Die Maßgabe, die Kurve der Corona-Infektionen abzuflachen, damit das Gesundheitssystem nicht zusammenbricht, konnte in der Region Schweinfurt befolgt werden. Von den 704 bestätigten Erkrankten (Stand 17. Juni) sind mittlerweile 649 wieder gesund. Zieht man davon noch die insgesamt 42 Todesfälle ab, bleiben Mitte Juni nur noch 13 aktive Coronafälle, deren Zahl in den vergangenen Wochen nur sehr langsam anstieg. Doch auch wenn die Werte beruhigend wirken, stellt der kommissarische Leiter des Schweinfurt Gesundheitsamtes, Matthias Gehrig, fest: "Corona ist immer noch da und wird sicherlich nicht einfach weggehen."
Knapp drei Monate ist es her, als das Gesundheitsamt am 11. März die ersten zwei Corona-Infizierten meldete. Anschließend stiegen die Zahlen rapide an, sodass es Anfang April fast 200 Menschen im Raum Schweinfurt waren, die positiv auf Covid-19 getesteten wurden. Einen Monat später zählten die Behörden bereits über 600 Fälle, bevor Ende Mai schließlich die Marke von 700 geknackt wurde. Seitdem änderten sich die Werte nur noch marginal. "Erfreulicherweise haben wir nur noch sehr sehr wenig positive Testungen", sagt Gehrig und blickt auf anstrengende Monate zurück.
Infektionszahlen: große Unterschiede in Stadt und Land
Den schnellen Anstieg zu Beginn erklärt sich Gehrig mit der fehlenden Sicherheit im Umgang mit dem Virus. "Anfangs wusste niemand, wie man sich richtig verhalten muss." Zwar gab es zahlreiche Empfehlungen, etwa Abstand halten oder Niesen in die Ellenbeuge. Diese Maßnahmen reichten jedoch nicht aus, um die Ausbreitung zu stoppen. Erst die gesetzlichen Vorgaben und die Ausgangsbeschränkungen führten dazu, dass der Anstieg der Neuinfektionen verlangsamt werden konnte. Laut Gehrig war der Lockdown deshalb alternativlos. "Ich denke, dass hier richtig entschieden wurde. Die Menschen brauchten einfach einen gewissen Zwang, um sich an die Regeln zu halten."
Auffällig ist indes die große Diskrepanz zwischen Stadt und Landkreis. Den 181 Infizierten aus dem Stadtgebiet stehen 523 positiv auf Covid-19 getestete Bewohner des Schweinfurter Landkreises gegenüber. Auch dafür hat der kommissarische Leiter des Gesundheitsamtes eine Erklärung. "Im Großteil des Stadtgebiets wohnen vermehrt Mitarbeiter der Großbetriebe, die häufig ein eher geringeres Einkommen haben und nicht unbedingt in den Faschingsferien zum Skifahren gehen." Die meisten Ski-Urlauber seien demnach aus dem Landkreis gekommen und hätten die Krankheit mitgebracht. Außerdem hätten auch die stark betroffenen Seniorenheime für die numerische Ungleichheit in Stadt und Land gesorgt. Ein großer Teil der Corona-Todesfälle war zudem auf Bewohner solcher Einrichtungen zurückzuführen.
Ist der Kreis Schweinfurt verhältnismäßig stark von Corona betroffen?
"Jein", antwortet Matthias Gehrig nachdenklich auf diese Frage. Zwar sei das Virus in der Region, bezogen auf die Infektionszahlen, stark verbreitet. Jedoch müsse man die Werte differenziert betrachtet. So seien zum einen die betroffenen Seniorenheimbewohner mit ihren gesundheitlichen Vorbelastungen nicht mit der Normalbevölkerung gleich zu setzen. Zum anderen verzerre ein weiterer Faktor die Bilanz im Landkreis: "Man darf nicht vergessen, dass wir hier ein Ankerzentrum haben", betont Gehrig.
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Im Ankerzentrum für Geflüchtete der Regierung von Unterfranken in der früheren Conn-Kaserne in Geldersheim stieg die Zahl der dortigen Corona-Infizierten bis Ende April auf 137, bei 577 Bewohnern. Es wurde eine strikte Quarantäne erlassen, niemand durfte das Gelände verlassen. Seit Ende Mai wurde die Quarantäne für die Bewohner wieder aufgehoben. "Wenn man diese Zahlen von unserer Region abziehen würde, dann sähen diese deutlich harmloser aus", so Gehrig.
Teststrecke: "20 Personen pro Stunde"
Sowohl die von der Politik getroffenen Maßnahmen als auch die Arbeit des Schweinfurter Gesundheitsamtes stuft Gehrig als gut ein. Auch die Arbeit an der Teststrecke sei bislang gut verlaufen. Derzeit teste man zwar entsprechend wenige Personen. In den akuten Hochzeiten seien die Kapazitäten jedoch gut ausgelastet gewesen. "Damals haben wir von 9 bis 12 und von 14 bis 16 Uhr, sechs Tage die Woche getestet. Jeweils rund 20 Personen pro Stunde", erinnert sich Gehrig. Als diverse Seniorenheime akut betroffen waren, habe man die Testungen auch entsprechend ausgeweitet.
Auch der Ärger über ein veröffentlichtes Video könne nicht über die gute Arbeit hinwegtäuschen. Am 1. April war ein Mann zur Teststrecke am Alexander-von-Humboldt-Gymnasium gekommen. Der Landkreisbürger wollte wissen, wann er einen Termin für einen Test auf das Coronavirus bekommen kann. Als er kam, war – so seine Schilderung – die Eingangstür nicht verschlossen, niemand vor Ort. Er drehte ein Video und informierte seinen Anwalt sowie eine Boulevardzeitung. Der Anwalt rief die Polizei, erstattete Anzeige gegen unbekannt. Wenig später wurde Robert Wagner von der Stadt wegen Hausfriedensbruchs angezeigt. Der Fall hinterließ eine Menge Fragezeichen, denn beide Seiten beharrten auf ihren Positionen. Rückblickend sagt Matthias Gehrig zu dem Fall: "Auf die Arbeit hatte dieser Vorfall im Nachgang keine Auswirkungen, aber es wurde definitiv morgens auf- und abends zugeschlossen."
Gehrig: "Corona wird bleiben"
Nach prägenden Monaten ist Matthias Gehrig froh, dass der Mehraufwand durch Corona langsam nachlässt. Der 39-Jährige weiß aber auch, dass nun wieder mehr Tagesgeschäft im Landratsamt hinzukommen wird. Und angesprochen auf eine mögliche zweite Welle sagt er klar: "Der Virus ist definitiv nicht verschwunden, Corona wird bleiben, in welcher Form auch immer." Die Lockerungen würden unweigerlich dazu führen, dass man nun wieder mehr Kontakt zu Fremden haben wird. Inzwischen, sagt Gehrig, treten immer wieder positive Corona-Tests bei Menschen ohne Symptomen auf, die wegen einer anderen Behandlung ins Krankenhaus kommen.
Hoffnung mache ihm generell, dass die Menschen – anders als zu Beginn der Pandemie –Hygienekonzepte an die Hand bekommen haben, mit denen man in Zukunft besser auf Infektionsgefahren reagieren könne. Denn eines ist klar: "Vor 200 Jahren wäre Europa noch nicht von der Pandemie betroffen gewesen. Doch das ist heute unsere Welt, man steigt in den Flieger und bringt den Virus einfach mit."