Ein Ort, wo wir gebraucht werden, mit allen Höhen und Tiefen, so fasst Mitarbeiter Stefan zusammen, was ihm das Reha- und Arbeitswerk (RAW) der Lebenshilfe bedeutet. Hier arbeiten Menschen, die aufgrund ihrer psychischen Beeinträchtigungen nicht oder noch nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sind. "Bei allen erlernten Fähigkeiten durfte ich hier vor allem zwei Sachen lernen: Akzeptanz und Toleranz." Beim Tag der offenen Tür im RAW, einer der sechs Werkstätten der Lebenshilfe, konnte man sich anschauen, was hier alles produziert wird, was das Konzept ist.
Vor 15 Jahren gab es den letzten Tag der offenen Tür, erzählt Leiter Jürgen Hergenröder. Ein Grund für die lange Pause: Viele Menschen scheuen sich davor, zuzugeben, dass sie eine psychische Erkrankung haben. Sie möchten nicht, dass das bekannt wird, befürchten negative Reaktionen ihrer Umgebung.
Deswegen gab es länger keinen Tag mit Führungen und Einblicken. "Es gibt Mitarbeiter, die haben heute extra freigenommen", sagt Hergenröder. Sie möchten nicht in die Öffentlichkeit. Andere dagegen möchten zeigen, welche Angebote es beim RAW gibt, sie wollen Mut machen.
Krise in der Großindustrie wirkt sich auch auf Lebenshilfe-Werkstatt aus
Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des RAW arbeiten auch für die Großindustrie – von der Montage über die Verpackung zur Etikettierung. Die Krise merkt man auch hier. "Wir leiden, wenn es der Industrie schlecht geht", sagt Hergenröder. "Wir befürchten, dass schwere Zeiten auf uns zukommen." Deswegen läuft die Suche nach neuen Auftraggebern. Kräuterverpacken ist seit kurzem ein neues Standbein.
Was wird noch alles gemacht? Digitale Archivierung zum Beispiel. Vom datensicheren Transport der Dokumente bis zum Einscannen über Digitalisieren von Fotos und Zeitschriften reicht das Angebot. T-Shirts mit Vereinswappen, Taschen mit Firmenlogo, Handtücher mit Monogramm oder witzige Filzanhänger – das produziert die Textilwerkstatt. Sie ist eigentlich in einem anderen Gebäude, zum Tag der offenen Tür kam das Team aber in das RAW-Gebäude in der Londonstraße 26.
Kein Druck bei der Arbeit
Kein Druck. "Das ist das Wichtigste", betont Hergenröder, der mit seinem Stellvertreter Dieter Eckhoff durch das Gelände führt. Die Arbeit sei für die Menschen sehr wichtig. Sie biete eine Stütze, gebe einen Rhythmus im Alltag. "Alle lieben ihren Arbeitsplatz", ist er überzeugt. Und auch bei den Gruppenleitern habe man keine Probleme, Personal zu finden. "Man bekommt hier viel zurück", beobachtet Hergenröder. Kein Leistungsdruck, trotzdem alles qualitativ erledigen. So fasst es Walter Miller vom Werkstattrat zusammen. Das Ziel für alle sei, wieder auf den ersten Arbeitsmarkt zu kommen.
Das RAW-Team freut sich über jeden und jede, der oder die zurück in den regulären Arbeitsmarkt kommt, sagt Hergenröder. Dafür sorgen auch Qualifizierungsangebote, therapeutische Gruppenangebote. "Hier geht es nicht um höher, schneller, weiter." Konrad Schneider, vom Vorstand der Lebenshilfe formuliert es so: "Es geht um das Wohl des Menschen."