Die Staatsanwaltschaft Schweinfurt hat Anklage gegen eine "Führungspersönlichkeit" der Gemeinschaft "Go&Change" erhoben. Laut einer Pressemitteilung werden dem 41-Jährigen mehrere Fälle von Vergewaltigung sowie gefährlicher und vorsätzlicher Körperverletzung vorgeworfen.
Die angeklagten Taten, die der Beschuldigte den Ermittlungen zufolge im ehemaligen Kloster "Maria Schnee" in Lülsfeld (Lkr. Schweinfurt), das der Gemeinschaft gehört, begangen haben soll, richteten sich alle gegen dieselbe Frau, teilte die Staatsanwaltschaft an diesem Mittwoch mit.
Beschuldigter ist seit Mai in Untersuchungshaft
Der Angeschuldigte, der von ehemaligen Mitgliedern der Gemeinschaft als charismatischer "Guru" beschrieben wird, bestreitet die Vorwürfe. Er sitzt seit dem 19. Mai in Untersuchungshaft.
Das mutmaßliche Opfer, eine junge Frau, war Mitte Mai mitten in der Nacht mit schweren Verletzungen im Gesicht und am Oberkörper in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Als Grund für die Verletzungen habe sie den Ärzten gegenüber "Misshandlungen im Zusammenhang mit einer Vergewaltigung durch ihren Lebensgefährten" genannt, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft dazu in einer Presseerklärung mit. Rechtsmedizinische Untersuchungen hätten die Angaben der Frau bestätigt.
Am Tag darauf vollzogen Beamte der Kriminalpolizei Schweinfurt einen Durchsuchungsbeschluss im ehemaligen Kloster, wo der Beschuldigte wohnte. Er wurde dort nicht angetroffen, stellte sich aber wenig später auf Anraten seines Anwalts den Einsatzkräften.
Jugendamt und Polizei fahnden nach Kind
Am Tag nach der Festnahme hatte das Polizeipräsidium Unterfranken mitgeteilt, dass das Jugendamt im Landkreis Schweinfurt die "Inobhutnahme eines Kindes" angestoßen habe. Hintergründe wurden mit Blick auf die Persönlichkeitsrechte des Kindes keine genannt. Als die Behörden das Kind im ehemaligen Kloster, wo es wohnte, abholen wollten, sei es verschwunden gewesen. Die Fahndung blieb ohne Erfolg.
Ende Juni durchsuchte die Polizei das Anwesen in Lülsfeld dann erneut, außerdem drei Wohnungen im Raum Gerolzhofen. Dabei stellten die Fahnder unter anderem Handys sicher. Das Kind blieb jedoch verschwunden.
Diese Redaktion berichtet seit über drei Jahren immer wieder über die Vorgänge rund um die alternative Lebensgemeinschaft "Go&Change". Aussteigerinnen und Aussteiger schilderten dabei wiederholt "Psychoterror" und "Gehirnwäsche", eine strenge Hierarchie, Drogenmissbrauch und sexualisierte Gewalt als "Therapie".
In Gesprächen mit früheren Mitgliedern von "Go&Change" war auch von - teils sehr schweren - Verletzungen im Zuge einer "Sex-Arbeit", die der Heilung dienen solle, die Rede. Ein Aussteiger sagte: "Es gab Fälle, die jeder Außenstehende als Vergewaltigung ansehen würde."
Prozess am Landgericht: Termin steht noch nicht fest
Gleichzeitig räumten einige frühere "Go&Change"-Mitglieder ein, niemand sei zu diesen Praktiken gezwungen worden. Allerdings habe der Gruppendruck es Frauen schwer gemacht, nein zu sagen. Insbesondere dann, wenn der sogenannte Guru mit ihnen Sex haben wollte.
Jetzt muss sich der 41-Jährige vor Gericht verantworten. Einen Termin zur Hauptverhandlung hat das Landgericht Schweinfurt laut Staatsanwaltschaft noch nicht bestimmt.