
Die Würzburger Polizei steht offenbar vor der Klärung eines der geheimnisvollsten Kriminalfälle in Unterfranken: dem Mord an dem türkischen Gastwirt Edip Saraç vor 25 Jahren in Würzburg. In seiner Kneipe war der 55-jährige Saraç im Januar 1999 erschossen worden, fast direkt vor der Tür der Kripo im Stadtteil Zellerau.
Jetzt hat die Polizei nach intensiven Ermittlungen in dem ungeklärten Fall zwei Tatverdächtige festgenommen: Carmen Aufmuth, Sprecherin des Polizeipräsidiums Unterfranken, und der Würzburger Oberstaatsanwalt Tobias Kostuch bestätigten dies am Montagnachmittag.
25 Jahre nach dem Mord: Zwei Tatverdächtige in Haft
Fast ein Vierteljahrhundert war der Fall ungeklärt geblieben. In der vergangenen Woche hatten neue Hinweise zur Wiederaufnahme der Ermittlungen geführt. Details dazu nannten Polizei und Staatsanwaltschaft zunächst nicht. Im Rahmen dieser Ermittlungen "wurden am Wochenende ein 49-jähriger Tatverdächtiger aus Arnstein und ein 66-jähriger Tatverdächtiger aus Würzburg festgenommen", bestätigten Polizei und Staatsanwaltschaft dann am Montag.
Beide Festgenommenen wurden auf Antrag der Staatsanwaltschaft Würzburg dem Ermittlungsrichter vorgeführt. Dieser erließ Untersuchungshaftbefehle wegen des dringenden Tatverdachts des Mordes. Die Männer befinden sich inzwischen in verschiedenen Justizvollzugsanstalten.
Großer Polizeieinsatz und Suche auf Grundstück in der Würzburger Sanderau
Am vergangenen Freitag hatte ein ungewöhnlich umfangreicher Polizeieinsatz im Würzburger Stadtteil Sanderau für Aufsehen gesorgt: Am Nachmittag hatten auf dem Parkplatz eines großen Einkaufsmarktes und in den angrenzenden Straßen zahlreiche Einsatzwagen geparkt. In der Nähe einer Fußgängerbrücke durchsuchten Dutzende Polizisten ein Grundstück. Später kündeten Erdlöcher dort von Grabungen im Garten eines der in die Jahre gekommenen Häuser.
Maskierter Schütze war unbehelligt verschwunden
Bei dem Mord an dem Gastwirt am Abend des 5. Januars 1999 hatte - nach damaliger Schilderung von Zeugen - ein mit Sturmhaube Maskierter das Lokal in der Weißenburgstraße betreten. Ein Dutzend Gäste sah, wie er mit einer Schusswaffe auf Edip Saraç zielte – und fünfmal abdrückte. Dann verschwand der Schütze so unbehelligt, wie er gekommen war.
Zunächst war die Polizei von einem tödlichen Zwist zwischen Vater und Sohn ausgegangen. Dann kursierte die Vermutung, Edip Saraç sei getötet worden, weil er einem Freund für ein Darlehen gebürgt hatte und nicht dafür geradestehen konnte. Einer seiner Söhne wurde damals mit den Worten zitiert: "Mein Vater ist Bürge für eine Schuld von 350.000 Mark geworden." Als der Freund das Geld nicht zurückgezahlt habe, "befand sich mein Vater in einer schwierigen Situation". Ein 23-jähriger Verdächtiger wurde damals festgenommen, später jedoch wieder freigelassen.
Ungeklärte Hintergründe zu "Kulturverein"
Unklar blieb über Jahre hinweg vieles: Warum prangte über dem Eingang der Kneipe das Schild "Deutsch-Türkischer Kulturverein", dem das Mordopfer der türkischen Zeitung "Hürriyet" zufolge vorgestanden haben soll? Weder dem damaligen Sozialreferenten der Stadt Würzburg, noch dem Vorsitzenden des Ausländerbeirats war dieser Verein bekannt gewesen. Auch am Amtsgericht war ein solcher Verein nicht registriert.
Kein Zusammenhang mit den Morden der NSU
Dann keimte der Verdacht, die Tat könne etwas mit der kurz darauf begonnenen Mordserie der neonazistischen Terror-Organisation "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) zu tun haben. Die drei Haupttäter Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe ermordeten zwischen 2000 und 2007 neun Migranten und eine Polizistin, verübten 43 Mordversuche, drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle. Doch Boris Raufeisen, damals Oberstaatsanwalt in Würzburg, erklärte dazu, der Fall sei "x-fach" auf Zusammenhänge mit der Mordserie des NSU geprüft worden: "Da ist nichts dergleichen gewesen."
Weitere Durchsuchungen in Würzburg, Arnstein und Zellingen
Die aktuellen neuen Ermittlungen der Kriminalpolizei Würzburg sind mit der Festnahme der beiden Tatverdächtigen nicht abgeschlossen. Sie werden in einer hierfür eigens gegründeten Ermittlungskommission in enger Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft fortgeführt.
Bereits am Freitag wurden laut Polizei nicht nur in Würzburg, sondern auch Arnstein und Zellingen (beide Lkr. Main-Spessart) verschiedene Wohn- und Geschäftsräumen der Tatverdächtigen und auch möglicher Zeugen durchsucht.
Personen, die sachdienliche Hinweise geben können, werden dringend gebeten, sich bei der Kriminalpolizei Würzburg unter Tel. (0800) 77 33 744 zu melden.