
Seit einiger Zeit häufen sich in Unterfranken Fälle, bei denen vorwiegend ältere Verbraucherinnen und Verbraucher zum Kauf drastisch überteuerter Bücher überredet werden. "Hier geht es um Kaufsummen bis zu unglaublichen 16.000 Euro", sagt Andreas Hausknecht von der Schuldner- und Insolvenzberatung der Christophorus Gesellschaft in Würzburg. Können die Betroffenen nicht bezahlen, werde gleich ein Finanzierungsvertrag mit ein oder mehreren Banken abgeschlossen.
Besonders gefährdet seien ältere Kundinnen und Kunden des ehemaligen Bertelsmann-Buchclubs, sagt der Schuldnerberater. "Es wird mit der Gutgläubigkeit der Kundinnen und Kunden gespielt." Die Würzburger Schuldnerberatung betreue mittlerweile fünf Geschädigte, so Hausknecht. Er gehe von weiteren Betroffenen in und um Würzburg aus. Bundesweit seien ihm über 1000 Fälle dieser Masche bekannt.

Wie läuft die dreiste Betrugsmasche und was sollte man tun? Schuldnerberater Andreas Hausknecht, die Juristin Carina Weis vom VerbraucherService Bayern und die Nichte eines Opfers geben Hinweise und Tipps - anhand eines konkreten Falles aus Würzburg.
Bücher als "Geldanlage": Was ist das für eine Betrugsmasche?
Das Würzburger Beispiel: Eine gläubige Seniorin - 81 Jahre alt, alleinstehend, ihr Leben lang eng mit der Kirche verbunden und früher bei der Diözese Würzburg tätig - erhält im Jahr 2018 einen ersten Anruf. "Sie sind doch ein sehr christlicher Mensch", säuselt eine Dame am Telefon. Ob die 81-Jährige Interesse hätte, ihre Buchsammlung zu vervollständigen? "Bücher sind eine tolle Geldanlage", schwärmt die Anruferin. Die Seniorin macht einen Termin aus.
Die Haustür-Betrüger seien psychologisch geschult und äußerst wortgewandt, sagt die Nichte der Geschädigten. Die Anbieter hätten sich bei ihrer Tante als ehemalige Vertreter des Bertelsmann-Verlags vorgestellt. In den 1980er und 1990er Jahren hatte der Buchclub von Bertelsmann weltweit mehr als 25 Millionen Mitglieder. Mitte 2014 wurde der Direktvertrieb eingestellt.
"Es soll durch falsche Behauptungen Seriosität vorgetäuscht werden", sagt Hausknecht. Die angebotenen Bücher seiend mit Ledereinbänden und optischen Verzierungen ansprechend - aber die hohen Summen von mehreren Tausend Euro nicht wert.
Wer sind die potentiellen Opfer?
Die Opfer würden gezielt ausgewählt, sagt der Schuldnerberater: "Die Täter haben es vor allem auf alleinstehende Seniorinnen abgesehen." Oft seien die Opfer über 80 Jahre alt.
Wie gehen die Betrügenden konkret vor?
"Zuerst wurden meiner Tante kostbare Bücher, Nachdrucke mittelalterlicher Schriften, als Wertanlage fürs Alter versprochen. Später wurde ihr gesagt, sie soll mehr Bücher anschaffen, um ihre bestehende Sammlung zu komplettieren, nur dann sei ein Weiterverkauf möglich", schildert die Nichte. Doch davor sei die 81-Jährige nochmals zur Kasse gebeten worden.
Die Anrufe der Betrüger kamen zu ungewöhnlichen Uhrzeiten - am frühen Morgen oder spät in der Nacht. Die Besuche an der Haustür wurden immer häufiger. Die alte Dame fühlte sich bedrängt und schloss schließlich verschiedene Verträge.
"Insgesamt hat sie sehr viel Geld für eine minderwertige Ware bezahlt", sagt die Nichte. Warum sie immer mehr Bücher kaufte, kann sich die Seniorin heute selbst nicht mehr erklären: "Wie dumm war ich eigentlich?" Sie schäme sich. Nicht nur ihr Erspartes sei weg, sie sitzt jetzt auf hohen Schulden. Insgesamt liege der Schaden, der ihr entstand, bei etwa 50.000 Euro.
Welche Bedeutung haben Banken bei diesem Geschäft?
"Zur Finanzierung der vermeintlich wertvollen Bücher bringen die Betrüger die Betroffenen dazu, Kredite im vier- bis fünfstelligen Bereich aufzunehmen", sagt Schuldnerberater Hausknecht. "Auffällig dabei ist, dass der Abschluss dieser Kredite oft über Zwischenhändler eingefädelt wird, so dass kein persönlicher Kontakt zwischen dem Kreditinstitut und der betroffenen Person erfolgt."
Es würden somit rechtskräftige Kreditverträge über hohe Summen per Fernabsatzgeschäft geschlossen. Mit zwei Banken sei er im konkreten Fall der 81-Jährigen selbst in Kontakt gewesen: "Ich habe nachgefragt, ob sie sich bewusst sind, dass es hier um kriminelle Geschäfte geht." Die Banken hätten aber auf der Rückzahlung der noch fehlenden Kreditsumme beharrt.
Was tut die Polizei?
Die Strafanzeigen häufen sich, Medienberichten zufolge ermittelt beispielsweise das Landeskriminalamt Berlin bereits in über 100 Fällen. Die Betrugsabsicht sei allerdings schwer zu beweisen, sagt Juristin Carina Weis: "Denn dokumentiert sind nur die Kaufverträge, und diese sind meist wirksam." Das Gewinnversprechen, mit denen den Käuferinnen und Käufer gelockt werden, würden nur mündlich erteilt und sei nie Bestandteil des schriftlichen Vertrags, warnt die Verbraucherberaterin.
Auch die Kriminalpolizei Würzburg ermittelt in Verdachtsfällen, die eingeleiteten Ermittlungsverfahren würden der Staatsanwaltschaft zur Prüfung vorgelegt, teilt Martin Kuhn vom Polizeipräsidium Unterfranken mit. Die Entscheidung über eine strafrechtliche Verfolgung wegen Betrugs treffe dann die Staatsanwaltschaft.
Auch die 81-Jährige hat Anzeige bei der Polizei erstattet. Bundesweit berichten Anwälte von Hunderten verzweifelter Seniorinnen und Senioren, die guten Glaubens Tausende Euro investierten und nun auf Büchern sitzen, die schön aussehen, aber nur einen Bruchteil des gezahlten Preises wert sind. Der angerichtete Schaden dürfte in die Millionen gehen.
Was können Menschen tun, die diesem Betrug aufgesessen sind?
Oft würden Betroffene aus Scham den Vertragsschluss vor ihren Angehörigen verheimlichen und verpassen dann mögliche Widerrufsfristen, warnt Verbraucherberaterin Weis. Wichtig sei, dass sich die Betroffenen jemandem anvertrauen: "Melden kann man sich beim VerbraucherService, bei der Schuldnerberatung oder anonym beim Weißen Ring." Mit Blick auf die völlig überhöhten Buchpreise sei die Nichtigkeit des Vertrags wegen Wucher und im Einzelfall zu prüfen.
Was ist bei Haustürgeschäften grundsätzlich zu beachten?
"Haustürgeschäfte sind selten eine gute Idee", warnt die Juristin. An der Haustür und am Telefon mache man nie das Geschäft seines Lebens, daher sei immer Vorsicht geboten. Einziger Ausweg: "Bei Haustürgeschäften können Sie von Ihrem 14-tägigen Widerrufsrecht Gebrauch machen."
Auf Mahn- und Vollstreckungsbescheide sollten die Geschädigten am besten mithilfe von Fachberatungsstellen reagieren, empfiehlt Weis: "Lassen Sie sich auf keine Treffen ein. Schicken Sie ungebetene Werber weg. Unterschreiben Sie niemals einen Widerrufsverzicht!"
Auch die Polizei Unterfranken rät zur Vorsicht, wenn jemand ans Haus- oder Wohnungstür etwas verkaufen will: "Insbesondere wenn die Verkäufer Sie beispielsweise mit Schnäppchen oder Gratisangeboten locken wollen." Häufig sei dies eine kriminelle Masche mit dem Ziel, eine Unterschrift unter einen Vertrag zu erhalten - "zum Beispiel für eine Versicherung, einen günstigen Stromtarif, ein Zeitschriftenabonnement oder ein Haushaltsgerät".
Dringender Rat der Polizei: "Kaufen oder unterschreiben Sie niemals etwas an der Haustür. Lassen Sie unaufgefordert kommende 'Vertreter' oder 'Verkäufer' nicht in Ihre Wohnung."
Infos und Kontakt: VerbraucherService Bayern, Theaterstraße 23 in Würzburg, Tel. (0931) 30 50 818, per Mail an wuerzburg@verbraucherservice-bayern.de
Schuldner- und Insolvenzberatung der Christophorus Gesellschaft, Neubaustraße 40 in Würzburg, Tel. (0931) 322 41 3, offene Sprechstunde ohne Voranmeldung donnerstags 14 bis 16 Uhr.
Vielleicht für die Zeit nach dem 100sten Geburtstag? Hoffentlich kann man den Betrügern habhaft werden und sie entsprechend bestrafen.