Als einer der ersten deutschen Franziskaner-Konvente haben sich vor 800 Jahren die Franziskaner in Würzburg angesiedelt. Mittlerweile ist der Würzburger Konvent der einzige, der ununterbrochen in Deutschland besteht. Doch wer sind die Menschen hinter den Klostermauern in der Würzburger Innenstadt?
Bruder Markus ist 31 Jahre alt und erst seit ein paar Jahren Franziskaner-Minorit. Der 63-jährige Bruder Josef dagegen gehört dem katholischen Orden bereits seit 42 Jahren an. Ein Gespräch über den Reiz des klösterlichen Lebens, mangelnden Nachwuchs und Besitzlosigkeit.
Bruder Markus: Mönche sind im strengen Sinn Ordensmänner, die in Klausur leben, das heißt, die zurückgezogen in einem Kloster leben und die Stille, das Gebet suchen. Der heilige Franziskus wollte eine Bruderschaft gründen, die das Evangelium lebt. Ihm war ein familiäres, brüderliches, geschwisterliches Zusammenleben wichtig. Und deshalb trifft die Bezeichnung Mönch auf uns nicht ganz zu.
Bruder Josef: Das kann ich unterstreichen. In der Ordensregel heißt es, wir sind 'mindere Brüder'.
Br. Markus: Es war die Frage nach meiner Berufung, also 'Was will Gott von mir?'. Zu Beginn meines Theologiestudiums wusste ich, dass ich etwas mit meinem Glauben machen möchte, aber was genau, war lange nicht klar. Eine Exerzitienbegleiterin – eine Franziskanerin – sagte mal zu mir: 'Es kommt ein Punkt in Ihrem Leben, da spüren Sie, der ist echt.' Es vergingen Monate und schließlich war es eine Karte mit einem Bild zweier Wege, die meine Mutter an meinem Geburtstag auf den Tisch legte und die mich spüren ließ: Jetzt darf ich mein bisheriges Leben als Student innerhalb der Familie verlassen und den neuen Weg wagen. Über verschiedene Ordensleute bin ich dann nach Würzburg und ins Kloster Schwarzenberg gekommen.
Br. Markus: Es geht nicht so sehr um Unterstützung, sondern es waren die Bereitschaft und die Offenheit meiner Familie, zu sagen: 'Wir stehen hinter dir. Wir wollen, dass du glücklich wirst und deinen Weg gehen kannst.'
Br. Josef: Es gab diese Frage in mir, 'Was ist es, was Gott mit mir vorhat?'. Dann galt es abzutasten, wo meine Stärken und Schwächen liegen und wo es mich hinzieht. Im Kloster habe ich das Familiäre wiedergefunden, das ich von zu Hause kenne – ich komme aus einer katholischen Großfamilie. Was mich außerdem angesprochen hat, war der lebendige Gottesdienst. Die Mitgliedschaft im Orden hat mir geholfen, zu dem zu werden, der ich jetzt bin. Heute traue ich mir Sachen zu, die ich mir als Jugendlicher nicht zugetraut hätte.
Br. Josef: Einen Gottesdienst für Motorradfahrer zu halten, obwohl ich kein Motorradfahrer bin (lacht). Oder eine Faschingspredigt.
Br. Josef: Spontan fällt mir die neue Gemeinschaft im Kloster Lage ein, die wir im Februar in der Nähe von Osnabrück gegründet haben. Das ist ein Novum für mich. Dort sind zurzeit ein deutscher und ein indischer Bruder, ein afrikanischer und ein rumänischer Bruder werden noch hinzukommen.
Br. Markus: In der westlichen Welt haben wir im Orden Rückgänge von ungefähr 50 Prozent. Anderswo haben wir viele neue Berufungen. In Venezuela zum Beispiel liegt der Altersdurchschnitt bei 35 Jahren.
Br. Josef: Die Rückläufigkeit bei uns hat auch damit zu tun, dass es weniger lebendige kirchliche Gemeinden gibt. Zudem wird die Jugendarbeit im Moment durch Corona sehr erschwert. Wir konnten keine Zeltlager machen oder Interessenten einladen, einige Zeit mit uns zu leben. Und es vergeht kaum ein Tag ohne eine Medienmeldung über die dunklen Seiten der Kirche, das wirkt sich auch auf die Orden aus.
Br. Josef: Es gibt keine Garantie, dass der Orden in alle Ewigkeit besteht. Ich hoffe, dass es durch unser Wirken immer wieder Menschen gibt, die sagen, sowas Verrücktes mache ich auch. Und wenn eine Gemeinschaft abbricht, kann die Frage auftauchen: 'Was ist der Wille Gottes für uns heute?'
Br. Markus: Wir sind nicht festgelegt auf einen bestimmten Auftrag oder Ort. Es kann sich immer wieder etwas verändern. Und wenn junge Männer mit einer Vision oder einem Projekt zu uns kommen, hören wir sie an und entscheiden in der Gemeinschaft, ob wir das gut finden und etwas Neues wagen.
Br. Josef: Als Beauftragter für Berufungspastoral bin ich Ansprechpartner für Menschen, die noch auf dem Weg sind. Und wir beten darum, dass der Herr uns neue Brüder schickt. Manchmal glaube ich auch, dass er es wirklich macht (lacht). Es gibt die religiös Suchenden, nur manchmal wissen sie noch nicht, dass es uns gibt.
Br. Markus: Ich glaube, es braucht von allen Seiten die nötige Portion Gelassenheit, wo man auch mal über manche Dinge hinwegsehen kann. Auch die Tagesstruktur, das Gebet und die Beziehung zu Gott helfen.
Br. Josef: Es braucht eine gute Leitung im Haus, die ein Verständnis für Alt und Jung hat und uns zusammenhält.
Br. Josef: Die Frage hat ins Herz getroffen.
(Ein paar Minuten Schweigen)
Br. Josef: Ich sag’s mal etwas einfach: Franziskus ist jemand, der mir hilft, mehr Tiefe und mehr Weite zu gewinnen.
Br. Markus: Was mich an Franziskus begeistert, ist seine Einfachheit, aber auch seine Überschwänglichkeit. Franziskus versucht, einfach zu leben und das Evangelium mit einfachen Worten zu verkünden. Aber er bricht in diese Überschwänglichkeit aus, wenn er von Gott spricht, wenn er den Allerhöchsten lobpreist: 'Du bist der dreifaltige und eine Herr, Gott aller Götter. Du bist das Gute, jegliches Gut, das höchste Gut, der Herr, der lebendige und wahre Gott.'
Br. Josef: In der Ordensregel steht bei dem Stichwort Armut 'ohne Eigentum'. Zu Armut gehören Empfänglichkeit, aber auch die Aufmerksamkeit für die Bedürftigen. Wir müssen uns immer überlegen, ob wir noch in der Nähe der Armen sind, auch der seelisch Armen, denn Armut hat viele Gesichter.
Br. Markus: Armut ist, dass ich keinen persönlichen Besitz habe. Für viele ist es schwer zu verstehen, dass ich keine Kreditkarte oder kein eigenes Auto habe. Alles, was ich habe, gehört der Gemeinschaft. Und wenn ich etwas brauche, muss ich darum bitten.
Br. Markus: Ja, wir haben ein Handy und einen Computer. Die gehören uns aber nicht, sondern die Gemeinschaft hat sie für uns gekauft. Weil man heute erreichbar sein muss, wenn man nah an den Menschen sein will.
Br. Markus: Am Anfang war es für mich schon ein bisschen eine Überwindung, um etwas zu bitten. Aber mittlerweile ist es normal. Wenn ich an Schaufenstern vorbeilaufe, habe ich nicht das Bedürfnis, das alles haben zu wollen.
Br. Markus (lacht): Oder nur ein T-Shirt.