Wald, so weit das Auge reicht? Der Steigerwald ist mehr. Die Keuperberglandschaft zwischen Main, Regnitz und Aisch bietet eine reiche Flora und Fauna. Und sie legt, von Waldwirtschaft bis Weinbau, Zeugnis einer langen und regen Kulturgeschichte ab. Für Einheimische wie Besucher gibt es im Steigerwald viel zu lernen und zu entdecken. Und ein neues Naturparkzentrum (NPZ) soll dabei alsbald wertvolle Arbeit leisten. Dass es kommen wird, ist sicher. Wohin es aber kommt - das entscheidet sich erst noch. Die für Freitag, 30. Oktober, geplante Zusammenkunft der Mitglieder des Naturpark Steigerwald wurde aufgrund der aktuellen Corona-Lage verschoben, ein neuer Termin steht derzeit noch nicht fest.
Das NPZ betreiben wird der 1971 gegründete Verein Naturpark Steigerwald mit Sitz in Scheinfeld. In dem Bewusstsein, dass ein Naturparkzentrum ein Prestigeobjekt ist, hatten zahlreiche Kommunen ein Standortkonzept vorgelegt. Vier Vorschläge haben es in die Endrunde geschafft. Eigentlich wollten sich am 30. Oktober die Mitglieder des Naturpark Steigerwald e.V. - über 50 Landkreise und Kommunen mit Anteil am Steigerwald - im Schloss Reichmannsdorf im Landkreis Bamberg versammeln. "Nach Möglichkeit", wie es seitens des Vereins heißt, küren sie dort den Sieger des Standortwettbewerbs. Doch aufgrund der derzeitigen hohen Corona-Zahlen wurde die Versammlung verschoben.
Anfang des Monats erst hat die Mitgliederversammlung des Naturparks Haßberge über den Standort ihres Naturparkzentrums entschieden: Mit sieben zu drei Stimmen ging die Wahl zugunsten von Königsberg aus. Auch die Stadt Ebern hatte sich beworben.
Die neuen Richtlinien für die Förderung von Naturparks in Bayern, die im April in Kraft getreten sind, waren nun auch ausschlaggebend für das Engagement im Steigerwald: Das bayerische Umweltministerium spendiert für die Errichtung eines solchen Zentrums bis zu zwei Millionen Euro. Und schießt für den laufenden Unterhalt pauschal 200 000 Euro im Jahr zu. Deshalb steckt der Freistaat auch den groben inhaltlichen, personellen und baulichen Rahmen ab: Aufgabe der Zentren ist es vorrangig, die Begeisterung für Natur und Region zu wecken und das nötige Hintergrundwissen zu vermitteln. Dafür verlangt München eine Gesamtfläche von mindestens 400 Quadratmeter, setzt Barrierefreiheit voraus und sieht auch Ranger in den Zentren vor.
Doch die Kommunen, die sich als Standort bewerben und dazu ein eigenes Konzept vorlegen, haben Gestaltungsspielraum. Und so versuchen die vier Bewerber mit unterschiedlichen Schwerpunkten zu trumpfen. Den Hut in den Ring geworfen haben (in alphabetischer Reihenfolge) Gerolzhofen mit seiner Stadthalle, Iphofen mit einem ehemaligen Gutshof auf dem Schwanberg, Knetzgau/Oberaurach mit dem Marswaldspielplatz und Scheinfeld mit dem ehemaligen Amtsgericht.
Gerolzhofen: Ein Erlebnisweg vom Naturparkzentrum zum Steigerwaldzentrum
Hier handelt es sich um ein interkommunales Projekt der Stadt Gerolzhofen mit Handthal - mit jenem Teil der Marktgemeinde Oberschwarzach im Landkreis Schweinfurt also, im dem seit 2014 das Steigerwaldzentrum der Bayerischen Forstverwaltung beheimatet ist. Dieses beleuchtet vor allem die nachhaltige Waldwirtschaft im Steigerwald. Eine Thematik, die das neue NPZ, egal wo, folglich allenfalls am Rande streifen darf.
Ein Naturparkzentrum in Gerolzhofen würde sich in erster Linie mit der Kultur im Steigerwald befassen und sich auf "Bildung, Information und Digital" konzentrieren. Gerolzhofen will als großer Schulstandort, mit seinen Kindergärten und der Volkshochschule punkten. Hier sieht das Projekt viele Anknüpfungspunkte an die Bildungsangebote des Naturparkzentrums. Den Initiatoren schwebt ein Naturpark-Erlebnisweg vor, der "vorbei an Wald, Bächen und Streuobstwiesen" beide Zentren miteinander verbindet. Das Motto: Miteinander statt gegeneinander.
Als Pluspunkte sieht man es in "Geo", dass die Stadthalle an der Dingolshäuser Straße über viel Ausstellungsfläche sowie über Bür0- und Gastronomieräume verfügt. Auch die gute Lage an der Bundesstraße 286, die vielen Parkmöglichkeiten in der näheren Umgebung und die Erfahrung mit mehreren Hunderttausend Besuchern im Jahr bei Stadtfesten, im Badeparadies Geomaris und im Takka-Tukka-Abenteuerland werfen die Bewerber in die Waagschale.
Iphofen: Mittelwald und Schmetterlings-Eldorado
Hier soll das NPZ auf dem Schwanberg (Landkreis Kitzingen) in direkter Nachbarschaft zum Jugendhof und dem Keltenspielplatz thronen. Der von Wald und Wiesen umgebene Standort mit seiner weiten Sicht vom Schwanberg aus über den Steigerwald hinweg liegt etwa neun Kilometer von Iphofen und fünf Kilometer von Rödelsee entfernt. "Losgelöst von einer Ortschaft" zu sein, inmitten von Grün und Natur, sieht man in Iphofen als Trumpf. Die Stadt ist bereit, bis zu drei Millionen in den Umbau des Gutshofs zu investieren und nimmt auch Betriebskosten von 300 000 Euro pro Jahr in Kauf.
Nach Ansicht der Bewerber bietet der Standort thematisch viele Möglichkeiten. Ganz vorne dabei ist das Kulturerbe Mittelwald, insbesondere die lichten Eichenwälder, wie sie bis heute um Iphofen herum genutzt werden: Noch heute haben Bürger, die innerhalb der Iphöfer Stadtmauer wohnen und eine Feuerstelle besitzen, das Recht, das Unterholz einer zugelosten "Laube" zu nutzen. Das NPZ könnte sich daneben mit Biodiversität auf Streuobstwiesen und Weideland beschäftigen und ein Augenmerk auf Spiritualität und geistige Gesundheit legen. Und dann wären da noch das Schmetterlings-Eldorado am Schwanberg und die vielfältige wärmeliebende Flora und Fauna seiner Hanglandschaften.
Knetzgau/Oberaurach: Auf grüner Wiese inmitten imposanter Buchenwälder
In einer Hinsicht hat die Bewerbung aus dem Landkreis Haßberge in jedem Fall Alleinstellungsmerkmal: Sie bietet für das NPZ keine bestehende Immobilie an, sondern lediglich ein Wiesengrundstück am Rande des Marswaldes zwischen den Ortschaften Zell am Ebersberg und Oberschleichach. Kein Nachteil, glaubt man in der Allianz der " 5-Sterne-Gemeinden" Knetzgau, Oberaurach, Eltmann, Sand und Rauhenebrach, aus denen heraus die Initiative kommt: Ein Neubau etwa in Holzbauweise könnte unter Beweis stellen, was moderne Architektur in Sachen Ästhetik, Nachhaltigkeit, Barrierefreiheit und Pädagogik zu leisten vermag.
Was die 5-Sterne-Gemeinden inhaltlich bieten wollen: Ihr Standort (auf Knetzgauer und Oberauracher Gemarkung) läge mitten in den imposanten Buchenmischwäldern, die ja Sinnbild für den Steigerwald sind. Vom Marswaldspielplatz könnten die Besucher bequem eine Wanderung starten, etwa durch den 850 Hektar großen Naturwald Knetzberge-Böhlgrund. Die Buchenwälder, ihre Bedeutung für Mensch und Natur und ihre Veränderungen im Zuge des Klimawandels wären die zentralen Aspekte des NPZ, das auch von der Nähe zum Umweltbildungszentrum in Oberschleichach und der Ökologischen Forschungsstation der Universität Würzburg in Fabrikschleichach profitieren möchte.
Scheinfeld: Fokus auf Bayern größtes Arten- und Biotopschutzgebiet für Vögel
Auch in Scheinfeld (Landkreis Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim) weiß man, dass ein Naturparkzentrum die naturräumlichen und kulturlandschaftlichen Hauptmerkmale des Steigerwaldes unabhängig vom Standort erzählen muss. Nichtsdestotrotz setzt der einzige Bewerber aus Mittelfranken ganz bewusst einen eigenen Schwerpunkt: Vögel. Im südlichen Steigerwald liege Bayern größtes Arten- und Biotopschutzgebiet für Vögel, auch der nördliche Steigerwald gelte längst als Geheimtipp unter Ornithologen. Also sollen Weißstorch, Schwarzstorch oder Kuckuck im Brennpunkt des NPZ stehen - auch weil Vögel seit Jahrhunderten zu den wichtigsten Indikatoren für die ökologische Qualität von Natur und Kulturland stehen. Das Thema sei somit viel politischer als es erscheine, argumentiert Scheinfeld.
Das Amtsgericht an der Schwarzenbergerstraße erfüllt der Bewerbung zufolge "alle staatlichen Vorgaben locker", bietet drei Etagen mit großen Ausstellungsflächen, Büro- und Sanitärräume, 6000 Quadratmeter Garten, Glasfaseranschluss, Bushaltestelle und Parkplatz direkt vor der Tür. Die Generalsanierung würde etwa drei Millionen Euro kosten, der laufende Betrieb zwischen 200 000 und 300 000 Euro. Und dann hat Scheinfeld noch einen Trumpf im Ärmel: Das alte Amtsgericht sei groß genug, um bequem auch die Geschäftsstelle von Naturpark Steigerwald e. V. aufzunehmen. Die befindet sich schon jetzt nur ein paar hundert Meter entfernt in der Scheinfelder Hauptstraße.
Hinweis der Redaktion: Die für Freitag, 30. Oktober, geplante Zusammenkunft der Mitglieder des Naturpark Steigerwald wird aufgrund der aktuellen Corona-Lage verschoben, ein neuer Termin steht derzeit noch nicht fest.
Ich zitiere:
"2015: Eröffnung des Steigerwald-Zentrums in Handthal, dessen Schwerpunkt auf nachhaltiger Waldwirtschaft liegt."