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Würzburg
90 Jahre Akademische Buchhandlung Knodt: Wie ein Würzburger Buchladen mit der Zeit geht
Bei der Würzburger Buchhandlung Knodt blickt man im Jubiläumsjahr 2023 auf 90 Jahre bewegte Geschichte zurück. Was braucht es heute, um als unabhängiger Buchhändler bestehen zu können?
Ein Würzburger Familienunternehmen feiert 90-jähriges Bestehen: Elisabeth Stein-Salomon führt die Akademische Buchhandlung Knodt in der dritten Generation. 
Foto: Benjamin Brückner | Ein Würzburger Familienunternehmen feiert 90-jähriges Bestehen: Elisabeth Stein-Salomon führt die Akademische Buchhandlung Knodt in der dritten Generation. 
Catharina Hettiger
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:56 Uhr

Die Akademische Buchhandlung Knodt in Würzburg feiert 2023 ihr 90-jähriges Bestehen – mit einer Reihe von Lesungen und Vorträgen, die bis in den März 2024 reichen. Die Buchhandlung mit den großen blauen Lettern fällt auf: durch ihre Lage an der Ecke von Textor- und Semmelstraße, und durch ihre vielen tiefen Schaufester, in denen ein breit gefächertes Sortiment ausgestellt ist.

Wer den Laden betritt, stößt direkt auf die "Buchtipps des Monats", die den Kunden ebenso Orientierung bieten sollen wie eine regelmäßig wechselnde, vom Knodt-Team selbst rezensierte Auswahl von Taschenbüchern. Im Erdgeschoss liegt der Schwerpunkt auf Belletristik; hier finden sich neben Büchern zum Nahost-Konflikt, zu Rassismus und Feminismus auch Romane, Kinderbücher, Klassiker und vieles mehr. Ein weiterer wichtiger Teil des Geschäfts befindet sich im Untergeschoss: die Fachbuchabteilung, mit Werken aus Medizin, Pflege und Psychologie. "Diese Kombination ist in der Region ziemlich einmalig", sagt Elisabeth Stein-Salomon.

Die Inhaberin der Buchhandlung Knodt, Elisabeth Stein-Salomon (Dritte von links), mit ihrem Team.
Foto: Carola Thieme | Die Inhaberin der Buchhandlung Knodt, Elisabeth Stein-Salomon (Dritte von links), mit ihrem Team.

August Knodt eröffnet die Buchhandlung unter dem Namen des Stiefsohns

Die 68-Jährige ist Inhaberin der Buchhandlung Knodt, die am 1. Dezember 1933 von ihrem Großvater, August Knodt, gegründet wurde. Dieser arbeitete als Lehrer, doch da er Parteimitglied in der SPD war, wurde er 1933 aus dem Staatsdienst entlassen. Auf der Suche nach einer anderen Tätigkeit, mit der die Familie ernährt werden konnte, kam er auf die Idee, eine Buchhandlung zu eröffnen.

Zur gleichen Zeit bot der jüdische Buchhändler Ludwig Lazarus sein Ladengeschäft in der damaligen Adolf-Hitler-Straße 17, heute Theaterstraße, zum Kauf an, weil ihm seit 1933 das Führen eines Geschäfts verboten war. Da August Knodt keine Zulassung für die Buchhandlung bekommen hätte, meldete er sie unter dem Namen seines Stiefsohns Edmund Nagel an, der gerade eine Buchhändlerlehre absolviert hatte. Am 1. Dezember 1933 fand die Eröffnung statt.

Im zerstörten Würzburg verkaufen die Knodts Bücher in einer Metzgerei

Als August Knodt 1939 in den Kriegsdienst eingezogen wurde, führten seine Frau Elisabeth und die jugendlichen Töchter Ulli und Evi Knodt den Laden weiter. "In den Kriegsjahren wurden unter den Nazis fast keine Bücher mehr verlegt", sagt Elisabeth Stein-Salomon. 1943 eröffneten die Knodt-Töchter einen neuen Geschäftszweig und brachten einen Katalog mit medizinischen Fachbüchern heraus. "Meine Tante Evi war mit einem Mediziner liiert", so Stein-Salomon über die Hintergründe zur Idee, die der Buchhandlung zu ihrer Ausrichtung verhalf und sie bis heute prägt.

Gründer August Knodt mit Tochter Ulli Knodt Anfang der 1950er Jahre.
Foto: Archiv Buchhandlung Knodt | Gründer August Knodt mit Tochter Ulli Knodt Anfang der 1950er Jahre.

Beim Bombenangriff auf Würzburg am 16. März 1945 wurde auch der Buchladen zerstört. Doch die Knodts machten weiter – und verkauften in einer Privatwohnung Bücher sowie über einen Büchertisch in einer Metzgerei in der Kaiserstraße. 1948 eröffneten sie ihren Buchladen "August Knodt" in der Kaiserstraße 17, wo er bis zum Umzug in die Textorstraße 4 im Jahr 1976 blieb.

Ulli Knodt, die Mutter von Elisabeth Stein-Salomon, heiratete 1949 Werner Stein und führte mit ihm das elterliche Geschäft. "In den Erzählungen der Eltern war die Aufbruchszeit nach dem Krieg präsenter als die Kriegszeit", erinnert sich Stein-Salomon. Das Publikum habe damals auch in der Literatur ganz Neues gewollt, "Leonhard Frank zum Beispiel hatte keinen Erfolg mehr, stattdessen wollten die Leute Sartre lesen". Bald schon fingen die Knodts an, Literaturabende zu organisieren – mit Philosophen, Lyrikern und Schriftstellern wie Theodor W. Adorno, Paul Celan, Günter Grass, Martin Walser und Peter Handke.

"Wir haben Rechnungen abgelegt und Taschenbücher nach Nummern sortiert, das hat Spaß gemacht."
Knodt-Inhaberin Elisabeth Stein-Salomon über ihre Kindheit in der Buchhandlung

Die Buchhandlung sei schon immer ein wichtiger Teil ihres Lebens gewesen, erzählt Elisabeth Stein-Salomon. Ihre zwei älteren Brüder und sie hätten bereits als Kinder im Laden mitgeholfen: "Wir haben Rechnungen abgelegt und Taschenbücher nach Nummern sortiert, das hat Spaß gemacht."

Der Weihnachtskatalog der Buchhandlung Knodt von 1949.
Foto: Archiv Buchhandlung Knodt | Der Weihnachtskatalog der Buchhandlung Knodt von 1949.

Nach der Schule begann Stein-Salomon zunächst ein Germanistik-Studium, das sie zugunsten der Arbeit in der Buchhandlung abbrach. Zusammen mit ihrem Bruder Martin stieg sie ins Geschäft der Eltern mit ein: Während ihre Mutter und sie für das Belletristik-Sortiment im Erdgeschoss verantwortlich waren, kümmerten sich ihr Bruder und ihr Vater um die Fachbuch-Abteilung im Untergeschoss. Nach dem Tod der Mutter führten Elisabeth Stein-Salomon, Vater Werner und Bruder Martin Stein den Laden weiter. Werner Stein starb 2016, Martin Stein 2021. Seitdem ist Stein-Salomon alleinige Inhaberin der Buchhandlung; zur Seite steht ihr ein Team aus sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Zusammenschluss mit anderen Buchhändlern ist wichtig

Das Publikum der Buchhandlung sei sehr gemischt und reiche von Touristen über Studierende bis hin zu Stammkunden, "insgesamt kommen viele junge Leute, vor allem politisch interessierte", so die Inhaberin. Dazu trage auch der Kulturpass bei, bei dem 18-Jährige 200 Euro vom Kultusministerium bekommen, die sie auch für den Kauf von Büchern im lokalen Handel nutzen können.

Ein wichtiger Schritt, um sich als unabhängiger Buchhändler neben dem boomenden Internethandel und den großen Filialen behaupten zu können, sei der Zusammenschluss mit anderen inhabergeführten Buchgeschäften zur Initiative "Lass' den Klick in deiner Stadt" gewesen, sagt Stein-Salomon. "Der Kontakt mit Kollegen macht Spaß und schweißt zusammen" – und hat zudem zu "Würzburg liest ein Buch" geführt, einem seit 2014 im Zweijahres-Rhythmus stattfindendem Leseprojekt in Würzburg und der Region.

"Man muss sich Bücher auch leisten können."
Elisabeth Stein-Salomon über die Auswirkungen der angespannten wirtschaftlichen Lage

"Heute muss man als Buchhändler sehr aktiv sein", sagt Stein-Salomon. Regelmäßig Veranstaltungen wie Lesungen mit Autoren oder Leseabende über berühmte Schriftstellerinnen organisieren gehöre dazu, "das kostet Energie und ist ein Vollzeit-Job". Was Stein-Salomon an ihrem Beruf liebt, ist der Austausch mit den Kundinnen und Kunden. "Das gegenseitige Empfehlen von Büchern ist das Schönste; es macht Spaß, herauszufinden, was jemand mag, und dann einen passenden Tipp zu geben." Für die 68-Jährige bedeutet Lesen auch nach 45 Jahren Arbeit als Buchhändlerin noch immer Entspannung: "Konzentriertes Lesen ist eine wunderbare Sache."

Wie es in Zukunft mit der Buchhandlung, die bereits mehrfach mit dem "Deutschen Buchhandlungspreis" ausgezeichnet wurde, weitergehen kann, lässt Elisabeth Stein-Salomon offen. Die schwierige wirtschaftliche Situation vieler Menschen mache sich bemerkbar, "man muss sich Bücher auch leisten können". Aber: "Ich habe ein tolles Team – solange sich wirtschaftlich alles gestalten lässt, mache ich weiter."

Jubiläumsprogramm: Am 12. Dezember hält Prof. Dr. Michael Obladen einen Vortrag zu "Das Neugeborene – eine Medizin- und Kulturgeschichte der letzten 90 Jahre". Cornelia Böse liest am 27. Januar aus "Wie eine Erbse kurzerhand die richtige Prinzessin fand"; am  20. Februar gibt es einen "Karl Marbe und Milly Marbe-Fries-Abend" mit Prof. Dr. Armin Stock und Dr. Henrike Holsing. Über die "Wunderwelt der Insekten" referiert Prof. Jürgen Tautz am 18. März. Das Knodt-Team bittet um vorherige Anmeldung: info@knodt.de oder Tel.: (0931) 52673

 
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  • Bernhard Feghelm
    Bücher können, insofern sie informativ und lehrreich, unterhaltend und zugleich bildungsbewusst sind, wichtige Denkanstöße liefern und Denkprozesse in die Wege leiten. Immer bahnen sie als Vermittler von Verhaltensweisen und Verhaltenstechniken Lernaktivitäten an. Sie führen uns zum Erwerb von Fähigkeiten und Kenntnissen, mit deren Hilfe wir uns selbst besser verstehen und mit deren erworbenen Fertigkeiten wir uns besser behaupten können.
    Bücher sind also nicht nur Wissensvermittler, sondern auch praktische Ratgeber. Mögen die Leser nach lange ihrem Lesevergnügen und ihrer Leidenschaft Bücher zu erwerben frönen.
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  • Kerstin Celina
    Ganz herzlichen Glückwunsch an diesen tollen Buchladen und das Team, das mich schon so oft sehr gut beraten hat.
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