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Würzburg
Alt-Bundespräsident Joachim Gauck findet in Würzburg klare Worte: Warum Deutschland für den Frieden aufrüsten muss
In der Neubaukirche sprach Joachim Gauck darüber, welchen Bedrohungen die Demokratie ausgesetzt ist – und entließ die vielen Gäste dennoch mit Zuversicht.
Alt-Bundespräsident Joachim Gauck (links) war am Donnerstag zu Gast in der Neubaukirche in Würzburg. Vor ausverkauftem Publikum las er aus seinem Buch 'Erschütterungen'. Moderiert wurde die Veranstaltung von Torsten Schleicher, Leiter der Lokalredaktion Würzburg der Main-Post. 
Foto: Silvia Gralla | Alt-Bundespräsident Joachim Gauck (links) war am Donnerstag zu Gast in der Neubaukirche in Würzburg. Vor ausverkauftem Publikum las er aus seinem Buch "Erschütterungen".
Katja Glatzer
 |  aktualisiert: 01.04.2025 02:36 Uhr

Die Veranstaltung ist ausverkauft. Hunderte von Menschen sind am Donnerstagabend in die Würzburger Neubaukirche gekommen, um Alt-Bundespräsident Joachim Gauck zu hören. Es ist mucksmäuschenstill im Saal, als er die Bühne betritt und mit klarer Stimme zu sprechen beginnt – über seine Sicht, wie es dazu gekommen ist, dass die liberale Demokratie Deutschlands von außen und innen bedroht ist, über die Rolle von Putins Russland und warum Deutschland für den Frieden aufrüsten muss.

Immer wieder gibt es Applaus, der 85-Jährige beeindruckt durch sein historisches Wissen, seine Eloquenz, seine Besonnenheit und seine Klarheit. Wertschätzung ist im Publikum immer wieder spürbar. Veranstaltet wurde Gaucks Auftritt von der Stadt Würzburg im Rahmen der Festivitäten rund um das 500-jährige Bauernkriegsjubiläum.

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Geboren wurde Joachim Gauck 1940 in Rostock und arbeitete dort bis 1989 als Pastor. Als Gegner des SED-Regimes engagierte er sich 1989 in der Oppositionsbewegung "Neues Forum", war Abgeordneter der ersten frei gewählten Volkskammer und von 1990 bis 2000 Bundesbeauftragter für Stasiunterlagen. Von 2012 bis 2017 übte er als elfter Bundespräsident Deutschlands das höchste Amt des Staates aus. Für sein Engagement erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Europäischen Menschenrechtspreis.

Joachim Gauck und sein Werk "Erschütterungen" 

Zunächst stellt er in der festlich illuminierten Neubaukirche sein Buch "Erschütterungen" vor, das er gemeinsam mit der Publizistin Helga Hirsch verfasst hat. Der 85-Jährige setzt sich darin mit der doppelten Bedrohung Deutschlands auseinander – von außen seitens des imperialen russischen Nachbarn, der das völkerrechtliche Gewaltverbot missachtet, sowie von innen seitens autoritärer populistischer Kräfte, die den Pluralismus und die Rechtsstaatlichkeit infrage stellen.

Warum ist das Vertrauen vieler Bürgerinnen und Bürger in die Demokratie erschüttert? Warum stehen Deutschland und Europa vor den Scherben ihrer Ostpolitik? Das lotet Gauck in "Erschütterungen" aus, vergisst dabei aber nicht, Hoffnung zu geben und Impulse zu setzen, wie die liberale Freiheit des Landes zu verteidigen ist. 

Volles Haus: Die Veranstaltung mit Alt-Bundespräsident Joachim Gauck war ausverkauft.
Foto: Silvia Gralla | Volles Haus: Die Veranstaltung mit Alt-Bundespräsident Joachim Gauck war ausverkauft.

Im anschließenden Gespräch mit Torsten Schleicher, Leiter der Redaktion Würzburg der Main-Post, erklärt Gauck, dass er nach dem Wahlsieg Donald Trumps in den USA, der zeitlich nach der Veröffentlichung des Buches angesiedelt ist, nochmal deutlich erschütterter sei, was sowohl die Weltpolitik als auch Werte wie "Recht und Freiheit" angehe. 

Alt-Bundespräsident fordert klare Stellungnahme in der Außen- und Sicherheitspolitik

Das Publikum lässt der Alt-Bundespräsident tief in sein historisches Wissen blicken. Über seine Charakterisierung von Russlands Machthaber Wladimir Putin ("Wer beim KGB diente, der brauchte kein Gewissen") stellt er den Macht- und Angstapparat Russlands dar und zitiert Sätze Putins wie, "Russlands Grenzen sind nicht definiert". Gleichzeitig macht er deutlich: Es brauche eine Zeitenwende und einen politischen Kurswechsel. 

Deutschland müsse viel deutlicher in der Außen- und Sicherheitspolitik Stellung beziehen. Oft bekomme er gesagt: "Aber du bist doch Pfarrer." Dennoch, so Gauck, sei er ganz klar dafür, "dass Deutschland aufrüsten muss". Frieden könne nachhaltig nur durch Abschreckung gesichert werden. Wer dies nicht kann, müsse fürchten, zum Opfer des Stärkeren zu werden. In "Erschütterungen" schreibt Gauck, er hoffe, dass die Politik "unser Land 'kriegstauglich' macht, wie es Verteidigungsminister Boris Pistorius gefordert hat". Dazu könne auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht gehören, sagt er in Würzburg. Er erntet Applaus für klare Worte. 

Dutzende Interessierte ließen sich ihr Exemplar von 'Erschütterungen' signieren oder posierten mit dem Alt- Bundespräsidenten für ein Foto.
Foto: Silvia Gralla | Dutzende Interessierte ließen sich ihr Exemplar von "Erschütterungen" signieren oder posierten mit dem Alt- Bundespräsidenten für ein Foto.

Gaucks Wunsch: "Wir müssen robuster werden im Diskutieren"

Was das Innenpolitische angeht, insbesondere das Erstarken der AfD, sieht er Ängste und Befürchtungen der Menschen, unter anderem in puncto Zuwanderung, als Grund. Dies müsse von der Regierung aufgegriffen werden, so Gauck. Er sei sicher, so Gauck weiter, "dass die allerwenigsten AfD-Wähler solche Nazis sind, dass sie wieder einen Hitler-Staat wollen". Und er wünsche sich, "dass wir ein bisschen robuster werden im Diskutieren und nicht immer jeden gleich in die rechte Ecke stellen". Es müsse den AfD-Wählern aber zu denken geben, dass selbst Rechtspopulistinnen wie die Französin Marine le Pen oder die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni nicht mit der AfD zusammenarbeiten wollen. 

"Ich bin in diesem Land für Zuversicht zuständig", hatte Gauck zum Auftakt gesagt – und bleibt sich darin treu – ungeachtet der Konflikte und Bedrohungen, die Thema seines Buches sind. Er wolle seinen Gästen einen Osterkorb füllen, sagt er zum Schluss – und bestückt ihn mit den Vorzügen einer demokratischen Gesellschaft: Wahlrecht, Meinungsfreiheit, Medienfreiheit, die Freiheit den eigenen Glauben zu wählen sowie eine rechtstreue Bevölkerung – das sind nur einige der Gaben, die er aufzählt. "Ist das ein Traum?", fragt der 85-Jährige. "Nein, das ist das, was wir haben und, was es zu schützen gilt."

Das Buch "Erschütterungen. Was unsere Demokratie von außen und innen bedroht" von Joachim Gauck und Helga Hirsch ist im Siedler Verlag sowie als Taschenbuch bei Pantheon erschienen. 

 
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  • Gregor Ziems
    Cool ein 85 jähriger rührt die Werbetrommel dafür, dass unsere Kinder zu Kanonenfutter hergenommen werden sollen.
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  • Thomas Hemmerich
    Warum wird für diese Veranstaltung der Stadt WÜ eigentlich Eintritt verlangt? Der Bundespräsident wurde und wird bis an sein Lebensende durch Steuergelder bezahlt und muss sich da keine Sorgen machen. Nun schreibt er ein Buch, für dass er Werbung macht und nochmal Geld kassiert. Daher nochmal die Frage: Warum wird und wurde hier Eintritt verlangt?
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  • Marc Stürmer
    Nun ja, da fehlt in Gaucks Bewertung die dritte Bedrohung, nämlich die durch den immer aggressiver werden Imperialismus der USA.

    Dort hat man ja alle Masken fallen gelassen, und will sich sowohl Kanada als auch Grönland einverleiben.

    Es ist also kaum zu erwarten, dass von dort in der nächsten Zeit noch etwas Gutes kommt...
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  • Manfred Englert
    Ein aufrechter Demokrat und Menschenfreund.

    Vielen Dank Herr Gauck für Ihre Offenheit und Ihren Mut für zB eine robustere Diskusionskultur einzutreten und Ihrer Meinung, daß nicht alle afd Wähler verloren seien.

    Aber das, wie Sie erwähnen, was wir in unserem Bestand haben, freie Wahlen, Meinungsfreiheit und und und, wird ja von Vielen als ungenügend angesehen und herausfordernd mit unsinnigen und unwichtigen Forderungen ad absurdum geführt.
    Nicht nur von rechts, speziell auch von links-grünem Denken werden diese Unsinnigkeiten zu Ungunsten unseres Heimatlandes befördert, siehe jüngst Felßner!
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  • Norbert Meyer
    Er durfte Werbung für ein Buch machen. Das wars, jetzt kann er sich wieder schlafen legen.
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  • Hermann Spitznagel
    Gauck ging doch auch einen anderen Weg.
    Er war doch jahrelang abgetaucht und kam erst, als das Licht am Ende des Tunnels zu sehen war.
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  • Silke Müller
    Herr Gauck ist niemals abgetaucht. Er war sein ganzes Leben lang glühender Antikommunist und auch als Pfarrer systemkritisch. Warum sonst wurde er von der Stasi beobachtet? Er stieß zwar erst etwas später zur Bürgerrechtsbewegung, war aber dann am Sturz des Regimes maßgeblich beteiligt. Für die Aufarbeitung des DDR-Unrechts setzte er sich ein wie kaum ein anderer, auch nach seiner Zeit als Behördenleiter. Dieser Mann verdient höchsten Respekt und keine spöttischen Kommentare!
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  • Johannes Metzger
    URright!
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  • Manfred Englert
    Sehr richtig, Frau Müller
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