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Wetzhausen
Klimawandel: Bauer Schmitt aus Wetzhausen schwört auf das älteste Getreide der Welt
Seit 2017 experimentiert Bauer Jürgen Schmidt mit dem Hirseanbau für seine 300 Schweine, ist so etwas wie ein Pionier in Franken. Hirse ist glutenfrei. Nur einer von vielen Vorteilen.
Jürgen Schmidt in seinem Hirsefeld bei Wetzhausen.
Foto: Gerd Landgraf | Jürgen Schmidt in seinem Hirsefeld bei Wetzhausen.
Gerd Landgraf
Gerd Landgraf
 |  aktualisiert: 09.02.2024 20:56 Uhr

Mitten im Herbst tut das satte Grün dem Auge gut. Fast das ganze Ackerland zwischen Wetzhausen und Wettringen ist umgepflügt. Da das Unkraut noch wuchern könnte, ist die Wintersaat noch in den Säcken und nicht ausgebracht. Mitten in der Flur steht neben dem Mais nur die Hirse von Jürgen Schmidt. Der Agrarwirt aus Wetzhausen baut seit 2017 auf seinen Feldern Hirse an und gilt in Franken als Pionier bei der Erzeugung des wahrscheinlich ältesten Getreides der Welt.

Bis vor 100 Jahren war der Hirseanbau in ganz Europa und auch in Franken üblich. Doch Kartoffeln und Mais verdrängten das mineralstoffreiche Spelzgetreide. Das hat eine lange Tradition. Genutzt wird die Hirse vom Menschen schon seit 8000 Jahren. In China wird das Süßgras seit 4000 Jahren landwirtschaftlich im großen Stil angebaut. In Mitteleuropa war das kleinfruchtige Korn im Altertum und im Mittelalter ein Hautnahrungsmittel. Der Name "Hirse" kommt aus dem Altgermanischen und wird mit "nahrhaft" oder "Sättigung" gleichgesetzt.   

In Afrika ist Hirse auch die Grundlage für das Brauen von Bier, in Äthiopien die wichtigste Nahrungspflanze für den Menschen. In Deutschland gibt es aktuell keinen nennenswerten Markt für die Erzeuger von Hirse. Die Körner finden bisweilen Absatz als Vogelfutter. Die Hirse, die seit einigen Jahren in den Regalen von Lebensmittelmärkten zu finden ist, stammt in der Regel aus dem Ausland.

Die Hirse steht als letzte Getreideorte noch auf den Feldern.
Foto: Gerd Landgraf | Die Hirse steht als letzte Getreideorte noch auf den Feldern.

Jürgen Schmidt produziert das glutenfreie Getreide für den Eigenbedarf im Schweinestall (Zuchtbetrieb mit Schwerpunkt Ferkelerzeugung). Zu zehn Prozent wird das Korn von zehn Hektar Anbaufläche dem Futter für 300 Tiere beigemischt. 2017 hatte der Landwirt die Hirse als Alternative zum Raps ausgemacht, dem die heißen Sommer nicht bekommen, und zum Mais, der bei der Schweinefütterung als problematisch gilt. Schmidt setzt dabei auf mehrere Sorten Hirse, probiert aus, beobachtet und sieht sich selbst weiterhin als Pionier, der einen Beitrag zum Umbau in der Landwirtschaft leistet.   

Hirse verträgt Trockenheit, was angesichts des im Schweinfurter Land eingetretenen Klimawandels immer wichtiger werde, ist Schmidt überzeugt. Die Hirse habe aber auch noch eine weitere Seite, die dem Getreide eine wachsende Bedeutung voraussage: Sie soll pflegeleicht sein und nur eine Düngung brauchen.  

Nur einmal düngen, nur einmal spritzen

Bei der anhaltenden Kälte im Frühjahr 2021 ging Schmidt heuer die erste Aussaat nicht auf. Erst der zweite Versuch brachte bei Bodentemperaturen nicht unter zwölf bis 15 Grad Erfolg – und zwar erneut mit "wenig Pflanzenschutzmitteln und wenig Dung". Als Düngemittel kam nur die Gülle aus dem eigenen Schweinestall zum Einsatz – und das auch nur einmal, vier Wochen nach der Aussaat.

Dass es über dem Acker zwischen Wetzhausen und Wettringen brummt und summt, führt Schmidt auf die ebenfalls nur einmal durchgeführte Spritzung mit einem Pflanzenschutzmittel zurück. Die für die Schweine leicht verdauliche Hirse stuft Bauer Schmidt bei der Qualität zwischen Triticale (Kreuzung aus Weizen und Roggen) und Mais ein. Geerntet wird mit dem Mähdrescher (normales Schneidwerk) spät im Herbst. Das Korn kommt in die Scheune, Stengel und Wurzeln werden auf dem Feld gemulcht und in den Boden eingearbeitet.    

Der Boden riecht gut und nicht nach Dünger 

"Und der Boden riecht dann gut und nicht nach Dünger", schwärmt der Agrarwirt, der beobachtet hat, dass die Hirse seinen Tieren schmeckt, dass mit ihr eine willkommene Abwechslung in die Tröge kommt, dass Abwechslung auch in der Flur besticht, wo ansonsten nur Mais, Weizen, Gerste und Roggen neben etwas Raps und Dinkel das Bild von der Landwirtschaft bei Wetzhausen bestimmen würden.

Nach alternativen Vermarktungswegen für seine Hirse hat sich Jürgen Schmidt umgeschaut, aber keine gefunden. So bleibt es bei der Erzeugung für den Schweinestall. Die Fruchtvielfalt auf dem Acker gewinne mit der Hirse, so Schmidt, aber nur so lange sich die Schweinezucht auch lohne. Das Gespräch auf dem Acker endet so auch mit dem Aufruf von Bauer Jürgen Schmidt, beim Schweinefleisch auf die 5-D-Qualität (in Deutschland geboren, aufgezogen, gemästet, geschlachtet und verarbeitet) zu achten. Denn ohne die Tiererzeugung, sagt er, verarme die Landschaft, werde nur noch mit Weizen, Braugerste und Energiemais bestückt.

 
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Kommentare
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  • H. R.
    Da schließe ich mich gern an. Ein großes Kompliment an Herrn Schmidt! Ich bin selber auf einem Bauernhof in der Oberpfalz aufgewachsen, dann als Lehrer in Hessen gelandet, aber diesen ehrenwerten Beruf habe ich nie aus dem Blickfeld verloren. Mein Vater war auch ein kluger und weitsichtiger Mann und immer für Neues offen, hat immer wieder was ausprobiert. Eine war eine wunderbare Zeit, in der wir Kinder viel gelernt haben. Was mein Vater (damals) auf dem Hof gemacht hat, kann man durchaus als "nachhaltig" und ökologisch bezeichnen.
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  • M. B.
    Es gibt eben auch Landwirte, die etwas ausprobieren und Dinge hinterfragen.
    TOP!!!
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