Medizin gehen Hand in Hand.
Das Translationszentrum (TLZ) entwickelt Testverfahren für medizinische oder kosmetische Wirkstoffe mit Hilfe von menschlichen Zellen. Kulturen – zum Beispiel Hautstrukturen – werden gezüchtet, um außerhalb des Körpers Versuche unter möglichst natürlichen Bedingungen durchzuführen. Großer Vorteil: "Wir sehen, wie humane Zellen auf einen Wirkstoff reagieren. Damit lassen sich zuverlässige Voraussagen über Wirkung und Nebenwirkungen treffen", erklärt ISC-Chef Sextl. Neue Arzneimittel stünden schneller zur Verfügung, außerdem könne man vielfach Tierversuche ersetzen. Und noch eine spannende Perspektive gibt es: Früher oder später könnte Biomaterial aus körpereigenen Zellen zur Herstellung von Transplantaten genutzt werden.
Neue Testverfahren für Wirkstoffe sind besser als Tierversuche
"Der Forschungsstandort Würzburg ist zum Nukleus eines Forschungsnetzwerks für Ersatzmethoden zum Tierversuch geworden, innerhalb Bayerns und darüber hinaus", sagt TLZ-Leiter Dr. Florian Groeber-Becker. Das neue Zentrum für Regenerative Therapien koordiniere die Aktivitäten und arbeite eng mit der Uni am "Campus Röntgenring" zusammen.
Einen Teil der neuen Labore nutzt künftig das ebenfalls am Fraunhofer-Institut angesiedelte Projektzentrum Stammzellprozesstechnik. Mit selbst hergestellten Bioreaktoren wird die benötigte große Zahl von Zellen für neue Testmodelle gezüchtet.
Die Fraunhofer-Gesellschaft stärkt mit dem Millionen-Projekt Alte Augenklinik seine Material- und Gesundheitsforschung am Standort Würzburg. Im Gegenzug für die Sanierung erhält man von der Uni ein Nutzungsrecht für 30 Jahre, mit der Option einer zehnjährigen Verlängerung.
Zusammenarbeit für den wissenschaftlichen Nachwuchs
Auch für den wissenschaftlichen Nachwuchs arbeiten Fraunhofer und Uni zusammen. Beispiel Studiengang Funktionswerkstoffe: "Er ist die Brücke zwischen den Fakultäten der Universität, der Uniklinik und den außeruniversitären Forschungseinrichtungen", erläutert Gerhard Sextl. Studierende können sich im Laufe des Studiums unter anderem auf Biomaterialien oder Zellbiologie spezialisieren und nun in den topmodernen Labors in der Alten Augenklinik sehr praxisnah forschen.
"Viele Studierende wollen gerade, dass ihre Forschung auch zur Anwendung kommt", weiß Sextl aus Erfahrung. Partner für andere Bereiche sind das Süddeutsche Kunststoffzentrum (SKZ), das Center for Applied Energy Research (CAE) oder die Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt.
Funktionswerkstoffe: Studiengang auch für Biomaterialien
Der wenig bekannte, zulassungsfreie Studiengang Funktionswerkstoffe gilt an der Uni Würzburg als "Exot", weil er keiner bestimmten Fakultät zugeordnet ist, sondern Elemente aus der Chemie, Physik, Biologie, Medizin und Materialwissenschaft verbindet. Gerade diese interdisziplinäre Anlage sei seine Stärke, schwärmt Studiengangsberater Dr. Torsten Staab.
Der Wissenschaftler umwirbt Abiturientinnen und Abiturienten auf der Suche nach dem richtigen Studium mit dem Querschnitt: "Chemie zu nass, Physik zu trocken? Dann Funktionswerkstoffe!" Mit dem prachtvollen Gebäude am Röntgenring, das Historie und Moderne eindrucksvoll vereint, hofft er nun weitere Pluspunkte zu sammeln und damit künftige Forscherinnen und Forscher zu gewinnen.
ausgesehen als ich in Würzburg studierte. Auf dem Weg von meiner Studentenbude zum Bahnhof bin ich oft daran vorbei gegangen.
Früher hieß es bei erhaltenswerten Fachwerkhäusern ja auch: "Des alde Gerütsch' kann weg" und "trostlose" Gebäude wurden mit Eternit-Fassaden aufgehübscht.
Da haben Sie mein trostlos falsch verstanden.
Es war über Jahrzehnte ungepflegt.
PS: Fraunhofer Gesellschaft wird zu 30% vom Bund und 3% vom Land Bayern finanziert.