
Polarnacht – das klingt romantisch, atemberaubend, nach einem einmaligen Ereignis. Doch weit gefehlt! In der Antarktis, wo Johannes Schötz seit Dezember als Elektrotechniker auf der deutschen Forschungsstation Neumayer III arbeitet, ist das Phänomen eine echte Herausforderung.
Denn in dieser Zeit geht die Sonne nicht mehr auf – und zwar monatelang. Die Folge: Es herrscht weitgehende Dunkelheit im ewigen Eis. Direkt am Südpol hält dieser Zustand ein halbes Jahr an, an der gut 2000 Kilometer nördlich gelegenen Station immerhin noch zwei Monate.
Lange Zeit kein Tag-Nacht-Wechsel und nur Dämmerlicht
Seit 21. Juli ist es damit endlich vorbei: An diesem Tag kam die Sonne nach langer Pause erstmals wieder über den Horizont. Es muss ein unvergesslicher Moment der Erleuchtung gewesen sein, im buchstäblichen Sinne. Der aus der Marktgemeinde Oberschwarzach (Lkr. Schweinfurt) im Steigerwald stammende Schötz erinnert sich jedenfalls sehr gut daran, wie er der Redaktion berichtet.
"An dem Tag, als die Polarnacht endete und der Tag startete, auch wenn er nur sehr kurz war, konnten wir die ersten und lang ersehnten Sonnenstrahlen direkt auf der Haut genießen. Zwar war es nur auf den winzigen Stellen des Jochbeins, der Augenhöhlen und etwas von der Stirn, der Rest war gut verpackt." Denn es war bitterkalt: Um die minus 25 Grad herrschten in jenem Moment.
In den Monaten davor gab es keinen Tag-Nacht-Wechsel, wie man ihn in der fränkischen Heimat kenne, teilt er weiter mit. Ab dem 21. Mai ging die Sonne nicht mehr auf, "das einzige Licht, welches wir hatten, war ein Dämmerlicht".
In den folgenden Wochen wurden die Nächte immer länger. Aufgrund des Standortes von Neumayer III habe in der Nacht vom 20. auf 21. Juni jedoch keine komplette Finsternis geherrscht: "So konnten wir um die Mittagszeit für zwei, drei Stunden gerade so Zeitung lesen."
Stundenlange Polarlichter und plötzliche Fata Morganas
Das Phänomen verlangte den Menschen vor allem in psychischer Hinsicht einiges ab, den Maschinen vor allem die zunehmende Kälte. Der absolute Tiefpunkt war Mitte Juli mit minus 46,8 Grad Celsius erreicht. Verantwortlich für derart tiefe Temperaturen sind laut Schötz die katabatischen Winde; jene Fallwinde entstehen, vereinfacht gesagt, wenn sich die Luft in der Antarktis abkühlt.
Gerade in dieser Zeit boten sich dem Stationsteam fantastische Naturschauspiele: zum Beispiel Fata Morganas, also Luftspiegelungen. "Dadurch waren plötzlich fliegende Eisberge unterwegs. Und wenn man weit weg von der Station unterwegs war, sahem diese verdächtig nah aus."

Zugleich gab es fast keine Woche ohne Stürme. Wenn es doch einmal ruhig blieb und keine Wolken unterwegs waren, zeigte sich ein nicht zu vergleichender Sternenhimmel.
Eine weitere spektakuläre Erscheinung war für den Oberschwarzacher die sogenannte Aurora australis, besser bekannt als Polarlichter: "Sie tanzten über Stunden am Nachthimmel." Wie ein Hurrikan hätten sie sich im Kreis gedreht oder seien wie eine Welle sanft über den Himmel geschwappt, meist in Grün, manchmal an den Enden mit einem Magenta-Farbton.
Fotoaufnahmen bei eisiger Kälte eine Herausforderung
Solche intensiven Polarlichter zu fotografieren, war ein großes Problem, wie Johannes Schötz erklärt: "Bei um die minus 40 Grad haben Kamera und Batterien nach gewisser Zeit die Funktion eingestellt." Deshalb war eine externe Spannungsversorgung nötig, die zwar die Aufnahmezeit verlängerte, aber irgendwann auch nicht mehr der argen Kälte gewachsen gewesen sei.

So musste alles ganz schnell gehen. "Die Kamera wurde ausgerichtet, eingestellt, eine Testaufnahme gemacht, kurzer Check, ob alles passt und dann das Intervall laufen lassen, Finger wieder eingepackt. Der Rest war wie ein Glücksspiel."
Ob der Versuch erfolgreich war, erfuhr er erst am folgenden Morgen, als die eingefrorene Kamera in Handtüchern und Tasche eingesammelt und langsam über den Tag aufgetaut wurde, sodass kein Tauwasser entstand.

Auch dank solcher beeindruckenden Erlebnisse ist das Neumayer III-Team gut durch die Zeit der nahezu völligen Finsternis gekommen. Gerne hätte Schötz noch weiter die atemberaubenden Sternenhimmel und Polarlichter bewundert; doch zum anderen ist er froh, seit einigen Wochen wieder einen Tag erleben zu dürfen. "Mit etwas Abstand merke ich, wie gut dieser Rhythmus für das eigene Wohlbefinden ist."
Seit der Polarnacht holt die Sonne seinen Angaben zufolge nun Tag für Tag den Rückstand auf und zog bis zum 21. September mit der Nacht gleich. Jetzt hat sie die Führung im Tagesverlauf übernommen, bis sie Mitte November nicht mehr untergehen wird. Ab diesem Zeitpunkt beginnt dann der Polartag – es ist die nächste große Herausforderung auf der Station in der Eiswüste.