
Die AfD wird nun auch in Bayern als Gesamtpartei vom Verfassungsschutz beobachtet. Damit ist zumindest theoretisch das Abhören von Telefonen oder der Einsatz von V-Leuten erlaubt. Der Schritt "dient der Aufklärung, inwieweit in der AfD als Gesamtpartei Bestrebungen vorliegen, die den Kernbestand des Grundgesetzes zu beeinträchtigen oder zu beseitigen versuchen", heißt es aus dem Innenministerium in München.
Innenstaatssekretär Kirchner: Die Bayern-AfD kann man nicht vom Rest der Partei abgrenzen

"Das hat sich abgezeichnet", kommentiert Innenstaatssekretär Sandro Kirchner den Schritt im Gespräch mit der Redaktion. "Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte ja schon entschieden und die AfD zum Beobachtungsfall gemacht. Da ist es nur naheliegend, dass auch Bayern tätig wird. Den bayerischen Landesverband kann man schließlich nicht vom Rest der AfD abgrenzen", sagt der CSU-Politiker aus dem Raum Bad Kissingen.
Unterfränkischer AfD-Chef Richard Graupner: Entscheidung "nicht überraschend"
Auch für die AfD komme die Entscheidung "nicht überraschend", sagt der unterfränkische Parteichef Richard Graupner. Nicht weil die Beobachtung "in der Sache begründet wäre, sondern weil es sich abgezeichnet hat, dass weitere Länder nachziehen".

Schon im März 2021 hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz die Partei als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Eine Klage der AfD dagegen hat das Verwaltungsgericht Köln Anfang dieses Jahres abgewiesen. Es gebe ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei, führte das Gericht zur Begründung aus.
AfD spricht von politischem Manöver vor der Landtagswahl
Mehrere Bundesländer haben die AfD inzwischen unter Beobachtung gestellt, zuletzt Hessen. In Bayern waren bislang nur die Nachwuchsorganisation der AfD, die "Junge Alternative", sowie etwaige Nachfolgeaktivitäten des offiziell aufgelösten rechtsnationalen "Flügels" beobachtet worden. Dass seine Partei nun als Ganzes im Freistaat beobachtet wird, ist für Graupner "ein politisches Instrument vor der Landtagswahl" im Herbst 2023. "Der Verfassungsschutz hat nichts in der Hand. Keine neuen Erkenntnisse", so der Landtagsabgeordnete aus Schweinfurt.
CSU-Mann Kirchner hält dagegen: "Die Beobachtung verfassungsfeindlicher Gruppierungen und Parteien richtet sich ausschließlich nach den gesetzlichen Vorschriften und nicht nach politischen Vorgaben." Es handle sich um eine Entscheidung des Verfassungsschutzes.
Abgeordnete sind von der Beobachtung ausgenommen
Graupner ist nach dem Parteiaustritt des früheren Bezirkschefs Christian Klingen der einzige unterfränkische AfD-Abgeordnete im Landtag. Für den Schweinfurter selbst dürfte daher die Beobachtung durch den Verfassungsschutz kaum persönliche Konsequenzen haben: Die AfD-Abgeordneten sind von der Beobachtung ausgenommen, geschützt durch ihr Mandat. Anders sieht es für die anderen 399 der insgesamt laut Graupner 400 AfD-Mitglieder in Unterfranken aus.
"Wir klären natürlich nach Innen auf", beschreibt Graupner die Strategie der AfD und betont: "Der Verfassungsschutz darf schließlich jetzt nicht ins Blaue hinein alles tun." Es müssten im Einzelfall konkrete Hinweise vorliegen, die geheimdienstliche Mittel rechtfertigen.
Was der Verfassungsschutz darf
Tatsächlich hieß es vom Verfassungsschutz, dass die jüngste Entscheidung nicht bedeute, dass automatisch alle Maßnahmen gesetzlich erlaubt sind. "Der Verfassungsschutz wird nun Informationen sammeln und auswerten", erklärt Innenstaatssekretär Kirchner. Dabei könne er sich offener Quellen, wie Zeitungsberichte, Reden oder Aktivitäten auf Social Media, bedienen. "Und er kann Informationen mithilfe nachrichtendienstlicher Mittel sammeln", allerdings nur "soweit das geboten und verhältnismäßig ist".
Kirchner und der Verfassungsschutz weisen darauf hin, dass "im Rahmen der Verhältnismäßigkeit" beim Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel zu berücksichtigen sei, "dass die AfD noch nicht als erwiesen extremistisch eingestuft ist".
AfD verliert in der Region "tröpfchenweise" Mitglieder
Dass die Beobachtung durch den Verfassungsschutz in der Unterfranken-AfD Besorgnis erregt, bezweifelt Graupner. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das jetzt negativ auswirkt", sagt er. Gleichwohl gingen die Mitgliederzahlen "seit ein oder zwei Jahren" in der Region "tröpfchenweise nach unten", so Graupner. Der Trend lasse sich auch auf Landes- und Bundesebene beobachten. Es gibt aber "keine Austrittswelle aus konkreten Gründen", betont Graupner.
Unterdessen kündigte der AfD-Landesvorsitzende Stephan Protschka an, man werde den Bericht des Landesamts für Verfassungsschutz genau studieren "und rechtliche Schritte dagegen einleiten".
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