Die Kinder können es kaum erwarten: An die 20 Mädchen und Jungen drängeln sich vor der Eingangstür des Ärztezentrums in der Anker-Einrichtung Unterfranken. Drinnen steht ein Christbaum, den sie mit selbstgebastelten Sternen und Weihnachtsbäumen schmücken wollen. Danach gibt es Weihnachtsplätzchen und Tee.
"Es ist eine schöne Aktion", freut sich der Leiter der Anker-Einrichtung, Benjamin Kraus, über die Initiative des Kinderhauses. Den Anstoß dazu gab Tina Bude, eine Mitarbeiterin in der medizinischen Ambulanz, die den Christbaum fürs Ärztezentrum organisiert hat. Er ist eine Spende der Firma Landtechnik Müller aus Holzhausen. Damit er nicht schmucklos aufgestellt werden musste, regte sie bei den Erzieherinnen des Kinderhauses an, doch gemeinsam mit den Kleinen eine Weihnachtsdekoration zu basteln.
"Die Kinder waren total begeistert"
"Die Kinder waren total begeistert", sagt Kristin Zastrow, die seit eineinhalb Jahren als Kinderpflegerin im Kinderhaus arbeitet. Hier werden täglich von Montag bis Freitag bis zu 70 Kinder betreut. Aktuell sind es 40 Mädchen und Jungen in zwei bis drei Gruppen.
Gemeinsam mit ihren drei Erzieherinnen und mehreren ehrenamtlichen Betreuerinnen haben die Kleinen zwei Wochen lang fleißig gebastelt. Entstanden sind an die 100 Sterne und Weihnachtsbäume aus Holz und Papier. Auf manchen steht sogar der Name darauf. Sharifa zum Beispiel hat ihren Stern mit leuchtenden Perlen verziert. Nadas Weihnachtsbaum ist bunt bemalt. Und Salas Stern leuchtet schon von weitem.
Die meisten Kinder in der Anker-Einrichtung kennen zwar den christlichen Weihnachtsbrauch nicht, sie seien aber sehr offen dafür, sagt Kinderpflegerin Kristin Zastrow. Der Weihnachtsbaum wurde im Wartebereich des Ärztezentrums aufgestellt, wo er in dieser von hohen Belegungszahlen und großer Arbeitsbelastung geprägten Zeit ein wenig vorweihnachtliche Stimmung verbreiten soll.
943 Neuzugänge für das Ankerzentrum im November
Aktuell ist die Anker-Einrichtung mit knapp 1500 Bewohnerinnen und Bewohnern fast bis zum Anschlag ausgelastet. Allein im November kamen 943 Neuzugänge, darunter 34 Ukraine-Flüchtlinge, 375 afghanische Staatsangehörige und 344 syrische Staatsangehörige.
Normalerweise sind Algerien, Armenien, Elfenbeinküste und Somalia die Schwerpunktländer der Anker-Einrichtung Unterfranken. Aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen ist sie aber alle drei Wochen bayernweit auch für das Herkunftsland Afghanistan zuständig. "Dies bedeutet einen Zugang von etwa 250 Personen je Zuständigkeitswoche", verdeutlicht Anker-Leiter Benjamin Kraus.
Hinzu kommen dann noch die Flüchtlinge aus Syrien, die im Rotationsverfahren zwischen sechs bayerischen Anker-Zentren verteilt werden. Die Geldersheimer Einrichtung ist einmal pro Monat für eine halbe Woche dran. Dies führte zuletzt ebenfalls zu zirka 250 Zugängen pro halber Zuständigkeitswoche.
Zwischen 1. Januar und 1. Dezember trafen in der Anker-Einrichtung Unterfranken insgesamt 7548 Personen ein. Davon waren 4463 Asylbewerber und 3085 Ukraine-Flüchtlinge.
"Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation", sagt Anker-Leiter Benjamin Kraus angesichts dieser hohen Zugangszahlen, die auch ohne die Ukraine-Flüchtlinge schon das Spitzenjahr 2016 (3392 Personen) toppen. Sie sind die höchsten Jahreszahlen seit Beginn der Flüchtlingswelle 2015, wo 16.521 Menschen in der Anker-Einrichtung registriert wurden. Neben den regulären Unterkunftsgebäuden mussten deshalb auch alle Thermohallen wieder in Betrieb genommen werden.
Um vorbereitet zu sein, hat Kraus vorsorglich noch das Anker-Café als Notunterkunft herrichten lassen. Hier könnten bei Bedarf 90 Menschen untergebracht werden. Er hofft allerdings, dass sich die Lage beruhigt und die Flüchtlingszahlen bis Weihnachten wieder abnehmen.