
Wenn man Naiem Jafari fragt, was er und seine Kollegen in ihrem Laden in der Oberen Straße denn so alles können, ist seine Antwort kurz und einfach: „Alles.“
Egal, ob Stoff, Leder oder Pelz. Egal, ob Änderung oder Maßanfertigung. Egal, ob klassisch, modisch, Tracht oder total abgefahren: Im Laden in der Oberen Straße mit dem etwas sperrigen Namen „Interkulturelle Maß- und Änderungsschneiderei – Made in SW“ ist alles möglich.
Der behagliche Laden ist ein langer schmaler Schlauch mit einem Nebenraum. Hinter dem Empfangstisch reihen sich links an der Wand die Nähmaschinen auf – vier Industrienähmaschinen, eine Ledernähmaschine und drei Maschinen, die besondere Nähte können. Ketteln und Overlock. Jafari, der seit dreieinhalb Jahren in Deutschland lebt und ausgezeichnet Deutsch spricht, kann dem Laien auch das erklären.
Im Schaufenster hängen Taschen, die aus Verpackungen genäht sind – ein Verkaufsrenner von „Made in SW“. An der rechten Wand liegen auf gläsernen Ablagen bunte Stoffe buchstäblich aus aller Herren Länder – Roh-Stoff für Oberteile, Blusen, Jacken, Röcke, Hosen und vieles mehr. Die Stoffe kommen aus Afghanistan, Indien, Bangladesh, Thailand oder Pakistan, meist aus Projekten, die den Menschen dort ein besseres Leben ermöglichen sollen.
Sorya Lippert, vielfach engagiert in Sachen Integration, Stadträtin, Bürgermeisterin, Deutschlehrerin, ist Initiatorin und Inhaberin des Ladens. Sie zieht einen kunstvoll bestickten roten Stoff aus dem Regal: Er kommt über eine Krankenschwester aus Südindien, die in Frankfurt arbeitet, aus Bangladesh nach Schweinfurt. Mit der Stickerei verdienen die Frauen dort das Schulgeld für ihre Kinder.
Mit der Schneiderei verbindet Sorya Lippert viele Ziele. Nachhaltigkeit und Fairness zum Beispiel: „Das gibt es nicht nur bei Lebensmitteln.“ Es geht darum, den Menschen, die hier arbeiten, eine Perspektive zu geben. Und es geht darum, echte Handwerkskunst am Leben zu erhalten. Dabei soll der vor kurzem gegründete Verein Interkult helfen. Noch ist der im Mai vergangenen Jahres eröffnete Laden auf Unterstützung und Spenden angewiesen, umso wichtiger wäre es, wenn möglichst viele Kunden seine Dienste in Anspruch nähmen.
So wie der Kürschner, der an diesem Nachmittag hereinschneit und gemeinsam mit „Made in SW“ pelzgefütterte Parkas herstellen möchte. Oder der Friseur, der sich für einen Wettbewerb in Monaco ein effektvoll-exzentrisches Outfit hat machen lassen. Oder wie die Stadtwerke, die 80 handgenähte Krawatten aus thailändischer Seide für ihre Busfahrer bestellt haben.
Gerade arbeiten sie auf ihre fünfte interkulturelle Modenschau hin: Am 25. März stellen sie auf einer Bootsfahrt ihre neue Kollektion vor. Sie, das sind Naiem Jafari, Hossein Hosseini und Basir Stari – zwei Schneider und ein Näher, die mit ihren Familien jeweils ihre Heimat verlassen mussten und auf vielen Umwegen in Schweinfurt gelandet sind – drei unterschiedliche Schicksale, und doch ähneln sich die Geschichten. Immer geht es um Krieg, um Flucht und um eine bessere Zukunft für die Kinder. Naiem Jafari ist als junger Mann 1994 vor den Taliban aus Afghanistan in den Iran geflohen, hat dort 15 Jahre eine eigene Firma betrieben, zuletzt mit 60 Angestellten, obwohl sein Status höchst inoffiziell war. „Du bekommst keinerlei Unterstützung, aber du kannst einfach machen. Und wenn Kontrollen kommen, dann musst du halt jemand bestechen“, sagt Jafari.
Es war ein gutes Leben mit gutem Einkommen. Das einen entscheidenden Nachteil hatte: Die Kinder durften nicht zur Schule gehen. „Das Leben besteht nicht nur aus Auto, Wohnung und Komfort“, sagt Jafari, „die Kinder müssen eine helle Zukunft haben.“ Alle drei haben Asyl beantragt, Stari ist anerkannt, Jafari hat Duldung, Hosseinis Verfahren läuft.
Die Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 10.30 bis 18 Uhr, Samstag, 10.30 bis 14 Uhr. Die Männer sind Montag bis Mittwoch, Freitag und Samstag im Laden, am Donnerstag arbeiten hier Frauen ehrenamtlich. Aufträge werden an jedem dieser Tage angenommen.
Die nächste Modenschau findet am Mittwoch, 25. März, 18 Uhr, bei einer Bootsfahrt ab Gutermann-Promenade im Rahmen der Frauenwochen statt.