"Tee oder Kaffee?" Die Menschen, die da gerade in der Theresienstube im Maria-Theresia-Haus Platz genommen haben, werden nicht oft gefragt, welches Getränk ihnen lieber ist, und wahrscheinlich gibt es in ihrem Alltag nicht viele Situationen, in denen ihnen das Heißgetränk auch noch mit einem Lächeln an den Tisch gebracht wird. Für etwa 30 Frauen und Männer, die in ärmlichen Verhältnissen oder gar auf der Straße leben müssen, wird die Theresienstube in der Theresienstraße täglich zur Wärmestube, zum Ankerplatz, wo sie zuverlässig ein warmes Mittagessen und – mindestens genauso wichtig – eine Portion "Herzenswärme" und eine Auszeit vom Alltag bekommen.
Seit zehn Jahren unterhält die Kongregation der Schwestern des Erlösers, die auch Träger des St. Josef Krankenhauses ist, die Theresienstube. Im Gedanken Werke der Barmherzigkeit zu verwirklichen, sich einzusetzen für die Verpflegung armer und kranker Menschen, legte Mutter Alfons Maria Eppinger einst den Grundstein für die "Armenstuben" des Ordens. Helfen, wo Hilfe gebraucht wird, dieses zentrale Anliegen des Ordens wurde auch in Schweinfurt schon früh in die Tat umgesetzt.
Bereits zu Zeiten der Gründung der Hauswirtschafts- und Nähschule 1907 wurden Bedürftige mit den Grundlagen für ein menschenwürdiges Leben versorgt. Auf Initiative von Schwester Caritas wurden 2011 feste Räumlichkeiten im angemieteten Maria-Theresia-Haus eingerichtet.
Seither gehört der Weg durch die Rundbögen, durch die man in die zwei Speisesäle im Hinterhof kommt, zum Tagesablauf von Menschen, für die ein warmes Essen und etwas Mitgefühl nicht selbstverständlich sind. Dieser Mitmenschlichkeit Flügel verleihen an diesem Tag die Ehrenamtlichen Barbara und Georg, die genauso wie die Menschen, die wenig später zum Mittagessen kommen werden, nur mit Vornamen angesprochen werden wollen.
Barbara, selbst in einem medizinischen Beruf tätig, hat gelesen, dass hier Hilfe gebraucht wird. Seither kommt sie einmal die Woche, von 9 bis 13.30 Uhr, deckt Tische auf und ab, serviert, räumt die Spülmaschine ein, macht den Salat frisch an und kümmert sich um die Kerzchen auf den Tischen – schließlich ist Weihnachten. An den anderen Wochentagen erledigen andere ehrenamtlich aktive Frauen diesen Job. Georg dagegen gehört schon fast zum Inventar. Seit 2015 ist er Rentner und nicht mehr mit dem Lkw unterwegs. Dafür kommt er von Montag bis Freitag in die Theresienstube, nimmt das von der Krankenhaus-Küche vorbereitete Essen in Empfang, kümmert sich um hygienische Standards wie die Temperaturmessung der Speisen, kocht Kaffee und Tee. Ein Mann, der nicht viel spricht, aber alles macht.
Und dann ist da noch Schwester Hermana, Herz und Seele der Theresienstube. "Wenn man anderen Menschen helfen kann und ihnen Gutes tut, dann kommt dies wieder auf einen zurück", meint sie und lächelt wie ein junges Mädchen. Ein Lächeln, das sie den Menschen, die sie ab 10.30 Uhr zum Mittagessen aus dem Hof in die warme Stube holt, derzeit nur hinter einer Maske schenken kann. Pandemiebedingt musste das Angebot sozusagen in zwei Durchgänge aufgeteilt werden. Um 11.30 Uhr kommt die "zweite Schicht" in die gute Stube. So können beim Mittagsmahl die Abstände eingehalten werden, ist nie mehr als ein Dutzend Menschen im Speisesaal.
Für die Helfer bedeutet dies sozusagen doppelte Arbeit, denn "zwischen den Gängen" müssen Tische und Stuhlrücken abgewischt und desinfiziert werden. Auch Zuckerstreuer und Maggiflasche werden von Barbara sorgfältig gereinigt. "Derzeit dürfen nur Geimpfte und Genesene zu uns kommen", so Schwester Hermana. Ungeimpfte – einige wenige – werden dennoch nicht nach Hause geschickt. "Die warten im Innenhof auf einer Bank, bis ihnen ein Essen gebracht wird." Wieder andere kommen, um für sich und Angehörige, die sie pflegen, ein Essen abzuholen.
Ein Gast hat sich sogar impfen lassen, damit er weiter kommen kann
"Einer hat sich sogar impfen lassen, damit er zu uns hereinkommen darf", erzählt Schwester Hermana. Manchmal reicht offensichtlich die Aussicht auf ein warmes Mittagessen, um einen Impfskeptiker zu überzeugen. Diejenigen, die sich mittlerweile zum ersten Durchgang Mittagessen niedergelassen haben, haben andere Probleme, als über Sinn oder Unsinn einer Impfung zu fabulieren. Vergleichsweise selten sind es Alkohol und Drogen, die das Leben dieser Menschen gezeichnet haben.
Oft sind es Schicksalsschläge, Trennungen, Erbauseinandersetzungen oder berufliche Niederlagen, die zum Stolperstein auf der Bahn des Lebens wurden. Immer öfters aber auch schlicht und ergreifend Altersarmut, wenn die Rente einfach nicht reicht. Vor allem Frauen sind davon betroffen. Die Geschichten, die die Menschen, denen sonst kaum einer zuhört, zwischen Suppe und Hauptspeise erzählen, würden ein Buch füllen.
Man kennt sich, der Treff um die Mittagszeit hat was von "Kantine gehen". Jeder hat seinen Platz, und schnell macht die Runde, dass eine Frau, die vor Wochen noch regelmäßig Gast in der Theresienstube war, gestorben sei.
"Minute der Stille" als geistige Vorspeise
Für Verstorbene wird ein Vaterunser gebetet, sagt Schwester Hermana. Gedenken an Menschen, an die im Leben kaum einer mehr gedacht hat. Vergessen worden sein von der Welt, diese Einschätzung eint die Menschen, die hierherkommen, nicht nur "für was Warmes im Bauch", sondern für das Gefühl, mit anderen Menschen an einem Tisch sitzen zu können, auch wenn das derzeit nur mit Abstand möglich ist.
Noch vor der Essensausgabe gibt es geistige Nahrung, die Schwester Hermana im Rahmen einer "Minute der Stille" serviert. Aus der Minute werden fünf, jede davon erbaulich, denn es ist wichtig für die Ordensfrau, nicht nur etwas zu essen auf dem Tisch zu bringen, sondern auch einen Impuls für den Tag mitzugeben.
Der beschäftigt sich heute mit dem, was in der Theresienstube ohnehin gelebt wird – Nächstenliebe. "Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan", hat Jesus gesagt. Hier und jetzt wird den "geringsten Brüdern und Schwestern Gutes getan". Die Botschaft kommt an, auch bei Juri, der immer eine große Tüte mit seinen Sachen dabei hat, oder bei Markus, der weiß, wie hart das Leben auf der Straße ist.
"Ist fast wie Familie", meint Dieter, der wie selbstverständlich seinen beiden Tischnachbarinnen, die nicht so gut zu Fuß sind, die Teller bringt. "Heute gibt es Blumenkohlsuppe und danach einen Nudelauflauf", verkündet Schwester Hermana, was mit einem beifälligen Nicken der Versammelten goutiert wird. Übers Essen wird nicht diskutiert, kein Teller geht halbvoll zurück.
Die halbe Stunde "Familie" geht viel zu schnell vorbei. Alle, die hier waren, haben bessere Tage gesehen, die beste Zeit dieses Tages war jedoch hier und jetzt. Noch ein Joghurt und eine Brotzeittüte für den Rest des Tages in einer Wohnung, in der niemand wartet, einem Wohnheim, oder auf der Straße, mit ungewisser Aussicht auf ein Nachtquartier. Manchen, von denen sie weiß, dass sie eine Wohnung haben, in der sie kochen können, gibt sie ein Tütchen Reis mit.
Kleine Zeichen der Dankbarkeit, die große Freude machen
Ein Lächeln, ein dankbarer Blick und schon sind die Gäste wieder in ihren Alltag entschwunden. Nicht spurlos, denn die Gäste haben es sich nicht nehmen lassen, vom wenigen was sie haben, etwas abzuzweigen, um denen, die ihnen täglich ein Mittagsmahl servieren, eine kleine Weihnachtsfreude zu machen. Eine Karte mit dankbaren Weihnachtsgrüßen für Barbara, Tasse und Duftkerzenfigur in Folie verpackt für Schwester Hermana. Lieb gemeinte Kleinigkeiten, die umso schwerer wiegen, wenn man weiß, dass sie von Menschen geschenkt wurden, die oft von der Hand in den Mund leben müssen.
Die Theresienstube ist wieder leer, Georg bestückt die Spülmaschine und trifft Vorbereitungen für den nächsten Tag, Schwester Hermana hakt die Anwesenheitsliste ab und macht sich Gedanken, welche Botschaft am nächsten Tag in die "Minute der Stille" gepackt wird. Jetzt hat auch sie Zeit, einen Happen zu essen. "Das gleiche wie die Gäste", betont sie, nimmt sich Nudelauflauf und zieht lächelnd Bilanz dieses Tages in der Theresienstube, denn "jedes Lächeln, das ich einem Gast schenke, kommt auf mich zurück".