Es gibt Studienstädte, die mit Kneipenvierteln, Campusleben und Vergünstigungen für Studenten locken. Der Hochschulstandort Schweinfurt bietet "bezahlbaren Wohnraum, kurze Wege und eine gute Anbindung", sagt die Stadt Schweinfurt. Durch internationale Unternehmen vor Ort hätten Absolventen "die Chance auf einen sehr guten Arbeitsplatz", teilt stellvertretende Pressesprecherin Kristina Dietz mit. Die Großindustrie sei "sicher für angehende Studenten ein Grund, Schweinfurt als Studienort zu wählen".
Zudem biete die Stadt in vielen Bereichen "eine Menge", schreibt Dietz und zählt auf: "Freizeitangebote, Sportmöglichkeiten, Kunst und Kultur, Kneipen und Bars, Einkaufsmöglichkeiten". Schweinfurt sei eine "attraktive Stadt". Wie sieht das die Studierendenvertretung und welche Meinung hat das Studentenwerk zum Thema Wohnraum? Und vor allem: Was sagen die Studenten dazu?
Chiara Ehmann studiert Wirtschaftsingenieurwesen im dritten Semester. Sie fährt rund 70 Kilometer von Neustadt an der Aisch bis zur Hochschule. "Das Pendeln ist anstrengend und Schweinfurt gefällt mir nicht besonders", sagt die 19-Jährige. Vor allem Freizeitangebote gebe es zu wenig. Auch an Bars und Diskos für junge Leute mangle es. "Von einer Studentenstadt kann man hier nicht sprechen", sagt Ehmann.
Mit dem Semesterticket kommen Studenten nicht bis nach Würzburg
Zürma Kücükkaya ist eine von rund 900 internationalen Studenten an der Fachhochschule. Sie kommt aus der Türkei, kam vor zwei Jahren nach Schweinfurt und studiert im dritten Semester Maschinenbau. "In der der Türkei habe ich in einer Stadt mit drei Millionen Einwohnern gelebt. Es ist hier sehr ruhig", sagt die 20-Jährige und sieht das als einen Vorteil der Stadt. Mehr Cafés und Restaurants in der Nähe der Hochschule würde sie sich trotzdem wünschen.
Nach Würzburg fährt Kücükkaya nur selten – auch weil das Semesterticket von Schweinfurt aus nicht bis dorthin reiche. Sie lebt im Wohnheim für internationale Studenten. "Wir leisten uns dort untereinander Gesellschaft", sagt Kücükkaya. Ob sie noch sich noch einmal für Schweinfurt entscheiden würde? "Nein", antwortet sie entschlossen. Nach dem Studium zieht es sie nach Manchester, weil dort Freunde von ihr wohnen.
Alex Friedl studiert im fünften Semester Wirtschaftsingenieurwesen. Ursprünglich kommt er aus dem Allgäu. "Meine Freundin studiert in Würzburg und ich wollte näher bei ihr wohnen", deshalb kam der 21-Jährige nach Schweinfurt. Er hat einen Platz im Wohnheim gefunden, mit der Hochschule und den Dozenten ist er zufrieden. "So schlimm, wie alle immer sagen, ist es in Schweinfurt nicht", sagt Friedl. Es gebe hier auch ein Studentenleben und ein paar Bars, in die man gehen könne. Mit Würzburg könne man die Stadt in der Hinsicht aber nicht vergleichen.
Studenten entscheiden sich wegen der regionalen Nähe für Schweinfurt
Marcel Englisch engagiert sich seit viereinhalb Jahren in der Studierendenvertretung der Hochschule. Der 27-Jährige kommt aus Niederwerrn und studiert Wirtschaftsingenieurwesen in Schweinfurt. Er hat die Erfahrung gemacht, dass viele in Schweinfurt studieren, weil sie aus der Region kommen. "Ich kenne welche, die in Würzburg wohnen und in Schweinfurt studieren. Die sagen, da ist man am schnellsten hingefahren", sagt Englisch. Nach Ilmenau oder Coburg komme man nicht so leicht.
Dass sich Studenten aufgrund der Großindustrie für Schweinfurt entscheiden, wie die Stadt Schweinfurt argumentiert, glaubt Englisch nicht. "Die Stadt kann natürlich nicht sagen: Wir sind eigentlich eine schlechte Studienstadt, aber kommt mal alle zu uns. Die müssen ja für sich werben." Einige Studenten würden hoffen, nach ihrem Abschluss einen Job in Schweinfurt zu finden. Das sei aber nicht die Mehrheit, sagt Englisch. "Ich denke, darüber machen sich weniger Leute im Vorhinein Gedanken, sondern die schauen, wo komme ich hin und wie komme ich dahin."
Auch die Begründung der Stadt, bezahlbare Wohnungen machten Schweinfurt attraktiv, teilt Englisch nicht. In Ilmenau beispielsweise sei es günstiger, die Wohnungssuche in Schweinfurt beschreibt der 27-Jährige als schwierig. "Bezahlbare Wohnungen zu finden ist so gut wie unmöglich. Wenn ich keine WG in Kauf nehme, brauche ich es gar nicht zu versuchen, weil es dann teuer wird." Das sei auch in Gesprächen mit dem Bürgermeister Thema. Die meisten Wohnungen seien Zwei- bis Drei-Zimmer-Wohnungen, die als WG geeignet sind. Darin koste ein Zimmer etwas mehr als im Studentenwohnheim. In den Wohnheimen einen Platz zu bekommen, sei laut Englisch Glückssache: "Wir haben einige Wohnheime, aber die sind natürlich voll."
Das typische Studentenleben fehlt in Schweinfurt
Englisch studiert gerne in Schweinfurt. Vieles sei gut, sagt er. Er kann es aber nachvollziehen, wenn Studenten nach dem Bachelor in eine andere Stadt ziehen. Es komme darauf an, was sie nach dem Abschluss machen wollen – arbeiten oder einen Master. Schweinfurt sei "kugellagergeprägt", der Industrie gehe es nach eigenen Angaben aktuell schlecht. "Wieso soll ich mich auf einen Job bewerben, wenn ich nicht weiß, ob ich übernommen werde? Oder suche ich mir eine Firma, die sagt: Uns geht es super, es boomt, ich suche Leute? Dann bewerbe ich mich lieber da."
Dazu komme das „typisch studentische Leben“, das in Schweinfurt fehle. „Wenn ich schon nur nach Würzburg gehe, sehe ich ja: Da ist jeden Tag was Anderes geboten, wohin ich als Student gehen kann, wo ich feiern kann“, sagt Englisch. "Das Schweinfurter Nachtleben ist zwar vorhanden, aber nicht so wie in einer Studentenstadt und auch nicht studentisch geprägt." Reine Studentenkneipen gebe es nicht. "Ich kann feiern gehen wie jeder andere, aber es bringt mir sozusagen nichts, dass ich Student bin."
Das Studentenwerk Würzburg, das auch die Wohnheime in Schweinfurt betreut, hat bisher zwei Unterkünfte in der Stadt gebaut. Die Wohnheime in der Florian-Geyer-Straße und der Niederwerrner Straße enthalten Einzimmerwohnungen und WG-Zimmer und bieten Platz für 514 Studenten. Auf der Warteliste stehen aktuell 64 Studenten, sagt Pressesprecherin Andrea Bala.
Die Stadt hilft bei der Wohnungssuche
Das Studentenwerk biete "öffentlich geförderten, günstigen Wohnraum für bedürftige Studierende". Um den bereitstellen zu können, wird am 13. Mai ein weiteres Wohnheim in der Niederwerrner Straße mit 108 Wohneinheiten eröffnet. Auf dem Gelände der ehemaligen Ledward-Kaserne entstehen unter anderem Wohnheime. "Darüber hinaus führen wir derzeit Verhandlungen mit der Stadt Schweinfurt über den Kauf eines Wohngebäudes für ein weiteres Studentenwohnheim", so Bala. Generell sei es aber schwer, dafür Grundstücke zu finden.
Auch die Stadt helfe bei der Wohnungssuche, sagt Kristina Dietz. Sie stehe "in engem Kontakt zur Hochschule, um die Wohnungssuche für Studenten zu erleichtern und ausreichend Wohnraum zur Verfügung stellen zu können".