Das Robert-Koch-Institut hatte am Freitag wieder schlechte Nachrichten für die Schweinfurter: Die 7-Tage-Inzidenz für die Stadt betrug 74,9, sie war mit Abstand die höchste in ganz Deutschland. Für die Bundesrepublik liegt mittlerweile der Inzidenz-Durchschnitt bei 18,6, für Bayern bei 22,1. Während die Schweinfurter Corona-Infektionszahlen weiter hoch sind, liegen die Nerven der Einzelhändler blank.
In einem offenen Brief (wir berichteten) kritisierte der Vorsitzender der Werbegemeinschaft "Schweinfurt erleben" das Gesundheitsamt für seine Arbeit und drohte eine Anzeige an, falls die Stadt wieder in Inzidenzbereiche komme, bei denen Geschäftsschließungen drohten. Diese gäbe es dann, wenn drei Tage in Folge die Inzidenz über 100 läge. Christoffel berichtete am Freitag, er habe für sein Vorgehen durchweg positive Resonanz geerntet, über 30 Mails, über 40 WhatsApp-Nachrichten, "kein einziger negativer Kommentar. Im Gegenteil: Viele haben gesagt, endlich hat mal jemand etwas gesagt", erklärte Christoffel auf Nachfrage.
Landrat Florian Töpper (SPD) bezeichnete gegenüber dieser Redaktion die von Christoffel erhobenen Anschuldigungen als "reine Mutmaßungen ohne faktische Grundlage". Es offenbare sich "ein politischer Stil, den ich nicht zu pflegen gedenke." Landrat- und Gesundheitsamt machten nach bestem Gewissen und mit viel Einsatz ihre Arbeit, damit es gelingen könne, das Infektionsgeschehen einzudämmen.
Bei der Berechnung der Inzidenz dürfe man die Größe Schweinfurts mit nur knapp 54 000 Einwohnern nicht vergessen, wodurch sich mehrere positive Fälle stärker in der Inzidenz niederschlagen als eine vergleichbare Anzahl an Fällen zum Beispiel im deutlich größeren Landkreis Schweinfurt, wo die Inzidenz am Freitag bei 17,3 lag.
In einem Interview Mitte Mai mit dieser Redaktion hatte der Landrat sich bereits gegen die damals schon von Seiten der Stadt- und Landkreis-CSU erhobenen Vorwürfe gegenüber dem Gesundheitsamt gewehrt: "Was meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch mich getroffen hat, war die Pauschalität des Vertrauensentzuges." Der Landrat betonte, die Mitarbeiter leisteten in der Pandemie "Hervorragendes" und gab dem Gesundheitsamt auf eine entsprechende Frage dieser Redaktion hin für sein bisheriges Corona-Management die Note zwei plus.
Die Schulnote, die Werner Christoffel dem Gesundheitsamt geben würde, ist unbekannt, mutmaßlich ist sie nicht so gut wie die des Landrats. Der Vertrauensentzug, den Töpper beklagte, hat sich allerdings nicht geändert, er ist im Gegenteil noch einmal deutlich stärker geworden. Der "Schweinfurt erleben"-Vorsitzende betonte, man habe "Dutzende Beispiele von Fällen gesammelt, bei denen die Kontaktpersonenverfolgung durch das Gesundheitsamt nicht funktioniert hat."
Es seien keine "Mutmaßungen, sondern Tatsachen. Wir können so nicht weitermachen", betont Christoffel. Die Werbegemeinschaft sammele gerade die Fälle und bereite sie auf, ein Anwalt prüfe im Hintergrund die Klage, die dann eingereicht werde, wenn die Inzidenz wieder so hoch sei, dass die Schweinfurter Geschäfte schließen müssten.
Christoffel sieht im Gesundheitsamt kein Problem mit der Menge der Mitarbeiter, sondern "es mangelt an Organisation." Warum das Gesundheitsamt ab einer Inzidenz über 100 nicht in der Lage sein solle, die Kontaktpersonen nachzuverfolgen und in Quarantäne zu setzen, könne er nicht nachvollziehen. In anderen Städten vergleichbarer Größe, in denen es auch Industriebetriebe und einen relativ hohen Migrationsanteil gebe, seien die Inzidenzen deutlich niedriger als in Schweinfurt.
Kritik an Christoffels offenem Brief gab es unter anderem auf Facebook durch den Fraktionsvorsitzenden der SPD im Stadtrat, Ralf Hofmann. Der betont, die Zusammenarbeit mit "Schweinfurt erleben" zum Beispiel beim Stadtfest sei hervorragend. Dennoch hält Hofmann den offenen Brief "für einen Irrweg". "Aufgrund von faktenfreiem Hörensagen eine Pauschalverurteilung einer staatliche Institution vorzunehmen, ist für mich sehr gefährlich und ein Beitrag, das Vertrauen in staatliches Handeln fundamental zu untergraben", schreibt er in seinem Posting, das rege kommentiert wurde.
Auf Nachfrage erklärte Hofmann, er glaube nicht, dass es im Gesundheitsamt ein systemisches Problem gebe und dass die hohen Inzidenzen in Schweinfurt durch mutmaßlich schlechte Arbeit des Gesundheitsamtes zustande gekommen seien. Aus seiner Sicht sei Differenzierung nötig, gerade auch als Stadtrat, der Christoffel für die CSU ist: "Es ist eine Frage des Stils, des Umgangs und des Tons."
Heute sind von Schweinfurt bei 55.000 Einwohnern 10 neue Fälle gemeldet, von Aschaffenburg mit 70.000 Einwohnern 4. Das ist der Unterschied.
Statt Ausreden und Schuldige suchen sollte man aktiv werden.
Der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf.
Irgendwo muss da was im argen liegen, nur die Frage wo. Aber es heißt ja immer nur diffuses Infektionsgeschehen. Und was das bedeutet hat sich ja letzte Woche gezeigt, als es hieß das im Altenheim Grafenrheinfeld ein "Hotspot" war, aber es wurde nichts bekannt, erst jetzt im Nachhinein.
Weiß der Geier wo jetzt ein Hotspot ist, der verschwiegen wird.