Immer weniger Schulkinder in Unterfranken nehmen am katholischen oder evangelischen Religionsunterricht teil. Dafür gehen immer mehr Kinder in den Ethikunterricht oder besuchen den Islamunterricht. Denn an einzelnen Schulen bilden muslimische Kinder inzwischen die Mehrheit.
Wie etwa an der Friedrich-Rückert-Grundschule in Schweinfurt: "Mehr als die Hälfte unserer Schülerinnen und Schuler besucht den Islamunterricht, sie bilden die stärkste Gruppe", bestätigt Schulleiterin Sabrina Neckov. Von den 234 Kindern der Schweinfurter Grundschule sind 102 Kinder im Islamunterricht, 65 Kinder in Ethik, 34 Kinder im evangelischen und nur 33 Kinder im katholischen Religionsunterricht.
Trend weg vom christlichen Religionsunterricht hin zu Islamunterricht und Ethik
Die Friedrich-Rückert-Schule hat im unterfränkischen Vergleich einen extrem hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund und ist insofern nicht ganz typisch fürs unterfränkische Schulleben.
Doch seit dem Schuljahr 2018/19 hat die Anzahl der Kinder in Unterfranken insgesamt, die Islamunterricht als Religionsfach wählen, um 35 Prozent zugenommen. Bayernweit lag der Anstieg bei 19 Prozent. Dem Islamunterricht, der an bayerischen Schulen mittlerweile als Wahlpflichtfach gegeben und vom Staat verantwortet wird, liegt laut Kultusministerium ein "entkonfessionalisiertes Konzept zugrunde, das islamkundliche Inhalte mit Wertebildung verbindet".
Muslimische Mutter hält es für wichtig, dass Kinder ihre religiösen Wurzeln kennen
Jasmin Khalifa, die in Schweinfurt als Projektkoordinatorin im interkulturellen Begegnungszentrum arbeitet, findet das bayerische Konzept gelungen. Sie selbst verstehe sich als "säkulare und liberale Person", gleichzeitig auch als Muslimin und Ägypterin. "Aus meiner Sicht ist es wichtig, seinen Hintergrund zu verstehen und seine Wurzeln zu kennen, auch seine religiösen Wurzeln", sagt Khalifa. Deshalb freut sie sich, dass ihre Tochter den Islamunterricht besuchen kann. An der Schule ihres Sohnes sei er nicht zustande gekommen.
"Ich will meine Kinder nicht in eine Religion drängen, aber um selbst entscheiden zu können, müssen sie religiöses Wissen haben", sagt die Projektkoordinatorin. Am Islamunterricht in der Schule gefällt ihr, dass "die Lehrkräfte vom bayerischen Schulsystem anerkannt sind und ein einsehbarer Lehrplan vorliegt". Beim Koranunterricht in den Moscheen sei dies nicht gegeben.
"Multireligiöse Feiern" halten im Schulalltag Einzug
Dass immer mehr Kinder mit anderer Religionszugehörigkeit als der christlichen im Klassenzimmer sitzen, wirkt sich auch auf den Schulalltag aus. "Wir haben zu Schuljahresbeginn keine Gottesdienste mehr, sondern multireligiöse Feiern", berichtet etwa Katharina Kitz, die Leiterin der Albert-Schweitzer-Grundschule in Schweinfurt. Auch an Weihnachten fänden keine Gottesdienste mehr statt, sondern Weihnachtsfeiern, bei denen "jedes Kind nach seiner Konfession beten" könne.
Die Schweinfurter Gartenstadt-Grundschule geht einen anderen Weg: Dort gibt es Gottesdienste, allerdings werden die Eltern zuvor gefragt, ob ihre Kinder zum Schulgottesdienst kommen oder während dieser Zeit anderweitig betreut werden sollen: "Rund zehn Prozent kommen nicht", sagt Schulleiterin Ulrike Hieronymus.
Gottesdienst für alle: "Kein Mensch erwartet, dass du betest"
An der Grundschule Giebelstadt im Landkreis Würzburg indes gibt es zum Start und Endes des Schuljahres weiterhin ökumenische Gottesdienste, an denen alle Kinder teilnehmen – auch wenn hier rund 30 Prozent einen Migrationshintergrund haben. "Wir sagen den Kindern: Kein Mensch erwartet, dass du betest, aber es ist schön, dass du da bist", erläutert Schulleiterin Barbara Bartsch ihr Konzept. Die Eltern andersgläubiger Kinder akzeptierten dies normalerweise: "Nur einmal in 15 Jahren haben Eltern entschieden, dass ihr Kind nicht am Gottesdienst teilnimmt."
Andersgläubige Kinder haben Anspruch darauf, an hohen Feiertagen ihrer Religion frei zu nehmen
Im Alltag nehme die Giebelstadter Ganztagsschule selbstverständlich Rücksicht auf andersgläubige Kinder, sagt Batsch. So seien etwa beim Schulessen Mahlzeiten, die nach islamischen Speisevorschriften zubereitet sind, wählbar. Und während des Ramadan "achten wir darauf, dass die muslimischen Kinder nicht fastend daneben sitzen, während andere Kinder essen". Sie würden dann in einem anderen Raum betreut. Zwar müssten laut Koran Kinder bis zum Pubertätsalter während des Fastenmonats nicht aufs Essen verzichten. Aber, sagt die Schulleiterin, "manche tun es trotzdem".
Und wie überall im Freistaat haben auch an der Giebelstädter Grundschule andersgläubige Kinder Anspruch darauf, an hohen Feiertagen ihrer Religion frei zu bekommen. Es gibt dazu eine entsprechende Weisung des Kultusministeriums. "Bei den muslimischen Kindern betrifft dies normalerweise zwei Tage, meist das Zuckerfest und das Opferfest", sagt Bartsch.
Anders als im Religionsunterricht wird in Ethik nicht bewertet und nicht gebetet
Islamischen Religionsunterricht jedoch gibt es in Giebelstadt wie an vielen kleineren Landkreisschulen nicht - weil die Zahl der muslimischen Kinder pro Klasse nicht ausreicht für das Wahlpflichtfach. "Deshalb gehen die Kinder in Ethik, bei uns hat dieses Fach stark zugelegt", sagt die Grundschulleiterin.
Aber nicht nur muslimische Kinder und Jugendliche, an deren Schule kein Islamunterricht zustande kommt, tragen ihren Teil dazu bei, dass Ethik in Unterfranken boomt: Schulleiterinnen und Schulleitern zufolge gibt es auch immer mehr einheimische Kinder, die nicht oder noch nicht getauft seien und deren Eltern den Nachwuchs lieber in Ethik als in den konfessionellen Unterricht schicken.
Manchen Eltern bevorzugten grundsätzlich eine wertneutrale religiöse Erziehung, erläutert die Schweinfurter Schulleiterin Ulrike Hieronymus, selbst studierte Theologin. "Beim Religionsunterricht wird alles gedeutet aus dem Licht des Evangeliums, das Gelernte wird emotional vertieft und es wird gebetet. Bei Ethik geht es um Verhaltensweisen des Menschen. Es wird nicht gedeutet, nicht bewertet, nicht gebetet.“