Noch heute, 119 Jahre nach der Eröffnung, strahlt die ehemalige Universitäts-Augenklinik am Röntgenring 12 etwas Feierliches aus. Hat sich die schwere Eingangstür in der imposanten Fassade geöffnet, so schreitet der Besucher im Foyer 24 breite Stufen empor, über die sich Stuckgirlanden winden. Klinik-Architekt Rudolf von Horstig hatte einige Jahre zuvor auch die Neue Universität am Sanderring entworfen; er wusste, wie man Repräsentation und Funktionalität miteinander verbindet.
Beim Rundgang wird der Besucher mit dem aktuell gestarteten Umbau der früheren Klinik zu einem Laborgebäude des Fraunhofer-Instituts konfrontiert; er sieht, dass das reichverzierte Metall-Geländer im Treppenhaus zur Sicherheit mit Holz verschalt ist, ebenso wie die alten Türrahmen. Auch eine der verglasten Zwischentüren wird erhalten. Der Denkmalschutz hat den Plänen für modernste Labore in dem alten Bau zugestimmt; vom Röntgenring aus betrachtet bleibt außen sowieso alles wie es ist – nur aufgefrischt.
Schon bei der Eröffnung der Universitäts-Augenklinik am 1. Mai 1901 beherbergte das Haus eine für die Zeit hochmoderne Ausstattung, die Klinikdirektor Carl von Hess im selben Jahr in der Zeitschrift für Augenheilkunde ausführlich vorstellte: Laboratorien für bakteriologische Arbeiten, helle Untersuchungs- und Unterrichtsräume, dazu bis zu 4,70 Meter hohe Krankenzimmer für 80 Patienten und Patientinnen. In der Abteilung für Frauen und Kinder gab es zwei von den Krankenzimmern direkt zugängliche große Terrassen. Ziel des Architekten war es laut von Hess, "sämtlichen Kranken Licht und Luft in reichstem Maße zuzuführen".
Neun Meter hoher Hörsaal
Der 42 Quadratmeter große Operationssaal besaß einen nach den Vorgaben des Direktors gefertigten Operationsstuhl samt verstellbarer Platte, auf der die Patienten lagen. Überall leuchteten bewegliche elektrische Lampen, die in jeder gewünschten Helligkeitsstufe eingestellt werden konnten.
Der neun Meter hohe Hörsaal in einem separaten Gebäude war mit 142 Klappsitzen in aufsteigenden Halbkreisen ausgestattet. Dieser Hörsaal wurde schon 1998 für die umliegenden Uni-Institute saniert; deshalb gehört er auch nicht zu den Räumlichkeiten, die von der Uni an das Fraunhofer-Institut gingen.
Ebenfalls nutzbar gemacht wurde schon 1996 das Tiefparterre, das seither eine Mensa beherbergt, die 2013 gründlich saniert wurde. Zur Zeit der Eröffnung der Klinik befanden sich hier eine Küche mit Dampfkochvorrichtungen und Speiseaufzug, die Waschküche, Tierställe für die Versuchstiere – vor allem Kaninchen, zeitweise auch Fische – sowie eine Dunkelkammer, dazu Heizräume und die Wohnung für den Hausmeister. Hinter dem Haus lag ein geräumiger Garten mit mehreren Gartenhäuschen, in denen sich die Kranken bei Regen aufhalten konnten.
Direktor von Hess wies in seinem Artikel darauf hin, dass die Zwischendecken der neuen Klinik aus nicht brennbarem Material bestanden; beim Bombardement des 16. März 1945 war dies einer der Gründe für die Rettung des Hauses.
Alte Augenklinik wurde zur Keimzelle der Nachkriegs-Universität
Nach der Eroberung Würzburgs durch die Amerikaner nutzten die Besatzer die Klinik zeitweise, bevor sie – angesichts der Zerstörung der meisten Unigebäude – zur Keimzelle der Nachkriegs-Universität wurde, als mehrere Fakultäten hier ihren notdürftigen Vorlesungsbetrieb wiederaufnahmen.
1970 siedelte die Augenklinik in die neue Kopfklinik in Grombühl um. Bis Anfang der achtziger Jahre nutzte die Uni-Nervenklinik das Gebäude. Ab 1981 stand es leer, nur die Polizei führte dort vorübergehend Übungen für angehende Polizisten durch.
Jetzt hat die Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung die bauliche Sanierung der Alten Augenklinik in Angriff genommen, um für das "Translationszentrum für Regenerative Therapien" (TLZ-RT) des Würzburger Fraunhofer-Instituts dauerhafte Räumlichkeiten zu schaffen. Das Translationszentrum entwickelt unter anderem neue Testverfahren für medizinische Wirkstoffe und eine neue Generation von Implantaten für die Regenerative Medizin auf der Basis körpereigener Zellen.
"Die neuen Testverfahren basieren auf Kulturen beispielsweise von menschlichen Hautzellen als Testmodell", erläutert Professor Gerhard Sextl, der Leiter des Würzburger Fraunhofer-Instituts. "Damit können wir helfen, die Zahl der bei der Entwicklung neuer Arzneimittel benötigten Tierversuche deutlich zu senken und gleichzeitig zuverlässigere Voraussagen über Wirkung und Nebenwirkungen der getesteten Produkte zu ermöglichen."
Auch Gewebemodelle aus anderen Zelltypen, zum Beispiel für den Magen-Darm-Trakt oder – aktuell wegen der Corona-Pandemie gefragt – für die Atemwege stellt das Translationszentrum zur Verfügung. Neue Arzneimittel könnten so schneller bereitstehen.
Ein Teil der neuen Labore wird auch dem ebenfalls am Fraunhofer-Institut beheimateten Projektzentrum Stammzellprozesstechnik zugutekommen, mit dem die Fraunhofer-Forscher die automatisierte Zellkultivierung vorantreiben.
Um das Gebäude zu sanieren und für die wissenschaftliche Nutzung auszustatten, investieren der Bund, das Land Bayern und die EU rund 23 Millionen Euro. "Das Forschungs- und Raumnutzungskonzept für das Translationszentrum und das Projektzentrum Stammzellprozesstechnik hat auch das Wirtschaftsministerium überzeugt – und das Geld für die Forschung im Bereich der Regenerativen Therapien ist für Würzburgs Zukunft gut angelegt", freut sich Sextl.