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Schweinfurt
"Wir müssen stark bleiben": Sechs Menschen aus der Ukraine erzählen von ihrer Flucht nach Schweinfurt
Tausende Menschen sind vor dem Krieg in der Ukraine geflohen – auch nach Schweinfurt. Hier wollen sie sich ein neues Leben aufbauen. Doch der Schmerz sitzt tief.
Auch in Stadt und Landkreis Schweinfurt haben viele Ukrainerinnen und Ukrainer Zuflucht vor dem Krieg gefunden. Beim ersten deutsch-ukrainischen Freundschaftsfest erzählen sechs von ihnen, wie sie sich in Schweinfurt eingelebt haben.
Foto: Anand Anders | Auch in Stadt und Landkreis Schweinfurt haben viele Ukrainerinnen und Ukrainer Zuflucht vor dem Krieg gefunden. Beim ersten deutsch-ukrainischen Freundschaftsfest erzählen sechs von ihnen, wie sie sich in Schweinfurt ...
Désirée Schneider
 |  aktualisiert: 15.07.2024 15:48 Uhr

Fast zweieinhalb Jahre ist es her, dass Russland den Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen hat. Viele Ukrainerinnen und Ukrainer mussten in dieser Zeit aus ihrem Heimatland fliehen, um in anderen europäischen Staaten vor dem Krieg Schutz zu suchen. Auch in Stadt und Landkreis Schweinfurt haben viele von ihnen Zuflucht und Unterstützung gefunden.

Nach Angaben des Bürgeramtes der Stadt Schweinfurt lebten Ende Dezember 2023 in Schweinfurt 1187 Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit. Besonders enge Verbindungen pflegt Schweinfurt dabei mit der ukrainischen Partnerstadt Luzk. Wie willkommen die neuen Bürgerinnen und Bürger sind, zeigte sich jüngst bei einem ersten deutsch-ukrainischen Freundschaftsfest.

Über Stunden feierten im Innenhof des Schweinfurter Rathauses Menschen aus Schweinfurt und der Ukraine gemeinsam – bunt, ausgelassen und freundschaftlich. Auch der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev war zu Gast, um sich in das Goldene Buch der Stadt einzutragen. Im Gespräch mit dieser Redaktion erzählen sechs Menschen aus der Ukraine, wie sie sich in Schweinfurt aufgenommen fühlen und wie es ihnen zweieinhalb Jahre nach Kriegsbeginn geht.

1. Olga Hudz (39): "Ich hatte nur einen kleinen Koffer – sonst nichts."

Eine Schweinfurter Gastfamilie hat Olga Hudz und ihre Kinder nach ihrer Flucht aus der Ukraine aufgenommen und unterstützt sie bis heute.
Foto: Anand Anders | Eine Schweinfurter Gastfamilie hat Olga Hudz und ihre Kinder nach ihrer Flucht aus der Ukraine aufgenommen und unterstützt sie bis heute.

"Als ich mit meinen Kindern aus Winnyzja nach Deutschland kam, hatte ich nur einen kleinen Koffer dabei – sonst nichts. Hier in Schweinfurt hat uns dann eine Gastfamilie bei sich aufgenommen. Dafür bin ich ihnen bis heute dankbar. Sie haben uns bei so vielem geholfen, vor allem mit den ganzen Dokumenten. Die Zeit war aber auch wichtig für uns, um die deutsche Sprache und Kultur besser kennenzulernen. Die Familie unterstützt uns auch heute noch, obwohl wir schon gar nicht mehr bei ihnen wohnen. Generell finde ich, dass Schweinfurt eine sehr freundliche Stadt ist. Wir sind einfach froh, hier zu sein. Mittlerweile habe ich auch meinen Sprachkurs bestanden und arbeite jetzt in einem Weinlokal."

2. Andriy Verenchuk (52): "Ich habe acht Monate in der ukrainischen Armee gekämpft."

Andriy Verenchuk hat vier Kinder. Sein ältester Sohn dient noch immer in der ukrainischen Armee. Bleibt der Kontakt einmal aus, macht er sich große Sorgen.
Foto: Anand Anders | Andriy Verenchuk hat vier Kinder. Sein ältester Sohn dient noch immer in der ukrainischen Armee. Bleibt der Kontakt einmal aus, macht er sich große Sorgen.

"Ich habe acht Monate in der ukrainischen Armee gekämpft. Nach Deutschland bin ich erst vor 18 Monaten gekommen, als das neue Gesetz kam, dass Väter von mindestens drei Kindern nicht mehr wehrpflichtig sind und ausreisen dürfen. Ich habe vier Kinder, davon leben drei in Deutschland. Mein ältester Sohn musste wegen der Wehrpflicht in der Ukraine bleiben. Ich mache mir große Sorgen um ihn. Wir kommen aus der Region Odessa, da schlagen immer noch jede Nacht Bomben ein. Ich habe zwar jeden Tag Kontakt mit meinem Sohn, aber wenn er einmal nicht gleich antwortet, schlägt mein Herz wie verrückt. In der Ukraine habe ich als Elektroniker gearbeitet und bei einem kleinen Unternehmen für Leute ihre kaputten Geräte repariert. Das war eine gute Arbeit. Aber hier ist das schwer. Die Deutschen reparieren nicht so viel, es wird viel schneller weggeworfen."

3. Anna Schuichailo (52): "Wir müssen stark bleiben."

Anna Schuichailo ist 2022 aus der Ukraine geflohen. Ihr Mann ist noch immer dort. Um ihn macht sie sich große Sorgen.
Foto: Anand Anders | Anna Schuichailo ist 2022 aus der Ukraine geflohen. Ihr Mann ist noch immer dort. Um ihn macht sie sich große Sorgen.

"Ich fühle mich in Schweinfurt wirklich wohl. Wahrscheinlich, weil die Stadt so klein und ziemlich ähnlich zu meiner Heimatstadt in der Ukraine ist. Und ich kann hier wieder in der Pflege arbeiten, in einem Altenheim. Ich bin 2022 mit meiner Familie hierhergekommen. Mein Mann musste in der Ukraine bleiben. Wir telefonieren fast jeden Tag, trotzdem mache ich mir große Sorgen. Jeder Tag ist schwer für mich. Ich glaube aber fest daran, dass irgendwann alles wieder gut wird, wir müssen nur stark bleiben."

4. Irina Savina (36) und Olena Antohova (43): "Ich versuche, mir hier ein neues Leben aufzubauen."

Irina Savina (rechts) ist gemeinsam mit ihrem Mann, ihrer Schwester Olena Antohova (links) und deren Mann nach Deutschland geflohen. Eine Freundin hat sie hier aufgenommen.
Foto: Anand Anders | Irina Savina (rechts) ist gemeinsam mit ihrem Mann, ihrer Schwester Olena Antohova (links) und deren Mann nach Deutschland geflohen. Eine Freundin hat sie hier aufgenommen.

"Schweinfurt gefällt mir sehr gut. Aber eigentlich ist es überall gut, wo es keinen Krieg gibt", sagt Irina Savina. "Ich bin vor zwei Jahren zusammen mit meinem Mann, meiner Schwester und ihrem Mann aus Mariupol nach Deutschland gekommen. Eine Freundin in Schwanfeld hat uns bei sich aufgenommen. Ein Teil meiner Familie ist aber immer noch in der Ukraine, in russischer Okkupation. Um sie mache ich mir große Sorgen. Wir versuchen regelmäßig Kontakt zu halten, aber das klappt nicht immer. Es ist wirklich schwer für mich, aber ich versuche jetzt, mir hier ein neues Leben aufzubauen. In der Ukraine war ich IT-Spezialistin, hier ging das aber leider nicht mehr. Deshalb mache ich jetzt seit einem Jahr eine Ausbildung zur Speditionskauffrau."

5. Anna (32) und Alex Shushailo (33): "Alle sind so freundlich und höflich und hilfsbereit"

Anna und Alex Shushailo fühlen sich in Schweinfurt gut aufgenommen. Sie sind dankbar für die Unterstützung und Hilfsbereitschaft, die sie hier erfahren.
Foto: Anand Anders | Anna und Alex Shushailo fühlen sich in Schweinfurt gut aufgenommen. Sie sind dankbar für die Unterstützung und Hilfsbereitschaft, die sie hier erfahren.

"Wir alle hier haben einen schwierigen Weg hinter uns und vermissen unser altes Leben. Ich habe selbst viel Verwandtschaft in Mariupol, sie haben alles verloren. Mein Mann und ich sind bei Verwandten in Schweinfurt untergekommen und uns gefällt es hier sehr gut. Ich glaube, alle Menschen aus der Ukraine sind so dankbar für die Hilfe, die wir bekommen, und wie gut man uns hier aufgenommen hat. Alle sind so freundlich und höflich und hilfsbereit zu uns. Dafür will ich einfach Danke sagen. Und ich freue mich, dass wir heute die Möglichkeit haben, auch etwas von unserer Kultur zu zeigen, das ist so wichtig für unsere Integration. Die Ukraine ist nicht nur der Krieg. Wir wollen hier heute unsere Herzen teilen mit allen Menschen in Schweinfurt."

6. Olexander Dan (35): "Jetzt leben andere Leute in meiner Wohnung."

Drei der sieben Brüder von Olexander Dan leben noch immer in der Ukraine. Ihnen schickt er regelmäßig Geld, um sie zu unterstützen.
Foto: Anand Anders | Drei der sieben Brüder von Olexander Dan leben noch immer in der Ukraine. Ihnen schickt er regelmäßig Geld, um sie zu unterstützen.

"Ich habe sieben Brüder, davon leben drei noch immer in der Ukraine, vier sind hier in Deutschland. Vor dem Krieg hatte ich ein gutes Leben in der Ukraine. Ich habe drei Kinder, wir haben an der Grenze zu Ungarn und der Slowakei gelebt, eine wunderschöne Gegend. Ich hatte dort gerade eine Wohnung gekauft. Jetzt leben aber andere Leute in meiner Wohnung, die selbst vor dem Krieg fliehen mussten. In der Ukraine habe ich als Lkw-Fahrer gearbeitet und auch in Schweinfurt habe ich jetzt Arbeit in der Logistik gefunden. Von unserem Lohn schicken meine Brüder und ich regelmäßig Geld an unsere Geschwister in die Ukraine. Wir wollen sie unterstützen."

 
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  • Erich Spiegel
    Diese Leute passen zu uns, zumindest was ich dem Mainpost Bericht entnehmen kann. Bei anderen Migranten, die rechtsradikale , nationalistische und rassistische Parteien unterstützen ist das nicht der Fall. Meist sind diese Migranten sogenannte Doppelstaatler mit deutschen und ausländischen Pass. Diesen Leuten sollte der deutsche Pass entzogen werden, wenn sie z.b. für das Kalifat, die Scharia und gegen Frauenrechte demonstrieren. Sie sollten das Land verlassen. Ausbürgerung statt überhasteter Einbürgerung. Bei der Fussball EM konnte man in den Stadien an Hand tausender rechtsradikaler Handzeichen sehen, welche Probleme in den nächsten Jahren auf die Gesellschaft zukommen. Über seine Landsleute versucht so mancher Diktator politischfn Einfluss in Deutschland zu gewinnen. Wenn linke und grüne Schlafmützen jetzt von Einzelfällen sprechen, dann haben sie Tomaten auf den Augen. Die Bilder aus den Stadien sind eindeutig, so wie die Bilder der Autokorsos nach dem Spiel in ganz Deutschland.
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  • Stefan Fuchs
    Gerade gelesen das in einem Kiew'er Kinderkrankenhaus russische Raketen einschlugen.
    Diesem von manchen hofierten " Leningrader Hinterhofschläger " namens putin, ist nichts mehr heilig.

    Dieses Land verteidigt auch unsere Freiheit.

    Klaus Ernst , und alle" Wagenknechte", was sagt ihr dazu?
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  • Stefan Fuchs
    Anbei Hr. Ernst, warum waren sie nicht auf diesem Ukrainischen Freundschaftsfest anwesend?
    Schmecken ihnen die "russischen Spezereien " in der Russischen Botschaft zum Tag des Sieges am 09.05 besser als die Ukrainischen am 05.07. im Rathausinnenhof zu Schweinfurt?
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