
Stolz posiert July für den Fotografen. Er steht in der Klosterwerkstatt, hinter ihm hängen Schraubenzieher und Maulschlüssel fein säuberlich geordnet an der Wand. July heißt eigentlich Juelisson Araujo Oliveira, den Kollegen ist das allerdings zu lang. "Sie nennen mich ‚Sieben Eins‘!", scherzt er.
Fußballfans ahnen es schon: Der junge Mann ist Brasilianer. Bei der Weltmeisterschaft 2014 gewann Deutschland gegen Gastgeber Brasilien im Halbfinale mit 7:1. Das Spiel ging nicht nur wegen des Fußballs der deutschen Mannschaft in die Geschichtsbücher ein. Vor allem blieben die Bilder von Schweinsteiger und Co. hängen, die nach dem Spiel die tief enttäuschten brasilianischen Spieler trösteten.
In Irland die große Liebe gefunden
Nicht weit von Belo Horizonte, wo die legendäre Partie damals stattfand, liegt Sete Lagoas (Deutsch: Sieben Seen). Hier, im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais, kam July zur Welt. Hier arbeitete er nach seinem Studium als Logistiker für den Fahrzeuge-Hersteller Iveco. Dabei hatte sich seine Mutter immer gewünscht, dass ihr Sohn eines Tages Priester würde.Diesen Wunsch konnte July ihr nicht erfüllen. Er beschloss schließlich, den Bürojob zu kündigen und sein Glück in Europa zu suchen.
Da er sein Englisch verbessern wollte, ging July zunächst nach Irland. Dort schlug er sich mit Jobs in der Gastronomie durch, bis er eines Tages eine Frau kennenlernte und sich verliebte. Das einzige Problem war, dass es sich nicht um eine Irin handelte, sondern um eine Deutsche. Genauer gesagt: eine Bambergerin.
Das junge Paar beschloss, zu ihr zu ziehen und einen neuen Start in Unterfranken zu wagen. Er bewarb sich auf drei Ausbildungsstellen. Ob seine Mutter nun doch erhört wurde – die Zusage kam vom Kloster, von der Kongregation der Schwestern des Erlösers.
Im September hat nun Julys Ausbildung zum Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik begonnen. Seine Arbeit umfasst Elektro-, Renovierungs- und Hausmeistertätigkeiten in den Ordensgebäuden in der Würzburger Altstadt, die zwischen Neubaukirche und Dom praktisch ein eigenes kleines Viertel bilden.
Zudem packt er in mehreren über die Stadt verteilten Erziehungseinrichtungen mit an. Einen Teil der individuell gestalteten Ausbildung übernimmt die Firma Schott. Dem langjährigen Partner des Klosters sei man hierfür sehr denkbar, da July nicht für deren Bedarf ausgebildet werde, der Würzburger Elektromeisterbetrieb dennoch all jene Lehraufgaben übernehme, die man dem 31-Jährigen im Kloster nicht vermitteln könne.
Dass Menschen mit Migrationshintergrund im Handwerk Erfolgsgeschichten schreiben, ist keine Neuigkeit mehr. Spätestens seit 2015, dem Jahr in dem Tausende Menschen nach Deutschland geflohen sind, haben auch kleinere Betriebe auf Bewerber aus anderen Kulturkreisen gesetzt. Für die Ausbildenden bedeutet dies zwar häufig zusätzliche Anstrengung aufgrund der Sprachbarriere. Doch im Fall von July werde das entgegengebrachte Vertrauen mit großem Fleiß zurückgezahlt, versichert Daniel Steinmetz. Der Elektriker-Meister ist hauptverantwortlich für Julys Ausbildung. Gerade die Schnelligkeit, mit der sein Schützling Deutsch lerne, verblüffe ihn. "Mittlerweile versteht er sogar fränkisch!"
Nicht nur bei den Handwerkern kann der Südamerikaner punkten, auch die Nonnen seien begeistert: "Die Schwestern blühen auf, wenn July um die Ecke kommt. Da wird dann nochmal rasch die Haube gerichtet", erzählt Miriam Christof, Stabsstellenleiterin der Öffentlichkeitsarbeit.
Missverständnisse bleiben auf der Baustelle nicht aus
Der Brasilianer steht für frischen Wind, der durch die Klostermauern weht. Die Gebäude des katholischen Frauenordens befinden sich mitten im Sanierungsprozess. Die Schwestern sollen Schritt für Schritt in ein "Grundkloster" umziehen, während andere Teile für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Missverständnisse bleiben dabei im Alltag nicht aus und an eines erinnert sich July noch ganz genau: Einmal, so erzählt July, habe er bei den Renovierungen mit einem älteren Kollegen eine Waschmaschine aus dem zweiten Stock herabgeschleppt. Mitten auf der Treppe hieß es: "Ab! Ab!" Zum Entsetzen des Kollegen setzte July aber nicht zur Verschnaufpause ab. Er hievte die Maschine immer weiter "up" (Englisch: nach oben).