
Rosika Pfaff stand mitten im Leben, war aktiv und beruflich erfolgreich. Doch eines Morgens wacht sie auf und kann nichts mehr sehen. An diesem Tag im Januar 2010 beginnt für die heute 65-jährige Schweinfurterin eine Odyssee durch Arztpraxen und Kliniken, bis nach einem Jahr die Diagnose feststeht: Sarkoidose, eine chronisch verlaufende entzündliche Erkrankung, die sich auf fast alle Organe des Körpers ausbreiten kann.
Bei Rosika Pfaff sind inzwischen nicht nur die Augen betroffen, sondern auch Gehirnzellen zerstört, die Lunge geschädigt, Gelenke und Knochen involviert. "Mein ganzer Körper ist eine Baustelle."
Die Krankheit Sarkoidose wird durch eine fehlerhafte Reaktion des Immunsystems verursacht. In Mitteleuropa sind etwa 40 von 100.000 Menschen betroffen. Sarkoidose zählt damit zu den Seltenen Erkrankungen. Deren gemeinsames Merkmal ist, dass nur höchstens fünf von 10.000 Menschen dieses spezifische Krankheitsbild aufweisen. Auch wenn das auf den ersten Blick nur wenig Leute sind, geht es doch um die Gesundheit von Millionen Menschen. Der "Tag der Seltenen Erkrankungen" am Freitag, 28. Februar, soll ihnen und ihrer Krankheit mehr Aufmerksamkeit verschaffen.
Rosika Pfaff will seltenen Erkrankungen (SE) in Schweinfurt ein Gesicht geben. Deshalb geht sie mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit. Sie will kein Mitleid, sondern informieren. "Es gibt zu wenig Wissen. Bei Seltenen Erkrankungen fällt man einfach durchs Raster."
Schon die Diagnose kann mitunter Jahre dauern. Bei Rosika Pfaff tippten die Ärzte anfänglich auf eine Augenentzündung. Nach sechs Wochen Kortisonbehandlung konnte die damals 50-Jährige zwar wieder sehen, doch drei Wochen später verschwand die Außenwelt wieder hinter einem Milchglasschleier. Alles fing von vorne an. Allein im ersten Jahr hatte Rosika Pfaff fünf Entzündungsschübe.
Behandlungen in Spezialkliniken
Ein Jahr mit vielen Untersuchungen und Behandlungen dauerte es, bis am Universitätsklinikum Tübingen Sarkoidose diagnostiziert wurde. "Ich hatte davon noch nie gehört", gesteht Rosika Pfaff. Die anfänglichen Beschwerden waren mit Kortison noch in den Griff zu kriegen, doch von Jahr zu Jahr kamen immer mehr Entzündungsschübe. Seit zwölf Jahren nimmt sie nun Immunsuppressiva. Diese hemmen überschießende Immunreaktionen, die Entzündungen und Gewebezerstörungen auslösen.
Der Nachteil: Wird das Immunsystem heruntergefahren, fehlen die Abwehrkräfte, um sich vor bestimmten Erkrankungen zu schützen. Infektionen, Leber- und Nierenfunktionsstörungen oder Hautkrebs können die Folge sein. Rosika Pfaff wurden bereits zwei Hautkarzinome im Gesicht entfernt.
Systemische Autoimmunerkrankungen verlaufen in Schüben. Mal geht es Rosika Pfaff gut, mal sehr schlecht. Neben der Behandlung an Spezialkliniken in Würzburg, Tübingen und Erlangen nimmt sie auch psychologische Betreuung in Anspruch, um mit der Erkrankung positiv umzugehen und Ängste abzubauen. Angst zum Beispiel vor dem nächsten Schub. Der Letzte war im September vergangenen Jahres. Er kam mitten in der Nacht, mit Schweißausbrüchen, Herzrasen und hohem Blutdruck.

"Nach jedem Schub ist nichts mehr wie vorher", sagt die zierliche Frau. Über ihre gesamte linke Körperseite hat sich inzwischen ein Taubheitsgefühl ausgebreitet. Die 65-Jährige kann nur noch am Rollator gehen. Die Krux: Das medizinische Gefährt ist zu breit für manche Zimmertür. Den Balkon ihrer Wohnung im 22. Stockwerk des Hochhauses mit der grandiosen Aussicht über Schweinfurt kann sie deshalb nicht mehr nutzen und ohne fremde Hilfe das Haus überhaupt nicht mehr verlassen.
Es gibt zwar einen Aufzug, doch die fünf Treppenstufen vom Erdgeschoss bis zur Eingangstür sind für die 65-Jährige ein unüberwindbares Hindernis. Das von der Hausverwaltung der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft (SWG) angebrachte Schienenkonstrukt sei zu steil, um den Rollator rauf oder runter zu schieben, und der ausklappbare Plattformlift von einer gehbehinderten Person alleine "unmöglich zu bedienen".
Kampf mit den Behörden
Seit eineinhalb Jahren sucht Rosika Pfaff nun schon nach einer barrierefreien Wohnung in Schweinfurt, hat unter anderem bei der SWG und dem Bauverein angefragt. Bislang ergebnislos. Dank der Fürsprache von SPD-Stadträtin Kathi Petersen stehe sie jetzt zumindest beim Bauverein auf der Warteliste, allerdings erst nach Offenlegung ihrer Ersparnisse, weil ihre Schwerbehindertenrente als zu niedrig für die Anmietung einer Wohnung erachtet worden sei.

Überhaupt: "Der Kampf mit den Behörden kostet mehr Kraft, als sich mit der Krankheit zu arrangieren", sagt Rosika Pfaff. Inzwischen habe man ihr einen Schwerbehindertengrad von 70 zuerkannt, dank Unterstützung des VdK.
Trotz körperlicher Einschränkungen und chronischer Schmerzen versucht die 65-Jährige, ihren Haushalt alleine zu bewältigen. Einkäufe erledigt ihr Sohn, für die Begleitung zu Arztbesuchen reist ihr Bruder aus Dinkelsbühl an. Trotz Krankheit und Beschwernissen: Rosika Pfaff hat ihren Lebensmut nicht verloren. An ihrer Wohnungstür hängt ein Schild mit der Aufschrift: "Glück ist zu wissen, einen weiteren Tag geschafft zu haben."
Was sich die 65-Jährige in diesem Zusammenhang aber wünscht: Erleichterung bei Behördengängen und mehr öffentliche Aufmerksamkeit für die Probleme von Menschen mit Seltenen Erkrankungen. "Ich mache das nicht nur für mich, sondern für viele andere in ähnlicher Situation, die vielleicht nicht den Mut dazu haben."