Proppenvoll war es im DJK-Sportheim, die Diskussion emotionsgeladen. Es ging um die künftige Verkehrsführung in Hergolshausen. Mittendrin Andreas Kaiser und Manfred Stadler vom Amt für ländliche Entwicklung (ALE), die versuchten, in der ersten öffentlichen Versammlung zu diesem Thema die Wogen zu glätten. Ihre Botschaft: Alle sollen gehört werden, jeder und jede soll sich einbringen können, es ist noch nichts entschieden. Hier der Versuch, aus einer hitzigen Debatte die sachlichen Themen herauszudestillieren.
Darum geht es
Seit 2018 läuft die Dorferneuerung in Hergolshausen, in deren Rahmen Projekte wie der Umbau des Spielplatzes oder des Friedhofumfelds das Dorf attraktiver machen sollen. Die Aufsicht hat das Amt für ländliche Entwicklung (ALE). Federführend vor Ort ist die Teilnehmergemeinschaft (TG), der unter anderem Grundstücksbesitzerinnen und -besitzer sowie die politische Gemeinde angehören. Ein Projekt dabei ist die Steuerung der Verkehrsströme auf der Staatsstraße, die durch den Ort verläuft. Wie TG-Vorstandsvorsitzender Kaiser erläuterte, könne man die zwei Engstellen in der Schweinfurter Straße nicht beseitigen, indem man die dortigen Gebäude zum Teil einreißt. Aus Gründen des Denkmalschutzes. Weswegen nun drei Varianten auf dem Tisch liegen, wie Autos und Lkw künftig geleitet werden sollen.
Variante eins
Sie unterscheidet sich kaum zu den heutigen Verkehrsverhältnissen. Der Hauptverkehr zwischen Bergrheinfeld und Theilheim bleibt auf der Schweinfurter Straße, die nur technisch aufgerüstet wird. Als Option für die Absicherung der beiden Engstellen wäre eine Ampel möglich, "die aber keiner will" (Kaiser). Die Obere Straße wird nicht Teil der Dorferneuerung und bleibt, wie sie ist. Dies ist die günstigste Option mit 2,6 Millionen Euro, wovon Gemeinde und TG 630.000 Euro übernehmen müssen.
Variante zwei
Der Verkehr wird in einem "Einbahnring" organisiert: Die Fahrzeuge aus Richtung Theilheim bewegen sich über die Schweinfurter Straße mit Einbahnregelung in Richtung Bergrheinfeld. Der Gegenverkehr wird am nördlichen Ortsanfang, ebenfalls per Einbahnregelung, nach rechts über die Obere Straße in Richtung Theilheim geführt. Der "Charme" ist laut Kaiser, dass die Hauptverkehrsbelastung auf den gesamten Innenort verteilt wird. Dafür werden Obere und Schweinfurter Straße baulich neu gestaltet. In Letzterer könnten zusätzliche Geh- und Parkflächen entstehen. Kosten: 3,4 Millionen Euro, von denen 910.000 Euro der Gemeinde und der TG verbleiben.
Variante drei
Der Durchgangsverkehr wird komplett auf zwei Spuren über die Obere Straße geführt. Damit würde die komplette Belastung durch den Hauptverkehr in der Oberen Straße liegen. An den Einfahrten aus Richtung Bergrheinfeld und Waigolshausen wären Fahrbahnteiler und Verkehrstrichter denkbar, um die Geschwindigkeit zu reduzieren. Die Schweinfurter Straße wird verkehrsberuhigt ausgebaut. Dies ist die teuerste Variante mit 3,8 Millionen Euro. TG und die Gemeinde sind davon mit 1,7 Millionen Euro gefordert.
Das will die Bürgerinitiative
Im April hat sich eine Bürgerinitiative aus Anwohnerinnen und Anwohnern der Oberen Straße gebildet, der laut ihrem Sprecher Jürgen Hart auch Personen aus der Schweinfurter Straße angehören. Ihr Ziel: die Beibehaltung der Ortsdurchfahrt in ihrer jetzigen Form, sprich: keine Verkehrsverlagerung in die Obere Straße. Sie glaubt, die Mehrheit der Bevölkerung auf ihrer Seite zu haben.
Die Initiatoren fühlen sich übergangen und befürchten, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Die ersten Pläne seien auf August 2022 datiert gewesen, und erst im Jahr 2023 werde darüber informiert, so die Kritik. Die Bürgerbeteiligung komme zu spät. Zudem wirft die Bürgerinitiative der TG und dem Gemeinderat vor, vorgehabt zu haben, schon frühzeitig Beschlüsse zu fassen. TG-Vertreter und Bürgermeister Christian Zeißner wiesen das zurück. Wenngleich ein TG-Mitglied einräumte, dass die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern verbesserungswürdig sei.
In den Wortmeldungen der Bürgerinitiative klang immer wieder durch, dass ihre Vertreterinnen und Vertreter womöglich eine Art bevorzugtes Mitspracherecht für sich reklamieren.
Das sagen andere Bürgerinnen und Bürger
Es gab auch differenzierte Stimmen: Eine Rednerin wies darauf hin, dass bereits jetzt Durchgangsverkehr durch die Obere Straße führt, nämlich der von und nach Waigolshausen. Eine andere wandte sich gegen die Variante drei, weil sie "zu 100 Prozent nur Gewinner und Verlierer" bringe: "Das spaltet die Dorfgemeinschaft." Aufhorchen ließ eine Bemerkung einer Bürgerin, die den Zusammenhalt anmahnte: "Wir müssen uns einig werden im Dorf und nicht immer sagen: bei mir nicht! Seit Jahren ist die Dorferneuerung geplant und wir kriegen nichts auf die Reihe."
Das ist die Rolle der Gemeinde
Auch das machte Andreas Kaiser vom ALE klar: "Die kommunale Planungshoheit bleibt bei der Gemeinde." Bei allen Bemühungen über einen möglichst breiten Konsens in der Bevölkerung und die Beratungen mit und durch die TG und ALE trifft der Gemeinderat die Entscheidung. Bürgermeister Zeißner hat sich bereits inhaltlich positioniert und in der Versammlung wiederholt, dass er die Variante drei, also die komplette Verkehrsverlagerung in die Obere Straße, befürwortet: "Das ist die zukunftssichere Variante." Dies trug nicht zur Besänftigung der Kritikerinnen und Kritiker bei.
So geht es weiter
Die bedeutende Frage von Andreas Kaiser, wie sich die Versammlung vorstellt, den Entscheidungsprozess zu gestalten, um zu einem von möglichst großer Breite getragenem Resultat zu kommen, löste keine bis nur zaghafte Ideen im Auditorium aus. Daher schlug das ALE vor, ein so genanntes World-Café zu veranstalten, bei dem sich alle Interessierten erneut treffen, in rotierenden Gruppen das Für und Wider jeder einzelnen Variante diskutieren und bei dem auch diesmal das Planungsbüro vertreten sein soll, um technische Details erläutern zu können. Die Ergebnisse werden dann im Plenum vorgestellt. Dieses Format setzt allerdings die Bereitschaft aller zur Sachlichkeit voraus.
Ohne erkennbare Reaktion blieb bei der Bürgerinitiative das Angebot aus dem TG-Vorstand, zusammen mit der Anwohnerschaft vorab eine zusätzliche Gesprächsrunde zu führen.
Was ist für die Zukunft zu erwarten?
Manfred Stadler vom ALE hat zu Beginn der Versammlung intensiv für eine Zusammenarbeit der Dorfgemeinschaft geworben, um "ein Bewusstsein für dörfliche Lebenskultur und ein soziales Miteinander" zu gestalten. Er sagte über das Gesamtprojekt Dorferneuerung: "Im Idealfall rückt das Dorf näher zusammen." Davon scheint Hergolshausen derzeit meilenweit entfernt zu sein.