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Würzburg
800 Jahre Franziskaner in Würzburg: Wer lebt heute noch im Kloster?
Wer sind die Menschen hinter den Klostermauern? Ein Gespräch mit Bruder Markus und Bruder Josef über das Zusammenleben, Nachwuchsprobleme und den Besitz eines Handys.
Bruder Markus (links) und Bruder Josef im Kreuzgang des Franziskaner-Minoritenklosters in der Franziskanergasse in Würzburg.
Foto: Daniel Peter | Bruder Markus (links) und Bruder Josef im Kreuzgang des Franziskaner-Minoritenklosters in der Franziskanergasse in Würzburg.
Vanessa Michaeli
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:14 Uhr

Als einer der ersten deutschen Franziskaner-Konvente haben sich vor 800 Jahren die Franziskaner in Würzburg angesiedelt. Mittlerweile ist der Würzburger Konvent der einzige, der ununterbrochen in Deutschland besteht. Doch wer sind die Menschen hinter den Klostermauern in der Würzburger Innenstadt?

Bruder Markus ist 31 Jahre alt und erst seit ein paar Jahren Franziskaner-Minorit. Der 63-jährige Bruder Josef dagegen gehört dem katholischen Orden bereits seit 42 Jahren an. Ein Gespräch über den Reiz des klösterlichen Lebens, mangelnden Nachwuchs und Besitzlosigkeit.

Frage: Sie gehören beide dem Orden der Franziskaner-Minoriten an. Ist Mönch die richtige Bezeichnung für Sie?

Bruder Markus: Mönche sind im strengen Sinn Ordensmänner, die in Klausur leben, das heißt, die zurückgezogen in einem Kloster leben und die Stille, das Gebet suchen. Der heilige Franziskus wollte eine Bruderschaft gründen, die das Evangelium lebt. Ihm war ein familiäres, brüderliches, geschwisterliches Zusammenleben wichtig. Und deshalb trifft die Bezeichnung Mönch auf uns nicht ganz zu.

Bruder Josef: Das kann ich unterstreichen. In der Ordensregel heißt es, wir sind 'mindere Brüder'.

Franziskanerbruder zu werden, diesen Wunsch haben heutzutage wenig junge Menschen. Bruder Markus, wieso sind Sie mit Mitte 20 dem Orden beigetreten? Was reizt Sie am klösterlichen Leben?

Br. Markus: Es war die Frage nach meiner Berufung, also 'Was will Gott von mir?'. Zu Beginn meines Theologiestudiums wusste ich, dass ich etwas mit meinem Glauben machen möchte, aber was genau, war lange nicht klar. Eine Exerzitienbegleiterin – eine Franziskanerin – sagte mal zu mir: 'Es kommt ein Punkt in Ihrem Leben, da spüren Sie, der ist echt.' Es vergingen Monate und schließlich war es eine Karte mit einem Bild zweier Wege, die meine Mutter an meinem Geburtstag auf den Tisch legte und die mich spüren ließ: Jetzt darf ich mein bisheriges Leben als Student innerhalb der Familie verlassen und den neuen Weg wagen. Über verschiedene Ordensleute bin ich dann nach Würzburg und ins Kloster Schwarzenberg gekommen.

Das heißt, die Unterstützung Ihrer Familie war ein wichtiger Punkt.

Br. Markus: Es geht nicht so sehr um Unterstützung, sondern es waren die Bereitschaft und die Offenheit meiner Familie, zu sagen: 'Wir stehen hinter dir. Wir wollen, dass du glücklich wirst und deinen Weg gehen kannst.'

Bruder Josef, Sie sind schon seit 42 Jahren ein Franziskaner-Minorit. Was hat Sie am 1. August 1979 veranlasst, in den Orden einzutreten?

Br. Josef: Es gab diese Frage in mir, 'Was ist es, was Gott mit mir vorhat?'. Dann galt es abzutasten, wo meine Stärken und Schwächen liegen und wo es mich hinzieht. Im Kloster habe ich das Familiäre wiedergefunden, das ich von zu Hause kenne – ich komme aus einer katholischen Großfamilie. Was mich außerdem angesprochen hat, war der lebendige Gottesdienst. Die Mitgliedschaft im Orden hat mir geholfen, zu dem zu werden, der ich jetzt bin. Heute traue ich mir Sachen zu, die ich mir als Jugendlicher nicht zugetraut hätte.

Zum Beispiel?

Br. Josef: Einen Gottesdienst für Motorradfahrer zu halten, obwohl ich kein Motorradfahrer bin (lacht). Oder eine Faschingspredigt.

Bruder Josef, Sie leben nun seit vier Jahrzehnten im Kloster. Hat sich das Klosterleben in dieser Zeit verändert?

Br. Josef: Spontan fällt mir die neue Gemeinschaft im Kloster Lage ein, die wir im Februar in der Nähe von Osnabrück gegründet haben. Das ist ein Novum für mich. Dort sind zurzeit ein deutscher und ein indischer Bruder, ein afrikanischer und ein rumänischer Bruder werden noch hinzukommen.

Blick in den Kreuzgang des Franziskaner-Minoritenklosters in Würzburg. Seit 1221 leben und wirken Brüder des Heiligen Franz in Würzburg, 2021 feiern die Franziskaner ihr 800-jähriges Jubiläum.
Foto: Daniel Peter | Blick in den Kreuzgang des Franziskaner-Minoritenklosters in Würzburg. Seit 1221 leben und wirken Brüder des Heiligen Franz in Würzburg, 2021 feiern die Franziskaner ihr 800-jähriges Jubiläum.
Trotz dieser Neugründung gibt es immer weniger Menschen, die sich dem Orden anschließen. Woran liegt das?

Br. Markus: In der westlichen Welt haben wir im Orden Rückgänge von ungefähr 50 Prozent. Anderswo haben wir viele neue Berufungen. In Venezuela zum Beispiel liegt der Altersdurchschnitt bei 35 Jahren.

Br. Josef: Die Rückläufigkeit bei uns hat auch damit zu tun, dass es weniger lebendige kirchliche Gemeinden gibt. Zudem wird die Jugendarbeit im Moment durch Corona sehr erschwert. Wir konnten keine Zeltlager machen oder Interessenten einladen, einige Zeit mit uns zu leben. Und es vergeht kaum ein Tag ohne eine Medienmeldung über die dunklen Seiten der Kirche, das wirkt sich auch auf die Orden aus.

Aber gibt es aus Ihrer Sicht etwas, das die Franziskaner-Minoriten – oder allgemein Ordensbrüder –verändern könnten, damit dieser Lebensweg in Zukunft wieder für mehr junge Menschen interessant wird?

Br. Josef: Es gibt keine Garantie, dass der Orden in alle Ewigkeit besteht. Ich hoffe, dass es durch unser Wirken immer wieder Menschen gibt, die sagen, sowas Verrücktes mache ich auch. Und wenn eine Gemeinschaft abbricht, kann die Frage auftauchen: 'Was ist der Wille Gottes für uns heute?'

Br. Markus: Wir sind nicht festgelegt auf einen bestimmten Auftrag oder Ort. Es kann sich immer wieder etwas verändern. Und wenn junge Männer mit einer Vision oder einem Projekt zu uns kommen, hören wir sie an und entscheiden in der Gemeinschaft, ob wir das gut finden und etwas Neues wagen.

Br. Josef: Als Beauftragter für Berufungspastoral bin ich Ansprechpartner für Menschen, die noch auf dem Weg sind. Und wir beten darum, dass der Herr uns neue Brüder schickt. Manchmal glaube ich auch, dass er es wirklich macht (lacht). Es gibt die religiös Suchenden, nur manchmal wissen sie noch nicht, dass es uns gibt.

Bei Ihnen leben Brüder mit einer Altersspanne von 31 Jahren bis über 90 Jahre zusammen. Wie gelingt das Zusammenleben mit drei Generationen?

Br. Markus: Ich glaube, es braucht von allen Seiten die nötige Portion Gelassenheit, wo man auch mal über manche Dinge hinwegsehen kann. Auch die Tagesstruktur, das Gebet und die Beziehung zu Gott helfen.

Br. Josef: Es braucht eine gute Leitung im Haus, die ein Verständnis für Alt und Jung hat und uns zusammenhält.

Es ist jetzt 800 Jahre her, dass sich die Franziskaner in Würzburg angesiedelt haben. Was verbindet Sie selbst mit dem heiligen Franziskus von Assisi?

Br. Josef: Die Frage hat ins Herz getroffen.

(Ein paar Minuten Schweigen)

Br. Josef: Ich sag’s mal etwas einfach: Franziskus ist jemand, der mir hilft, mehr Tiefe und mehr Weite zu gewinnen.

Br. Markus: Was mich an Franziskus begeistert, ist seine Einfachheit, aber auch seine Überschwänglichkeit. Franziskus versucht, einfach zu leben und das Evangelium mit einfachen Worten zu verkünden. Aber er bricht in diese Überschwänglichkeit aus, wenn er von Gott spricht, wenn er den Allerhöchsten lobpreist: 'Du bist der dreifaltige und eine Herr, Gott aller Götter. Du bist das Gute, jegliches Gut, das höchste Gut, der Herr, der lebendige und wahre Gott.'

Bruder Josef (links) und Bruder Markus im Garten des Franziskaner-Minoritenklosters in der Franziskanergasse in Würzburg.
Foto: Daniel Peter | Bruder Josef (links) und Bruder Markus im Garten des Franziskaner-Minoritenklosters in der Franziskanergasse in Würzburg.
Als Franziskanerbruder legen Sie drei Gelübde ab, erkennbar an den drei Knoten in Ihrem Gürtel: Armut, Keuschheit und Gehorsam. Zu Zeiten des heiligen Franziskus hieß Armut, nur das zu besitzen, was man am Leibe trägt und als Bettler durch die Welt zu ziehen. Was bedeutet Armut heute für die Franziskaner-Minoriten?

Br. Josef: In der Ordensregel steht bei dem Stichwort Armut 'ohne Eigentum'. Zu Armut gehören Empfänglichkeit, aber auch die Aufmerksamkeit für die Bedürftigen. Wir müssen uns immer überlegen, ob wir noch in der Nähe der Armen sind, auch der seelisch Armen, denn Armut hat viele Gesichter.

Br. Markus: Armut ist, dass ich keinen persönlichen Besitz habe. Für viele ist es schwer zu verstehen, dass ich keine Kreditkarte oder kein eigenes Auto habe. Alles, was ich habe, gehört der Gemeinschaft. Und wenn ich etwas brauche, muss ich darum bitten.

Aber Sie besitzen ein Handy.

Br. Markus: Ja, wir haben ein Handy und einen Computer. Die gehören uns aber nicht, sondern die Gemeinschaft hat sie für uns gekauft. Weil man heute erreichbar sein muss, wenn man nah an den Menschen sein will.

Bruder Markus, Ihre Generation ist in einer sehr materialistischen Welt aufgewachsen. Ist es für Sie ein Problem, nicht mehr alles haben zu können?

Br. Markus: Am Anfang war es für mich schon ein bisschen eine Überwindung, um etwas zu bitten. Aber mittlerweile ist es normal. Wenn ich an Schaufenstern vorbeilaufe, habe ich nicht das Bedürfnis, das alles haben zu wollen.

Unter dem Ordensgewand sieht man auch nicht, ob Sie ein hübsches Hemd tragen.

Br. Markus (lacht): Oder nur ein T-Shirt.

Seit 800 Jahren in Würzburg: Die Geschichte der Franziskaner-Minoriten

Anfang des 13. Jahrhunderts gründete der heilige Franziskus von Assisi in Italien den Orden der Minderen Brüder, der später in den Franziskanerorden umbenannt wurde. Ein paar Jahre später zogen einige Brüder los, um das Evangelium in der Welt zu verkünden. Zwei von ihnen ließen sich 1221 in Würzburg nieder und gründeten hier einen der ersten deutschen Franziskaner-Konvente. Seit 800 Jahren ist der Würzburger Konvent der einzige, der ununterbrochen in Deutschland besteht. Wo genau sich die Brüder zu Beginn niederließen, ist nicht belegt. Klar ist jedoch, dass sich bereits nach kurzer Zeit drei Männer aus der Umgebung dem neuen Orden anschlossen. 1249 zogen die Franziskaner in das Kloster in der Innenstadt, in dem sie bis heute leben. Zum Würzburger Konvent gehören derzeit 15 Brüder. Sie feiern Gottesdienste, kümmern sich als Seelsorger um Menschen in schwierigen Situationen und halten Exerzitien – oder andere religiöse Kurse. Zudem geben die Brüder eine Brotzeit für Bedürftige aus und sind in Würzburg für ihre "Straßenambulanz" bekannt.
Quelle: Vam
 
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  • J. N.
    Danke für diesen Artikel - ich lese sehr gerne solche informativen Berichte.
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