Krishna Yadav hat es geschafft. Er hat einen Studienplatz am i-Campus in Schweinfurt. Und er hat rechtzeitig zum Start des Wintersemesters sein Visum bekommen. Was er nicht hat: eine Wohnung. Vorerst ist er bei einem Freund untergekommen. Da hat er noch Glück gehabt. Andere Studierende stehen auf der Straße.
Es ist jedes Jahr zu Beginn des Wintersemesters die gleiche Situation: Die Erstsemester an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) suchen verzweifelt nach einer Unterkunft. Die Wohnhäuser sind voll, beim Studentenwerk gibt es Wartelisten von eineinhalb Jahren. Und die Suche auf dem privaten Wohnungsmarkt beschreiben alle als zäh. Wer nicht europäisch aussieht, hat es besonders schwer.
Dabei buhlt die THWS gerade um Studierende aus der ganzen Welt. Und sie kommen. Weil die Hochschule weltweit einen sehr guten Ruf hat. Von den 3041 bis Ende September zum Wintersemester in Schweinfurt eingeschriebenen Studierenden sind 1733 Internationale, die in deutsch- und englischsprachigen Studiengängen eingeschrieben sind. Das ist mehr als die Hälfte. 560 davon sind neue internationale Studierende. Sie kommen hauptsächlich aus Indien, der Türkei, Syrien und der Ukraine.
Doch während die Technische Hochschule Zug um Zug wächst und der neue i-Campus immer mehr junge Leute aus aller Welt anzieht, bleibt eins auf der Strecke: die Schaffung von Wohnraum für die Studierenden. Die Folgen sind fatal: Die jungen Menschen stehen sprichwörtlich auf der Straße. Unter der Hand werden Zimmer doppelt oder gar dreifach belegt. Hauptsache, man kommt irgendwo und irgendwie unter.
Die Not der Studierenden nutzen auch Betrüger aus. Sie bieten im Internet Wohnungen per Vorkasse an, die es gar nicht gibt. Drei solcher Betrugsfälle sind der Hochschule bekannt geworden. Es sollen Summen bis zu 1700 Euro geflossen sein.
Große Not vor allem bei ausländischen Studierenden
Der 22-jährige Krishna Yadav besichtigt gerade mit einem weiterem Neuankömmling ein WG-Zimmer in der Innenstadt. Drei junge Männer aus Indien leben schon hier. Die Vermieterin (sie will namentlich nicht genannt werden) hat sie vor einem Jahr aufgenommen, obwohl sie nicht an Studierende vermieten wollte.
Dritte Bürgermeisterin Sorya Lippert und ihr Ehemann Georg, die sich jedes Jahr um wohnungslose Studierende kümmern, hatten die Schweinfurterin schließlich überzeugen können. Heute sagt sie: "Die Buben sind ein Traum." Hilfsbereit, nett, freundlich. Sie wolle gar nicht mehr an Menschen anderer Nationalität vermieten, "nur noch an Inder".
Weil die Seniorin die große Not der ausländischen Studierenden sieht, hat sie sich sogar entschlossen, noch weitere WG-Zimmer in ihrem Haus herzurichten. Die Handwerker sind bereits zugange, bis Mitte Oktober können drei weitere Inder einziehen.
Allen Prasal freut sich auf die neuen Mitbewohner aus seiner Heimat. Der 20-Jährige, der im dritten Semester Mechatronik studiert, ist dankbar und froh, dass er vor einem Jahr hier untergekommen ist. Er wollte unbedingt nach Deutschland und unbedingt nach Schweinfurt: "Weil die Hochschule sehr gut ist."
Bürgermeisterin Lippert würde sich wünschen, dass auch andere Schweinfurterinnen und Schweinfurter ihre Türen öffnen. Sie selbst quartiert seit Jahren immer wieder junge Studierende vorübergehend ein, bis sie eine dauerhafte Bleibe gefunden haben und rührt im Bekanntenkreis fleißig die Werbetrommel. Inzwischen habe sich schon ein kleines Netzwerk entwickelt. "Das Bewusstsein wächst", sagt Lippert, "ich hoffe, dass sich etwas bewegt."
Keine Rückantwort auf Wohnungsanfragen
Baran Kayas ist Türke. Er kam 2020 mit 17 Jahren aus Izmir nach Schweinfurt. Es war das Corona-Semester mit ausschließlich Online-Vorlesungen. Er hätte auch an einer Hochschule in der Türkei studieren können, aber er wollte unbedingt nach Deutschland. "Das stand für mich schon im Gymnasium fest." An fünf Hochschulen in Deutschland hat er sich für ein Elektrotechnikstudium beworben. Seine Wahl fiel auf Schweinfurt, "weil die Hochschule gut ist".
Nicht gut aber sei die Wohnungssituation. Er hat mal einen Test gemacht und gemeinsam mit einer deutschen Freundin Wohnungsbewerbungen geschrieben. "Ich habe keine einzige Rückantwort bekommen", sagt der 20-Jährige, die Kommilitonin mit deutschem Namen dagegen schon.
Diese Erfahrung kann auch Türkü Ada Çiftçi bestätigen. Die 21-Jährige aus Izmir hatte im vergangenen Jahr noch vor Beginn ihres Robotik-Studiums an der THWS in Schweinfurt von zuhause aus rund 200 Wohnungsbewerbungen abgeschickt und nur eine einzige Rückmeldung bekommen. Sie lebt jetzt in einem sieben Quadratmeter großen WG-Zimmer in Niederwerrn.
Kritik der Studierenden: In Schweinfurt gibt es kein Studentenleben
"Die Wohnungssituation ist echt schlimm in Schweinfurt", weiß Ada, die sich als studentische Hilfskraft zu Beginn des Wintersemesters vor allem um die Neuankömmlinge kümmert. Für die Zahl der Studierenden an der THWS gebe es einfach nicht die ausreichende Menge an Unterkünften. Ihrer Meinung nach bräuchte es sowohl mehr Wohnheimplätze als auch private Vermietungen.
Sie rät Studierenden, sich auch in den Randgemeinden umzusehen. Dort werde man mitunter eher fündig als in der Stadt. Und mit dem Bus erreiche man die Hochschule in 30 Minuten.
Zur Wohnungsnot kommt noch ein weiteres Problem hinzu: In Schweinfurt gibt es kein typisches Studentenleben. "Es fehlen Bars, Clubs, Kneipen und Parks, wo man picknicken kann", sagt Ada. Die Stadt sei einfach nicht studentisch geprägt. Die Lieblingsaktivität der hier Studierenden sei es deshalb, nach Würzburg zu gehen – in eine Studentenstadt.
Hinweis: Wer eine Wohnung oder ein Zimmer an Studierende vermieten möchte, kann sein Angebot an die E-Mail Adresse welcome@thws.de schicken. Auch Angebote für eine kurzfristige Unterbringen (z.B. für zwei Monate) sind schon sehr hilfreich. Die Hochschule leitet die Angebote direkt an Neuankömmlinge weiter.
Ein Studentenwohnheim ist oder war vmtl. auch kein schlechtes Geschäft für einen Investor. Inzwischen wurden Bauen und Kredite teuer. Die Stadt verschläft alle Chancen und versank nach OB Grieser in tiefste Lethargie. Das Stadtimage hat enorm gelitten. Die Stadt braucht nichts nötiger als studentisches Leben - aber sie vertrödelt alles.