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Schweinfurt
Weniger Flüchtlinge aus der Ukraine, aber mehr Asylbewerber aus Afghanistan
In Deutschland kommen immer weniger Geflüchtete aus der Ukraine an. Warum es für die Anker-Einrichtung der Regierung bei Geldersheim trotzdem keine Entspannung gibt.
Längst nicht alle Zimmer sind in der Notunterkunft für Ukraine-Flüchtlinge in den Ledward Barracks belegt. Aktuell leben dort 91 Menschen.
Foto: Anand Anders | Längst nicht alle Zimmer sind in der Notunterkunft für Ukraine-Flüchtlinge in den Ledward Barracks belegt. Aktuell leben dort 91 Menschen.
Irene Spiegel
 |  aktualisiert: 11.02.2024 10:29 Uhr

Im Eiltempo hatte die Stadt Schweinfurt im April die Notunterkunft für Ukraine-Flüchtlinge in den Ledward Barracks hergerichtet. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine und dem einsetzenden Flüchtlingsstrom mussten die schon für den Abriss vorgesehenen Gebäude der ehemaligen Erstaufnahmeeinrichtung der Regierung von Unterfranken kurzfristig wieder reaktiviert werden.

Die 650 Wohnplätze in den drei Häusern waren danach aber nie alle belegt. "Das Höchste waren mal 140 Geflüchtete, die hier waren", sagt Matthias Kreß, der Koordinator der Stadt für die Flüchtlingshilfe. Aktuell sind es nur noch 91 Personen, die in der Gemeinschaftsunterkunft leben.

Ins Gebäude 205 sind die ukrainischen Flüchtlinge umgezogen. Die Notunterkunft in der Ledward Kaserne wurde saniert und mit zusätzlichen Küchen ausgestattet.
Foto: Anand Anders | Ins Gebäude 205 sind die ukrainischen Flüchtlinge umgezogen. Die Notunterkunft in der Ledward Kaserne wurde saniert und mit zusätzlichen Küchen ausgestattet.

In Deutschland kommen immer weniger Geflüchtete aus der Ukraine an. Das belegen auch die offiziellen Zahlen vor Ort: Mitte März, kurz nach Ausbruch des Krieges, wurden in der Anker-Einrichtung bei Geldersheim, der offiziellen Anlaufstelle für Asylbewerber und Flüchtlinge, über 630 Geflüchtete aus der Ukraine in einer Woche registriert. Damals mussten zusätzliche Schlafplätze in Zelten geschaffen werden, um alle unterbringen zu können. Seit Juni aber gehen die Zahlen kontinuierlich nach unten. In der 28. Kalenderwoche wurden nur noch 26 Menschen aus der Ukraine in der Anker-Einrichtung aufgenommen. Sechs von ihnen sind noch vor Ort.

Verteilung erfolgt nach Königsteiner Schlüssel

In der Regel werden die Ukraine-Flüchtlinge nach der Registrierung gleich weiterverteilt auf andere Bundesländer. "Zum Großteil nach Thüringen", erklärt Anker-Leiter Benjamin Kraus, "weil Thüringen eine Unterquote hat." Der Königsteiner Schlüssel legt in Deutschland fest, wie viele Asylbewerber und Asylbewerberinnen ein Bundesland aufnehmen muss. Berechnet wird dies jedes Jahr neu auf der Basis der Steuereinnahmen und der Bevölkerungszahl. Bayern hat danach eine Überquote bei den Ukraine-Flüchtlingen, weshalb neu ankommende Menschen aus der Ukraine nicht in umliegende Gemeinschaftsunterkünfte, sondern in andere Bundesländer verteilt werden. Ausnahmen gibt es unter anderem, wenn private Unterbringungsmöglichkeiten bestehen. 

Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge wurden zwischen Ende Februar und Mitte Juni 150.000 Geflüchtete aus der Ukraine in Bayern erfasst. 14.575 von ihnen sind in Unterfranken registriert worden und davon 875 im Landkreis sowie 527 in der Stadt Schweinfurt (Stand 12. Juli).

Auf allen Etagen gibt es mehrere Küchen, damit sich die Bewohnerinnen und Bewohner selbst versorgen können.
Foto: Anand Anders | Auf allen Etagen gibt es mehrere Küchen, damit sich die Bewohnerinnen und Bewohner selbst versorgen können.

Wie viele Geflüchtete aus der Ukraine sich tatsächlich in Deutschland aufhalten, lässt sich aber nicht genau sagen. Denn ukrainische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen können ohne Visum in die EU einreisen und sich im Schengen-Raum frei bewegen. Einige Geflüchtete könnten bereits weitergereist oder wieder zurück in die Heimat gegangen sein. Aus der Gemeinschaftsunterkunft der Stadt in den Ledward Barracks gab es vereinzelt solche Rückreisen. Koordinator Kreß weiß von fünf Familien, die wieder in die Ukraine zurückgegangen sind. Der Großteil der Bewohner komme jedoch aus den schwer umkämpften östlichen Gebieten, weshalb für sie eine Heimreise kaum möglich sei.

Die jetzigen Bewohnerinnen und Bewohner sind vor kurzem umgezogen, vom Gebäude 210 in den Wohnblock 205. Dieser ist neu hergerichtet worden. Dort sind auf allen Etagen mehrere Küchen und Esszimmer eingerichtet worden, damit sich die Menschen selbst versorgen können. Bis Juni hatte die Stadt über die Krankenhausküche des Leopoldina täglich für die Essensverpflegung gesorgt. Seit Geflüchtete aus der Ukraine jedoch Anspruch auf Hartz IV und die damit verbundene Arbeitsförderung haben, wurde dieser Service eingestellt.

Mehr Geflüchtete aus Afghanistan

Während die Zahl der ukrainischen Flüchtlingen abnimmt, steigt parallel der Zulauf herkömmlicher Asylbewerber. Vor allem aus Afghanistan ist der Zustrom wieder stärker geworden. Mehr als die Hälfte der insgesamt 1300 Bewohnerinnen und Bewohner der Anker-Einrichtung kommt vom Hindukusch. Dabei gehört Afghanistan gar nicht zu den Kernländern, für die Geldersheim zuständig ist. Die Stammländer sind nach wie vor Algerien, Somalia, Elfenbeinküste und Armenien. Die Verteilung der afghanischen Flüchtlinge erfolgt aber nach einem Rotationsprinzip. Alle drei Wochen ist Geldersheim an der Reihe und muss afghanische Asylbewerberinnen und -bewerber aufnehmen.        

'Ziemlich voll' ist die unterfränkische Anker-Einrichtung bei Geldersheim. Nicht mit Ukraine-Flüchtlingen, sondern mit herkömmlichen Asylbewerbern, deren Zahl wieder steigt. Vor allem aus Afghanistan ist der Zustrom größer geworden.
Foto: Anand Anders | "Ziemlich voll" ist die unterfränkische Anker-Einrichtung bei Geldersheim. Nicht mit Ukraine-Flüchtlingen, sondern mit herkömmlichen Asylbewerbern, deren Zahl wieder steigt.

Und dann gibt es noch die ehemaligen Ortskräfte der Bundeswehr aus Afghanistan, denen die Bundesregierung humanitären Schutz zugesichert hat. Für Aufnahme und Zuweisung der Unterkunft ist das Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig, die Verteilung erfolgt ebenfalls nach dem Königsteiner Schlüssel. Weil diese Menschen bereits einen Aufnahmestatus haben, können sie nach der Registrierung gleich in staatlichen Übergangswohnheimen in ganz Bayern wohnen, bis sie eine eigene Wohnung gefunden haben. 

Neben den 41 Gemeinschaftsunterkünften der Regierung gibt es 128 solcher dezentralen Unterkünfte in Unterfranken in der Zuständigkeit der Landratsämter, in denen rund 1700 Menschen leben. Weil alle Häuser voll belegt sind, suchen sowohl Regierung als auch die Kreisbehörden händeringend nach weiteren Mietobjekten, die sich für eine Gemeinschaftsunterkunft eignen. 

 
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