Unter dem Titel "Heißer Herbst gegen soziale Kälte" lädt die Linke in Schweinfurt an diesem Freitag, 2. Dezember, in die Stadthalle. Beginn ist um 18 Uhr, als Rednerin angekündigt ist Sahra Wagenknecht, neben Gregor Gysi das bekannteste Gesicht der Partei im Bundestag. Aber auch das umstrittenste. Seit Wochen wird spekuliert, dass die 53-Jährige die Linke schon bald verlassen und eine neue Partei gründen könnte. Hintergrund ist ein Richtungsstreit, der bis nach Unterfranken Wellen schlägt.
Klaus Ernst und Frank Firsching sind die bekanntesten Linken in der Region. Beide sind Gewerkschafter und ehemalige Sozialdemokraten, die die Schröder-SPD wegen ihres ihrer Ansicht nach neoliberalen Kurses verließen. Beide gehörten 2005 zu den Gründungsmitgliedern der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG), die 2007 mit der PDS zur Linkspartei fusionierte. Beide - Ernst als Bundestagsabgeordneter, Firsching als Oberbürgermeisterkandidat und Fraktionschef im Stadtrat - bescherten der Schweinfurter Linken seitdem regelmäßig bayernweite Spitzenergebnisse. Und beide hadern mittlerweile mit ihrer Partei.
Der 68 Jahre alte Klaus Ernst, der von 2010 bis 2012 Bundesvorsitzender der Linken war, gilt als enger Vertrauter von Wagenknecht. Für viele Linke ist die 53-Jährige ein rotes Tuch - spätestens seit sie im Bundestag der Ampel-Regierung vorwarf, mit den Sanktionen gegen Russland wegen des Überfalls auf die Ukraine habe sie einen "Wirtschaftskrieg" vom Zaun gebrochen. Er gelte nicht Putin, sondern schade vielmehr der deutschen Bevölkerung, die nun unter extrem gestiegenen Energiepreisen und hoher Inflation leiden müsse, meint Wagenknecht. Eine Position, die der Schweinfurter Abgeordnete teilt.
Klaus Ernst lässt offen, ob er bei einer neuen Partei dabei ist
Für Ernst sind die Russland-Sanktionen nur ein Streitpunkt von vielen. Vor allem wirft er seiner Partei vor, sie gebe die Themen auf, wegen der sie einst gegründet wurde, allen voran die "Interessensvertretung der abhängig Beschäftigten". Stattdessen beschäftige man sich lieber mit Geschlechtergerechtigkeit oder dem Kampf gegen Rassismus. "Wichtige Dinge", räumt der 68-Jährige ein, "aber eher die Kür" neben der Pflicht, für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Ob er sich an einer Partei-Neugründung durch Wagenknecht beteiligen würde? Ernst: "Das lasse ich mir offen, falls es so weit kommt."
Frank Firsching teilt die Kritik von Ernst im Wesentlichen. Als DGB-Regionalgeschäftsführer treffe er immer wieder Kollegen in den Betrieben, "die mir sagen, sie seien aus der Linken ausgetreten" - wegen der Vernachlässigung ökonomischer Themen. Die Parteispitze fixiere sich zu sehr auf Fragen der Identitätspolitik, sagt Firsching, "dabei gibt es auch Schwule und Muslime, die Ausbeuter sind".
Frank Firsching konzentriert sich auf die Stadtratsarbeit
Diskussionen auf Parteitagen meide er mittlerweile, sagt der 58-Jährige. "Es geht immer gleich um alles oder nichts. Das nervt." Er konzentriere sich auf die Stadtratsarbeit in Schweinfurt. In der Fraktion dort spielten die Querelen in der Bundespartei keine Rolle. Auf die Frage nach seiner Zukunft in der Partei antwortet Firsching: "Ich bin bis 2026 für die Linke als Stadtrat gewählt - und ich werde es auch bleiben."
Für mehr Miteinander in der Linken plädiert Robert Striesow. Der 35-Jährige ist Co-Vorsitzender des Kreisverbands Schweinfurt. Mit 105 Mitgliedern sei die Linke in Schweinfurt, bezogen auf die Einwohnerzahl, trotz einiger Austritte noch immer einer der größten Kreisverbände in Bayern. Striesow bedauert, "dass in der Partei zuletzt vieles an Konsens verloren gegangen ist". Dabei lägen die Ansichten weniger weit auseinander als es manche Debatte vermuten lasse. Wagenknechts Positionen könne er zu 95 Prozent teilen, "bei den übrigen fünf Prozent passt mir das Wording nicht". So hätte er sich von ihr mehr Solidarität mit der Ukraine gewünscht, sagt Striesow.
"Vor allem als Medienthema" sehen Anna-Maria Dürr, Stadträtin in Würzburg, und Aaron Valent, Co-Vorsitzender des 120 Mitglieder starken Linke-Kreisverbands Würzburg, die Debatte um Wagenknecht. Sie teile nicht jede Äußerung der 53-Jährigen, fände es aber "sehr schade", wenn sie die Partei verlassen würde, sagt Dürr. Sie kenne die Linke, der sie seit 2018 angehört, "nur als chaotische Partei", sagt die 34-jährige Stadträtin. Gerade deswegen fühle sie sich dort wohl.
Aaron Valent sieht Platz für beide Seiten
"Bei uns im Kreisverband ist für viele linke Positionen Platz", betont der 25-jährige Valent, der seit zwei Jahren Mitglied der Linken ist. Seiner Ansicht nach könne die Partei sehr wohl gleichermaßen gegen "kapitalistische Ausbeutung" und die Diskriminierung von Minderheiten eintreten. Für Dürr und Valent ist es auch kein Widerspruch, am Nutzen von Waffenlieferungen zu zweifeln und dennoch die Menschen in und aus der Ukraine zu unterstützen. Anna-Maria Dürr: "Der Millionenspende für humanitäre Zwecke hat die Linke im Stadtrat gerne zugestimmt."
Simone Barrientos schüttelt mit dem Kopf, wenn sie hört, dass Sahra Wagenknecht nach Schweinfurt kommt. "Das gibt der bayerischen Linken den Rest", spottet die 59-Jährige aus Ochsenfurt (Lkr. Würzburg). Im September 2021 war Barrientos aus dem Bundestag ausgeschieden, nach Putins Überfall auf die Ukraine hat sie die Linke dann verlassen. Das "Verständnis für Russland", das viele Parteifreunde und -freundinnen in Berlin geäußert hätten, habe das Fass zum Überlaufen gebracht.
Den Vorwurf von Klaus Ernst, die Linke habe ihren Markenkern aufgegeben, kann Barrientos nicht nachvollziehen. Es sei falsch, den Einsatz für gerechte Löhne gegen das Engagement für andere benachteiligte Gruppen auszuspielen, sagt die frühere Bundestagsabgeordnete: "Das führt zur Entsolidarisierung, das ist nicht links."
Schöner Gruß von einem ehemaligen Kriegsdienstverweigerer.
"Näher mein Gott zu mir"
Inständigst bitte ich um die selbe Kollision bei der" MS AfD".
Das wird sich nicht ändern.
Diese unsäglichen Direktmandate verfälschen immer die politische Situation.
Linke als Nachfolger der SED…
Niemals!!!