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Schweinfurt/Giebelstadt
Islamunterricht und Ethik statt katholische Religion: Was sich an Unterfrankens Schulen verändert
Immer mehr ungetaufte oder muslimische Kinder, das beeinflusst den Schulalltag: Wie Schulen in Unterfranken Ethik, Islamunterricht und multireligiöse Feiern anbieten.
Eine Mädchen liest während des islamischen Religionsunterrichts in einem Schulbuch (Symbolbild). Islamunterricht kann aktuell in Unterfranken in 55 Schulen als Alternative zum konfessionellen Religionsunterricht und zu Ethik gewählt werden.
Foto: Oliver Berg, dpa | Eine Mädchen liest während des islamischen Religionsunterrichts in einem Schulbuch (Symbolbild). Islamunterricht kann aktuell in Unterfranken in 55 Schulen als Alternative zum konfessionellen Religionsunterricht und ...
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 15.07.2024 15:18 Uhr

Immer weniger Schulkinder in Unterfranken nehmen am katholischen oder evangelischen Religionsunterricht teil. Dafür gehen immer mehr Kinder in den Ethikunterricht oder besuchen den Islamunterricht. Denn an einzelnen Schulen bilden muslimische Kinder inzwischen die Mehrheit. 

Wie etwa an der Friedrich-Rückert-Grundschule in Schweinfurt: "Mehr als die Hälfte unserer Schülerinnen und Schuler besucht den Islamunterricht, sie bilden die stärkste Gruppe", bestätigt Schulleiterin Sabrina Neckov. Von den 234 Kindern der Schweinfurter Grundschule sind 102 Kinder im Islamunterricht, 65 Kinder in Ethik, 34 Kinder im evangelischen und nur 33 Kinder im katholischen Religionsunterricht.

Trend weg vom christlichen Religionsunterricht hin zu Islamunterricht und Ethik

Die Friedrich-Rückert-Schule hat im unterfränkischen Vergleich einen extrem hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund und ist insofern nicht ganz typisch fürs unterfränkische Schulleben.

Doch der Trend weg vom christlichen Religionsunterricht hin zu Ethik und zum Islamunterricht ist grundsätzlich deutlich – in Unterfranken sogar noch stärker als im übrigen Bayern:

Doch seit dem Schuljahr 2018/19 hat die Anzahl der Kinder in Unterfranken insgesamt, die Islamunterricht als Religionsfach wählen, um 35 Prozent zugenommen. Bayernweit lag der Anstieg bei 19 Prozent. Dem Islamunterricht, der an bayerischen Schulen mittlerweile als Wahlpflichtfach gegeben und vom Staat verantwortet wird, liegt laut Kultusministerium ein "entkonfessionalisiertes Konzept zugrunde, das islamkundliche Inhalte mit Wertebildung verbindet".

Muslimische Mutter hält es für wichtig, dass Kinder ihre religiösen Wurzeln kennen

Jasmin Khalifa, die in Schweinfurt als Projektkoordinatorin im interkulturellen Begegnungszentrum arbeitet, findet das bayerische Konzept gelungen. Sie selbst verstehe sich als "säkulare und liberale Person", gleichzeitig auch als Muslimin und Ägypterin. "Aus meiner Sicht ist es wichtig, seinen Hintergrund zu verstehen und seine Wurzeln zu kennen, auch seine religiösen Wurzeln", sagt Khalifa. Deshalb freut sie sich, dass ihre Tochter den Islamunterricht besuchen kann. An der Schule ihres Sohnes sei er nicht zustande gekommen.

Die Friedrich-Rückert-Grundschule in Schweinfurt hat bayernweit den höchsten Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund. Deshalb gehen hier viele Schülerinnen und Schüler in den Islamunterricht. 
Foto: Daniel Peter | Die Friedrich-Rückert-Grundschule in Schweinfurt hat bayernweit den höchsten Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund. Deshalb gehen hier viele Schülerinnen und Schüler in den Islamunterricht. 

"Ich will meine Kinder nicht in eine Religion drängen, aber um selbst entscheiden zu können, müssen sie religiöses Wissen haben", sagt die Projektkoordinatorin. Am Islamunterricht in der Schule gefällt ihr, dass "die Lehrkräfte vom bayerischen Schulsystem anerkannt sind und ein einsehbarer Lehrplan vorliegt". Beim Koranunterricht in den Moscheen sei dies nicht gegeben.

"Multireligiöse Feiern" halten im Schulalltag Einzug

Dass immer mehr Kinder mit anderer Religionszugehörigkeit als der christlichen im Klassenzimmer sitzen, wirkt sich auch auf den Schulalltag aus. "Wir haben zu Schuljahresbeginn keine Gottesdienste mehr, sondern multireligiöse Feiern", berichtet etwa Katharina Kitz, die Leiterin der Albert-Schweitzer-Grundschule in Schweinfurt. Auch an Weihnachten fänden keine Gottesdienste mehr statt, sondern Weihnachtsfeiern, bei denen "jedes Kind nach seiner Konfession beten" könne.

Die Schweinfurter Gartenstadt-Grundschule geht einen anderen Weg: Dort gibt es Gottesdienste, allerdings werden die Eltern zuvor gefragt, ob ihre Kinder zum Schulgottesdienst kommen oder während dieser Zeit anderweitig betreut werden sollen: "Rund zehn Prozent kommen nicht", sagt Schulleiterin Ulrike Hieronymus.

Gottesdienst für alle: "Kein Mensch erwartet, dass du betest"

An der Grundschule Giebelstadt im Landkreis Würzburg indes gibt es zum Start und Endes des Schuljahres weiterhin ökumenische Gottesdienste, an denen alle Kinder teilnehmen – auch wenn hier rund 30 Prozent einen Migrationshintergrund haben. "Wir sagen den Kindern: Kein Mensch erwartet, dass du betest, aber es ist schön, dass du da bist", erläutert Schulleiterin Barbara Bartsch ihr Konzept. Die Eltern andersgläubiger Kinder akzeptierten dies normalerweise: "Nur einmal in 15 Jahren haben Eltern entschieden, dass ihr Kind nicht am Gottesdienst teilnimmt."

Andersgläubige Kinder haben Anspruch darauf, an hohen Feiertagen ihrer Religion frei zu nehmen

Im Alltag nehme die Giebelstadter Ganztagsschule selbstverständlich Rücksicht auf andersgläubige Kinder, sagt Batsch. So seien etwa beim Schulessen Mahlzeiten, die nach islamischen Speisevorschriften zubereitet sind, wählbar. Und während des Ramadan "achten wir darauf, dass die muslimischen Kinder nicht fastend daneben sitzen, während andere Kinder essen".  Sie würden dann in einem anderen Raum betreut. Zwar müssten laut Koran Kinder bis zum Pubertätsalter während des Fastenmonats nicht aufs Essen verzichten. Aber, sagt die Schulleiterin, "manche tun es trotzdem".

Auch in Unterfranken wählen inzwischen viele Schülerinnen und Schüler das Fach 'Islamischer Unterricht'. 
Foto: Frank Rumpenhorst, dpa | Auch in Unterfranken wählen inzwischen viele Schülerinnen und Schüler das Fach "Islamischer Unterricht". 

Und wie überall im Freistaat haben auch an der Giebelstädter Grundschule andersgläubige Kinder Anspruch darauf, an hohen Feiertagen ihrer Religion frei zu bekommen. Es gibt dazu eine entsprechende Weisung des Kultusministeriums. "Bei den muslimischen Kindern betrifft dies normalerweise zwei Tage, meist das Zuckerfest und das Opferfest", sagt Bartsch.

Anders als im Religionsunterricht wird in Ethik nicht bewertet und nicht gebetet

Islamischen Religionsunterricht jedoch gibt es in Giebelstadt wie an vielen kleineren Landkreisschulen nicht - weil die Zahl der muslimischen Kinder pro Klasse nicht ausreicht für das  Wahlpflichtfach. "Deshalb gehen die Kinder in Ethik, bei uns hat dieses Fach stark zugelegt", sagt die Grundschulleiterin. 

Aber nicht nur muslimische Kinder und Jugendliche, an deren Schule kein Islamunterricht zustande kommt, tragen ihren Teil dazu bei, dass Ethik in Unterfranken boomt: Schulleiterinnen und Schulleitern zufolge gibt es auch immer mehr einheimische Kinder, die nicht oder noch nicht getauft seien und deren Eltern den Nachwuchs lieber in Ethik als in den konfessionellen Unterricht schicken.

Religionshefte auf einem Schulschrank unterm Kreuz: Wie im gesamten Bayern wählen auch in Unterfranken  weniger Kinder als früher den konfessionellen Religionsunterricht. 
Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa | Religionshefte auf einem Schulschrank unterm Kreuz: Wie im gesamten Bayern wählen auch in Unterfranken  weniger Kinder als früher den konfessionellen Religionsunterricht. 

Manchen Eltern bevorzugten grundsätzlich eine wertneutrale religiöse Erziehung, erläutert die Schweinfurter Schulleiterin Ulrike Hieronymus, selbst studierte Theologin. "Beim Religionsunterricht wird alles gedeutet aus dem Licht des Evangeliums, das Gelernte wird emotional vertieft und es wird gebetet. Bei Ethik geht es um Verhaltensweisen des Menschen. Es wird nicht gedeutet, nicht bewertet, nicht gebetet.“

 
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Kommentare
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  • Barbara Fersch
    Warum lässt man den Unterricht nicht komplett wegfallen, ob Ethik oder Religion......Weihnachten bleibt Weihnachten !!
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  • Jürgen Dolling
    Menschen sind immer religiös. Das, woran Du Dein Herz hängst, das ist Dein Gott ! (Martin Luther).
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  • Manfred Englert
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