Seit 1988 ist das Bekleidungsgeschäft "Montana" in der Hohe Brückengasse eine feste Instanz im Schweinfurter Einzelhandel. Nun kündigen aber bereits seit Tagen Schilder mit der Aufschrift "Totaler Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe" in den Schaufenstern das Aus an: Ende Mai dieses Jahres wird das Montana nach 36 Jahren seine Türen endgültig schließen.
"Natürlich tut das weh. Nicht nur uns, sondern auch vielen Kunden", sagt Patrick James. Gemeinsam mit seinem Bruder Brendan James hat er das Montana Anfang 2022 von dessen vorherigem Inhaber Heiko Sandmann übernommen. Zuvor waren die beiden bereits mehrere Jahre mit ihrem Fachgeschäft "Whiskey Gents" Teil des Ladens gewesen. Wie es mit der Ladenfläche nach Mai weitergehe, sei noch unklar.
"Was mir extrem wehtut, ist die Community (Gemeinschaft, Anmerkung der Redaktion) zu verlieren. Viele haben hier die letzten Tage regelrecht geheult, sodass ich sie in den Arm nehmen und trösten musste", erzählt Patrick James. "Es ist traurig, dass wir schließen müssen. Wir sind schon ein Kult-Laden hier", sagt sein Bruder.
Traurige Reaktionen in den Sozialen Medien auf die Schließung
Dass das auch viele Schweinfurterinnen und Schweinfurter so sehen, zeigt sich in den Kommentaren in den Sozialen Medien. "Eine sehr traurige Nachricht. Ich glaube, ich spreche für viele andere, wenn ich sage, dass ich mit diesem Ort sehr viele schöne Erinnerungen verbinde", schreibt eine Nutzerin. Ein weiterer beklagt: "Wir waren immer super gerne bei euch. Ich kann gar nicht ausdrücken, wie traurig mich das macht. Es gibt so wenig wirklich individuelle Läden. Schweinfurt ohne euch kann ich mir gar nicht vorstellen."
Was die Gründe für die Schließung sind, lassen die Brüder in ihrem Abschiedstext bereits durchklingen. "Die letzten Jahre waren sehr wild und das für alle. Ob im Gewerblichen oder im Privaten. Es ist eine Entwicklung entstanden, die aktuell nicht gesund ist. Unsere schöne Stadt Schweinfurt hat viel Potenzial, jedoch erlebt sie einen tiefen Niedergang", heißt es dort.
Wie viel Frust und Enttäuschung hinter diesen Worten stecken, wird im Gespräch mit den Brüdern deutlich: "Wir fühlen uns von der Stadt im Stich gelassen. Ich habe so viel persönliche Zeit und Energie in diese Stadt investiert, um etwas zu bewegen und etwas Neues hierher zu bringen, aber wirklich gefördert wird man nicht", sagt Brendan James.
Eine Ansicht, die sein Bruder teilt: "Es ist kein Miteinander, nur ein Gegeneinander. Die Einzelhändler bräuchten jetzt die Hilfe der Stadt, um gemeinsam zu agieren und zu gestalten. Aber die Stadt ist einfach desinteressiert und verschläft das. Ein Laden nach dem anderen stirbt und niemand interessiert sich."
Kritik am Parkplatzmanagement in der Innenstadt
Einer ihrer Hauptkritikpunkte richtet sich dabei gegen das Parkplatzmanagement in der Innenstadt. Immer weniger Parkplätze träfen auf immer höhere Parkgebühren – das halte Kundschaft fern, kritisieren die Brüder.
Besonders hart träfe den umliegenden Einzelhandel ihrer Meinung nach die für eineinhalb Jahre geplante sanierungsbedingte Schließung des Parkhauses am Georg-Wichtermann-Platz. "Ohne große Vorankündigung und ohne mit uns Einzelhändlern irgendetwas abzusprechen", sagt Patrick James. "Das war für uns der letzte Todesstoß – weil die Innenstadt damit noch unattraktiver geworden ist", sagt er.
Seitens der Stadtverwaltung kann man diese Kritik offenbar nicht ganz nachvollziehen. So habe sich die Zahl der oberirdischen Parkplätze "in den letzten Jahren nicht wesentlich verringert", ebenso wie die Frequenz in den Parkhäusern, sagt Pressesprecherin Kristina Dietz. Temporären Wegfall aufgrund von Baumaßnahmen versuche man stets so gering und "kurz wie möglich zu halten". Zudem sei man im Rathaus der Ansicht, dass der Wegfall einiger Innenstadt-Parkplätze mit einer "spürbaren Steigerung der Aufenthaltsqualität" einhergehe, was auch dem Einzelhandel zugutekomme.
Auch habe es vor der Parkhausschließung durchaus Gespräche mit einzelnen Gewerbetreibenden sowie eine Informationsveranstaltung gegeben. "Die Resonanz der anliegenden Anwohner und Gewerbetreibenden war jedoch nur mäßig", so Dietz. "Die Sanierung des Parkhauses ist unumgänglich. Natürlich wissen wir aber um die Wichtigkeit von Parkplätzen in der Innenstadt, weshalb die Stadt Schweinfurt mit dem Kaufhof-Parkhaus zeitnah eine Alternative zur Verfügung stellen wird", sagt sie.
Trotz "subjektivem Unsicherheitsgefühl" sei Roßmarkt kein Brennpunkt
Ein weiteres Problem für den Einzelhandel sehen Brendan und Patrick James in der Situation auf dem Roßmarkt. "Manchmal schmeißt die Polizei hier Leute gegen unsere Scheibe, um sie festzunehmen oder zu durchsuchen", sagt Brendan James. Hinzu kämen im Umkreis immer wieder eingeschlagene Schaufensterscheiben. Vorfälle, die die Kundschaft verunsicherten. "Zum Teil wollen Stammkunden, die mit dem Bus kommen, hier schon gar nicht mehr aussteigen. Die steigen lieber am Marktplatz aus, weil sie Angst haben", sagt Patrick James.
Auf Nachfrage dieser Redaktion heißt es seitens der Stadt: "Das auch wiederholt an die Stadt herangetragene subjektive Unsicherheitsgefühl lässt sich objektiv nicht bestätigen. Die Zahl an Polizeieinsätzen oder Bußgeldverfahren rechtfertigt keineswegs die Einstufung als Brennpunkt." Dennoch erarbeite man aktuell einzelne Maßnahmen für den Roßmarkt, wobei allerdings "der Gestaltungsspielraum gering ist", so Dietz.
Verwaiste Innenstädte nicht nur ein Schweinfurter Problem
Dass die Stadt durchaus Maßnahmen umsetze, um die Innenstadt zu beleben, und verwaiste Innenstädte kein per se Schweinfurter Problem sind, sähen aber auch Brendan und Patrick James. "Natürlich ist die Stadt nicht an allem Schuld. Alle Städte haben es schwer und überall gehen Geschäfte kaputt", sagt Patrick James. Ihrer Ansicht nach setze die Stadt aber an den falschen Ecken an.
"Die kleckern statt zu klotzen – mit Blumenkästen, Straßenmusikanten, Festchen – und ignorieren dabei das Kernproblem: die Leerstände. Und die haben wir, weil wir die Hälfte der Einzelhandelsfläche gar nicht bräuchten", meint Brendan James. Konversion, eine Leerstandsabgabe und engere Zusammenarbeit mit den Gewerbetreibenden könnten Abhilfe schaffen, meint er.
Fehlenden Austausch mit dem Einzelhandel will man sich im Rathaus aber nicht vorwerfen lassen. Man stehe "mit beiden großen Sprachrohren für Einzelhändler im engen Austausch, nämlich der Werbegemeinschaft Schweinfurt erleben e. V. und dem Handelsverband. Somit bemühen wir uns [...] sehr wohl für die Belange des Einzelhandels. Außerhalb dieser Vereinigungen können wir uns für persönliche Belange leider nicht immer einsetzen", so Dietz.
Ich muss aber sagen, reingegangen bin ich eher weniger. Gern wären wir öfter mal reingegangen.
Man hatte direkt beim Betreten das Gefühl, durch einen „inner Circle“ zu marschieren. Das Konzept mit der Couch ist witzig, aber wenn da ne „Community“ sitzt, von der man den Eindruck hat, man wird jetzt erstmal abgescannt, nach welchen Kriterien auch immer (ist man hipp genug? Kann man sich die Sachen überhaupt leisten?), da kommt bei mir ehrlicherweise kein Gefühl auf, dass ich gern mein Geld dort lassen möchte. Wirklich willkommen hab ich mich selten drin gefühlt. Im vorherigen Montana noch mehr als jetzt.
Den schwarzen Peter darf man auch mal ein wenig bei sich selbst suchen.
Wenn ich als Stammkunde den Rossmarkt meiden möchte, es gibt andere Wege vom Marktplatz zum Montana. Da liegen die Fehler wohl eher woanders.
Whiskey, das ist zumeist der Maisschnaps aus USA, mag ich halt nicht. Whisky, der echte aus Schottland, taugt da schon eher.
Abgesehen davon, welcher Nichtschnüdel käme auf die Idee in einem offensichtlichen Schnapsladen Klamotten zu kaufen? Und auch Google Maps führt nur zum Schnapsladen.
https://www.google.com/maps/place/Whiskey+Gents/@50.0436641,10.2312463,50m/data=!3m1!1e3!4m15!1m8!3m7!1s0x47a2f7eae3743ec7:0xa6a5e0b67aa8f050!2sHohe+Br%C3%BCckengasse,+97421+Schweinfurt!3b1!8m2!3d50.0438092!4d10.2312348!16s%2Fg%2F1tddr60d!3m5!1s0x47a2f7767c01e731:0xc5940280602bbca9!8m2!3d50.0436209!4d10.231195!16s%2Fg%2F11g_zkz89q?entry=ttu
Erst der Tante Emma Laden auf dem Dorf, kaputtgemacht von den größeren Einheiten in der Stadt und jetzt der Tante Emma in der Stadt.
Die größeren Einheiten in der Stadt sind halt nicht mehr Wert als der Tante Emma Laden von damals.
Insoweit kein Mitleid!
Was ich nicht verstehe, nach 36 Jahren.
Was ist mit den Millionen, die 30 Jahre lang gescheffelt wurden?
Ach ja, die gehören mir und jetzt soll die Stadt das mal richten?
Was für eine Logik?
Im Zeitalter der Digitalisierung ist der Versandhandel doch viel angenehmer und vor allem umweltfreundlicher.
Fragen sie mal unseren Wirtschaftsminister, der lernt auch gerade, dass Wirtschaft sehr viel sensibler auf Kippmomente reagiert als man gemeinhin annimmt.
Der Leerstand in den Innenstädten nimmt jedenfalls ziemlich fahrt auf. In Würzburg haben doch auch schon mehrere Bekleidungsgeschäfte geschlossen. Beim Spaziergang durch die Stadt fallen die leeren Läden direkt ins Auge. Aber das ist politisch gewollt: das Auto soll aus der Stadt. Darin sitzt jedoch ein Kunde.
Ein Konzept muss immer auch zum Standort passen, damit sich durch ausreichend Umsatz geschäftlicher Erfolg einstellen kann. Und da drängt sich hier schon die Frage auf, ob es in Schweinfurt überhaupt genug Kunden gibt, die für ein Paar exclusive Lederstiefel mehrere Hundert Euro hinblättern, sich dicke Zigarren ins Gesicht stecken oder sich ausreichend Edel-Klamotten umhängen.
So ein Ladenkonzept funktioniert mit viel Glück vielleicht noch in einer Großstadt wie München, aber in Schweinfurt ?? Da hilft auch die beste Ladengestaltung nichts.
mhhh aber das Rathaus hat Schuld....
nachdenken, bevor man Leute verantwortlich macht
"Das auch wiederholt an die Stadt herangetragene subjektive Unsicherheitsgefühl lässt sich objektiv nicht bestätigen. Die Zahl an Polizeieinsätzen oder Bußgeldverfahren rechtfertigt keineswegs die Einstufung als Brennpunkt."
Die Stadt, und überhaupt die Poltik, ist hier m.E. sehr blauäugig. Warum wird erst gehandelt, wenn das Kind im Brunnen liegt, wenn es 5 nach 12 ist?
Das "Gefühl" der Menschen tritt viel früher ein. Nehmen wir Gasgeruch in einem Mehrfamilienhaus. Sobald er wahrgenommen wird, egraten die Bewohner in Angst, in Panik. Die alarmierte Feuerwehr wird peinslichst darauf achten, dass das gemsich nicht explosionsfähig wird (vergl. "Brennpunkt"), aber die Angst aller Beteiligten vor dem großen Knall bleibt.
Dumm dann eben, wenn keiner das Gas abstellt, sprich nicht rechtzeitig handelt, bevor es zu spät ist.
Für die Schweinfurter Innenstadt ist es "noch" 5 vor 12!