Waldbaden. Der Begriff macht neugierig. Der Begriff Wald-Gesundheitstrainer aber auch. Frank Jansen ist Wald-Gesundheitstrainer und Coach, seitdem er sich von Management und Großindustrie verabschiedet und seinem Leben eine neue Richtung gegeben hat. "30 Jahre Stress und Druck", wie er sagt, liegen hinter ihm. Sein jetziger Beruf bereitet ihm nur Freude.
Kraft und Ruhe findet er in der Natur, im Wald. "Der Wald lässt Sie zur Ruhe kommen, berührt Ihre Seele und unterstützt Sie dabei, ins innere Gleichgewicht zu kommen", beschreibt Jansen seine Waldbaden-Führungen. Gestresste Menschen kommen zu ihm, weil sie einen Weg finden wollen, vom Stress runterzukommen. Naturverbundene wiederum interessieren sich für das Waldbaden, um noch tiefer in die Natur einzutauchen.
Und da wären dann noch die Neugierigen. So wie wir fünf, die sich an einem schönen Sonntagmorgen mit Frank Jansen treffen. Die Neugier treibt Jeanette Eichner, Michael Holzhofer und Bernd Sevenich ebenso wie Fotografin Martina Müller und mich, die Autorin, hierher. Aber auch der Wunsch, uns etwas zu gönnen, uns etwas Gutes zu tun.
"Gebadet" wird im Hegholz bei Schonungen
Treffpunkt ist am Parkplatz oberhalb des Naturfreundehauses in Schonungen, "gebadet" wird im Hegholz. Frank Jansen geht hier gerne her. Der Wald ist licht und ruhig. Der Blick vom Startpunkt ins Tal wunderschön. Knapp zwei Kilometer lang ist die Strecke, drei Stunden dauert die Tour. Jensen geht vor seinen Führungen die Strecke ab. Er schaut, dass keine Äste im Weg liegen, kein Müll rumliegt.
Bevor es losgeht, erzählt Frank Jansen, wo der Begriff Waldbaden überhaupt herkommt. Aus Japan nämlich. Shinrin Yoku, übersetzt Baden in der Atmosphäre des Waldes, nennt sich der 150 Jahre alte Weg, über den Kontakt zur Natur zu sich selbst zu finden. "In Japan verschreibt einem der Arzt Waldbaden." Früher sei Waldbaden auch eingesetzt worden, um Tuberkulose zu behandeln. Es geht um achtsamen Umgang mit der Natur. Es geht darum, im Hier und Jetzt zu sein. "Ohne zu urteilen, ohne zu bewerten."
Im Wald müssen wir nichts erreichen – wir müssen nirgendwo hin
"Was bedeutet uns die Natur?", fragt Frank. Wir duzen uns. Das passt zu dem Weg, auf den wir uns machen. Die Antworten: Kraftquell. Ruhepol. Ein Weg, um sich besser zu erden. Ein Ort, um zur Ruhe zu kommen. In der Natur sein heißt auch: Luft kriegen. Oder neue Eindrücke sammeln. "Die Natur gibt viel", gibt uns Frank mit auf den Weg. Was er uns noch mitgibt: "Wir müssen nichts erreichen. Wir müssen nirgendwo hin. Wir sind einfach da und nehmen wahr."
Gleich am Eingang des Waldes steht ein Baumstumpf. Sieht aus wie ein Tisch. "Das ist der Sorgenplatz", sagt Frank. "Hier können wir unsere Sorgen lassen." Wir suchen einen Stein, ein Stück Holz, das symbolisieren soll, was uns belastet, beschäftigt, das wir nicht mit auf den Weg nehmen wollen. "Dieser Baum kann das sehr gut aufnehmen." Wer will, kann das Symbol am Ende wieder mitnehmen. Oder sich von ihm verabschieden. Indem er das Stückchen Holz kraftvoll von sich wirft, zum Beispiel. Ein schönes Gefühl, Ballast abzuwerfen, befreit in den Wald oder später zurück in den Alltag zu gehen.
Hören, sehen, riechen, tasten: Wir nähern uns dem Wald mit den Sinnen. Es ist erstaunlich, wieviel es zu entdecken gibt. Es raschelt, es knackst vom Boden her. Die Vögel zwitschern, die Insekten schwirren, die Blätter rauschen. Wer nie darauf achtet, versäumt zu spüren, wie die Luft über die Haut streicht oder wie weich ein Blatt sein kann. Der Blick fällt auf Schattenrisse, Sonnenflirren. Es riecht nach Erde, nach Blüten, nach Staub.
Mit der Klangschale wird eine Übung beendet
Frank Jansen schlägt die Klangschale. Signal für die Gruppe, Übungen wie den Körper-Sinne-Scan zu beenden. Wer Lust hat, erzählt, was ihn bewegt hat, tauscht seine Erfahrungen aus. "Alles ist ein Angebot", sagt Frank. Eine Herausforderung für uns alle ist die Übung "Achtsam gehen". Nicht einfach laufen, sondern beobachten, wohin man tritt, wie man den Fuß aufsetzt. Jeanette ist barfuß unterwegs, sie liebt den direkten Kontakt zur Erde. Ohne Ziel unterwegs zu sein, ist für uns eine neue Erfahrung. Michael erzählt, dass ihm aufgefallen ist, wie viele Lebewesen auf dem Boden unterwegs sind. "Ist man nicht achtsam, tritt man drauf."
Ein schöner Moment ist auch, als eine Gruppe Wanderer vorbeikommt, während wir am Boden sitzen und "alle Sinne öffnen". Die Gruppe wird ruhig, will uns offensichtlich nicht stören. Die Ruhe scheint sich zu übertragen, meint auch Frank. "Sucht euch einen Baum aus, nehmt Kontakt mit ihm auf und atmet mit ihm", ist die nächste Aufgabe, die Baumatmung. Hört sich esoterisch an, ist aber ein wunderbares Erlebnis. Der Mensch atmet Sauerstoff ein, Kohlendioxid aus, das wiederum braucht der Baum, um wieder Sauerstoff zu produzieren.
Am Schluss empfinden alle Dankbarkeit gegenüber dem Wald
Spätestens nach dieser Übung wirken wir alle, als hätten wir ein paar Tage Urlaub hinter uns. Entspannt, gelassen, glücklich. Nicht nur Jeanette empfindet Dankbarkeit gegenüber dem Wald, Martina strahlt. "Das war mein Baum, wir hatten sofort einen Kontakt." Bernd sind die Baumtriebe im Schatten der Eichen aufgefallen. "Freundliche Eichen", freut er sich.
Frank hat uns nicht zu viel versprochen. Wir fühlen uns beschenkt, beschwingt, erholt. Das liegt sicher auch daran, dass uns unsere Sorgen nicht begleitet haben. Wir lassen sie liegen auf dem Baumstumpf, als wir wieder zurückgehen zum Startpunkt. Jetzt kommt es niemandem mehr erstaunlich vor, dass es in Japan Waldbaden auf Rezept gibt. Es wirkt!