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Gerolzhofen
Zwei Morde schockierten einst die Kleinstadt Gerolzhofen: Einer davon geschah vor genau 100 Jahren
In der Nacht zum 23. Februar 1925 wurde eine junge Frau aus Bischwind in der Nähe des Bahnhofs getötet. Wie kam es dazu und wer war der Mörder? Eine Spurensuche.
Dieser Gedenkstein erinnert an ein schreckliches Verbrechen: Am Samstag vor 100 Jahren tötete Karl Schwarz das Dienstmädchen Wilhelmina Schleiss in Gerolzhofen. Das kleine Mahnmal steht schräg gegenüber des Tatorts, in einer Mauerecke an der Kolpingstraße zur Einmündung Am Schießwasen.
Foto: Stefan Pfister | Dieser Gedenkstein erinnert an ein schreckliches Verbrechen: Am Samstag vor 100 Jahren tötete Karl Schwarz das Dienstmädchen Wilhelmina Schleiss in Gerolzhofen.
Stefan Pfister
 |  aktualisiert: 27.02.2025 02:38 Uhr

Der beschriftete Sandstein mit dem kleinen Dach ist etwa einen Meter hoch. Er steht in einer kleinen Mauerecke vor einem Wohnhaus in der Kolpingstraße an der Einmündung Am Schießwasen. Viele Fahrzeuge und Fußgänger kommen täglich daran vorbei. Wahrnehmen werden ihn wohl die Wenigsten.

Dabei erinnert er an eine schreckliche Tat, die sich in der Nacht zum Sonntag vor genau 100 Jahren in Gerolzhofen ereignet hat und die Stadtgesellschaft schockierte. Es geschah unweit des Ortes, wo der Gedenkstein platziert ist: ein Mord an einer jungen Frau aus Bischwind.

Tatort nahe dem Bahnhof in Gerolzhofen

Nahe dem Bahnhof, wo einst ein Schleifsteinwerk war, tötete der 20 Jahre alte Karl Schwarz in der Nacht vom 22. auf 23. Februar 1925 die ein Jahr ältere Wilhelmina Schleiss. Sie arbeitete bis wenige Tage vorher als Dienstmädchen im Elternhaus von Schwarz – und erwartete ein Kind von ihm.

Wie aus der damaligen Gerichtsberichterstattung des Steigerwald-Boten hervorgeht, sei der Entschluss zu der grausigen Tat aus Furcht vor seinem Vater gereift. Bereits zweieinhalb Monate später verhandelte das Schwurgericht Schweinfurt diesen Fall. Dort gestand der Angeklagte das Verbrechen, widersprach aber der Anklage, dass es vorsätzlich geschehen sei. Dabei zeigte er jedoch "keine Spur von Reue".

Die Zeitung zitierte aus der Anklage, die Frau – die in Artikeln Wilhelmine Schleis genannt wurde – habe ihn zum Gespräch gebeten und gedroht: "Wenn du nicht kommst, dann sage ich es allen Deinen Leuten", schrieb Herausgeber Franz Teutsch. Das Treffen fand in eben jener Nacht, es war der Faschingssonntag, an jener Örtlichkeit statt, die zum Tatort werden sollte.

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Dort schoss Karl Schwarz mit einem Revolver der ahnungslosen Frau aus kurzer Entfernung in den Kopf. Schwer verletzt, versuchte sie noch zu fliehen. Nach dem Befund der Waffe wollte er daraufhin einen zweiten Schuss abgeben, allerdings misslang dies aufgrund einer Ladehemmung. Der Täter ergriff deshalb einen naheliegenden 25 Pfund-Schleifstein und zertrümmerte damit ihren Schädel. Wilhelmina Schleiss starb an schwersten Verletzungen.

Große Menschenmenge vor dem Justizgebäude

Im Prozess wurde bekannt, dass der Mörder nach der Tat wieder nach Hause ging und sich zunächst schlafen legte. Als am nächsten Morgen die Leiche von einem Arbeiter entdeckt wurde und in der Stadt die Nachricht von dem Verbrechen sich rasch ausbreitete, floh er bis nach Selb in Oberfranken.

Aus diesem Grund geriet er schnell in Verdacht. Die Gendarmerie hatte seine Familie als ehemaligen Arbeitgeber befragt und nach dem Verschwinden von Karl Schwarz eine Hausdurchsuchung angeordnet. Dabei fanden die Ermittler einen blutigen Mantel und die Tatwaffe. Zwei Wochen später, am 5. März, wurde der Flüchtende nahe der tschechischen Grenze erkannt und verhaftet.

Das grausame Verbrechen schockierte die Menschen in Gerolzhofen und Schweinfurt. Als am Ende des zweiten Prozesstages bereits das Urteil verkündet wurde, hatte sich laut dem Gerichtsreporter eine "unübersehbare Menschenmenge" am Justizgebäude und in den Straßen zum Gefängnis befunden.

Das Schwurgericht sprach den 20-jährigen Karl Schwarz am 8. Mai 1925 schuldig des vorsätzlichen und überlegten Mordes und verurteilte ihn zur Todesstrafe. Zugleich wurden ihm seine bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt. Der Mörder habe das Urteil, so die Beobachtung des Journalisten, "mit Ruhe" entgegengenommen. 

Todesurteil mit dem Fallbeil vollstreckt

Das Todesurteil wurde vier Monate später, am 4. September 1925, in Schweinfurt vollstreckt. Eine Niederschrift über den Ablauf der Hinrichtung findet sich heute noch im Gerolzhöfer Stadtarchiv. Darin ist nahezu minutiös dargestellt, wie die Vollstreckung in einem abgesperrten Teil des Gefängnishofes ablief und daran 23 Personen teilnahmen, die namentlich aufgeführt sind, darunter mehrere lokale Stadträte und vier Pressevertreter.

Die Sicherheitsvorkehrungen waren enorm. Die beiden Straßen vor und hinter dem Gefängnis wurden durch ein Polizeiaufgebot abgesperrt, auch am Eingangstor und im Richthof waren Polizeikräfte im Einsatz. Dort war die "Fällschwertmaschine" zunächst mit einem Vorhang verhüllt.

Nachdem der Gerichtsschreiber das Urteil verlesen hatte, wurden Karl Schwarz die Augen verbunden. Um sechs Uhr wurde er auf das Schafott geführt. "Dort wurde die Enthauptung durch den Nachrichter und seine Gehilfen ohne Aufenthalt sofort vollzogen", heißt es in dem Dokument nüchtern.

Die Hinrichtung sei der Bevölkerung durch das Läuten einer Glocke angekündigt worden und ohne Zwischenfall verlaufen. Der Verurteilte habe sich gefasst und ruhig benommen. 

Ebenfalls unvorstellbar für unsere Zeit wirkt eine Postkarte zu dem Mord, die danach herausgebracht wurde. Darauf zu sehen: ein Bild mit dem Tatort und der abgedeckten Leiche. Außerdem war die Karte mit Porträtfotos von Wilhelmina Schleiss und ihres Mörders versehen.

Bis heute erinnert der kleine Gedenkstein an die Gräueltat vor 100 Jahren. Bürgerinnen und Bürger hatten ihn vor 21 Jahren auf eigene Initiative hin renoviert und somit vor dem Verfall gerettet.

Der einzige Mord in der Nachkriegszeit in Gerolzhofen geschah am 12. Dezember 1983 in der rechten Dachwohnung im Haus Weiße-Turm-Straße 7. Ein 22-Jähriger erstach dort den Rentner Anton Tippelt.
Foto: Norbert Vollmann (Archivfoto) | Der einzige Mord in der Nachkriegszeit in Gerolzhofen geschah am 12. Dezember 1983 in der rechten Dachwohnung im Haus Weiße-Turm-Straße 7. Ein 22-Jähriger erstach dort den Rentner Anton Tippelt.

Mord an einem Rentner am 12. Dezember 1983

In der Nachkriegsgeschichte erschütterte übrigens ein weiterer Mord das Leben in der Kleinstadt. Am 12. Dezember 1983 wurde der Rentner Anton Tippelt in seiner Dachwohnung in der Weiße-Turm-Straße 7 erstochen – wegen eines geringfügigen Geldbetrags.

Täter war ein 22-Jähriger, der im Juli 1984 von der Jugendkammer des Landgerichts Schweinfurt wegen Mordes in Tateinheit mit einem Verbrechen des Raubes zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Ein mitangeklagter 19-Jähriger erhielt acht Jahre Jugendstrafe.

Das Gericht sah es damals als erwiesen an, dass die Männer den 83 Jahre alten, aber noch rüstigen Rentner in seiner Wohnung mit Fußtritten und Faustschlägen traktiert hatten und danach mit vier Messerstichen töteten. Damit wollten sie den Raub von gerade einmal 30 Mark verdecken und den einzigen Zeugen beseitigen.

Es blieb bis zum heutigen Tag der letzte Mord in der Stadt Gerolzhofen.

 
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Kommentare
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  • E. Böhrer
    Die Zeitungsartikel damals haben nicht ganz der Wahrheit entsprochen. Die Prozeßakten sind heute noch für jedermann einsehbar. Für mich fehlt etwas wesentlichen: Wie seine Familie ab 1933 von der Gerolzhöfer Bevölkerung behandelt wurde.
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