Ein Insolvenzantrag liegt beim Amtsgericht Schweinfurt bislang nicht vor. Auch im Vereinsregister ist der Reitverein Schweinfurt noch eingetragen. Doch seit Ende vergangenen Jahres steht kein Pferd mehr im Stall, der Schulbetrieb ist eingestellt, die Homepage vom Netz genommen. Was ist los in dem von Willy Zirkel in den 1950er-Jahren in Euerbach gegründeten Verein, der in den 1970er-Jahren an den Hainig umgesiedelt ist, einst große Reitturniere veranstaltete, Reiternachwuchs heranzog und bis zu 40 Pensionspferde im Stall stehen hatte?
Vorsitzender Markus Seubert, der diese Frage beantworten könnte, ist nicht erreichbar. Er geht nicht ans Handy, antwortet nicht auf Mailbox-Nachrichten. Auch Mitglieder wissen nicht, wie es um den Verein steht. Sie haben seit einem Jahr keine Informationen mehr vom Vereinsvorstand bekommen. Ist dieser überhaupt noch im Amt? Auch das ist unklar.
Schon 2011 steckte der Reitverein in der Krise
"Der Verein ist offensichtlich in Schieflage", sagt Jutta Leitherer, die Vorsitzende des Verbands der Reit-und Fahrvereine Franken. Details weiß sie aber nicht, denn der Schweinfurter Verein habe die Beratungsangebote des Verbands, die es in solchen Fällen gibt, nicht in Anspruch genommen. Dass es finanzielle Probleme gibt, ist nicht neu. Schon 2011 steckte der Reitverein tief in der Krise, und schon damals drohte dem Verein nach dem Rücktritt des kompletten Vorstands das Aus. Hauptproblem war und ist das Alter der Anlage. Die Reparaturen häuften sich, verschluckten immer mehr Geld. Vor allem die Energiekosten stiegen immens in die Höhe, sorgten 2010 erstmals für ein Minus in der Vereinskasse.
Doch nicht nur die Technik, auch die Infrastruktur hinkt der Zeit hinterher. Ein Manko ist vor allem das Fehlen von Koppeln, um den Pensionstieren Auslauf und Frischluft geben zu können. Zwischen zehn und 15 Boxen standen seit Jahren dauerhaft leer, weil Einsteller in attraktivere, modernere Ställe wechselten. Diese Einnahmen fehlten, ebenso wie die Sponsorengelder, die von Jahr zu Jahr weniger wurden.
Reitverein plante Neubau der Anlage
Damals raufte sich der Verein noch einmal zusammen, doch die Probleme blieben. Bis heute. Bei der bislang letzten öffentlich bekannten ordentlichen Mitgliederversammlung im Januar 2018 sprach der amtierende Vorsitzender Markus Seubert wieder von einer "angespannten finanziellen Lage", von Strom- und Heizölrechnungen, "die mich auffressen", und einer "in die Jahre gekommenen Reitanlage". Seubert brachte seinerzeit einen Neubau auf städtischem Grund an anderer Stelle ins Spiel. Für entsprechende Grundstücksverhandlungen mit der Stadt, die auch Grundstückseigentümer am Hainig ist und das Areal dem Reitverein im Erbbaurecht für 99 Jahre zur Verfügung gestellt hat, ließ sich Seubert in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung im April 2019 die Vollmacht geben. "Das war die letzte offizielle Versammlung", sagt Cornelia Arndt, die Ende 2019 ihre Mitgliedschaft im Reitverein Schweinfurt aus privaten Gründen aufgekündigt hat. Einen Rechenschafts- und Kassenbericht des Vorstands habe es damals aber nicht gegeben und seitdem auch keine weiteren Informationen mehr an die Mitglieder, sagt Arndt.
Im Oktober waren die letzten verbliebenen Einsteller aufgefordert worden, sich eine andere Unterbringungsmöglichkeit für ihre Pferde zu suchen. Nur sieben Pensionstiere standen da noch im Stall. Anfang November war die Reitanlage dann geräumt. "Wir waren die Letzten, die gegangen sind", bedauert Johanna Kurzyca, dass die Ära des Schweinfurter Reitvereins damit wohl beendet ist. Sie hat ihr Pferd jetzt auf dem Hambacher Lindenhof von Gerald Ort stehen, wo dank eines kurzfristigen Umbaus der Scheune auch noch andere Einsteller untergekommen sind.
Johanna Kurzyca ist seit 27 Jahren Mitglied im Schweinfurter Reitverein und auch dessen Schriftführerin. Sie bedauert den Niedergang des Vereins. "Wir haben bis zum Schluss gekämpft", verweist sie auf das Engagement des "harten Kerns", den Betrieb aufrecht zu halten. Man habe sogar Stalldienste übernommen. Doch ein Einsteller nach dem anderen sei gegangen, "weil andere Ställe attraktiver sind". Diese Einnahmen fehlten dem Verein und konnten auch durch den gut florierenden Schulbetrieb nicht ausgeglichen werden. 40 Schüler wurden laut Kurzyca zuletzt unterrichtet, es habe sogar eine Warteliste gegeben. Aber mit nur vier Schulpferden und immer weniger Einstellern sei es schwierig, "etwas zu reißen".
Die Schulungspferde sind inzwischen verkauft, drei hat der "harte Kern" zum Lindenhof mitgenommen. "Sie lagen uns sehr am Herzen." Die Ponys werden von Kindern geritten, die in Schweinfurt Reitbeteilungen hatten. Schulbetrieb wird es am Lindenhof aber nicht geben. "Dafür bräuchten wir eine zweite Reithalle", sagt Gerald Ort. Aktuell sei diese nicht in Planung.
Verbandsvorsitzende Jutta Leitherer würde die Auflösung des Schweinfurter Reitvereins vor allem wegen des fehlenden Schulbetriebs bedauern. "Der Schulbetrieb ist das A und O für den Reitsport", unterstreicht die Verbandsvorsitzende die Notwendigkeit solcher Einrichtungen zur Nachwuchsförderung. In Schweinfurt wurden auch Einstiegsturniere veranstaltet, um die Jugend an den Turniersport heranzuführen. "Es ist schade, wenn es das nicht mehr gibt." Denn je breiter die Basis, desto größer die Chance, an der Spitze erfolgreich zu sein.
Um seine Zukunft muss möglicherweise auch Ioannis Galanis bangen. Er ist seit 22 Jahren Pächter der Reiterschänke, ein gut florierendes griechisches Restaurant am Eingang zum Reitgelände. Dass der Reitbetrieb eingestellt wurde, hat er von Gästen erfahren. Wie es mit seinem Lokal nun weitergeht? "Das ist alles in der Schwebe." Mitte Januar hat er einen Gesprächstermin bei der Stadt. Sie ist Grundstückseigentümer und würde im Falle einer Auflösung des Reitvereins das Gelände zurück bekommen. Dieser sogenannte Heimfall ist vertraglich vereinbart und tritt ein, wenn zum Beispiel der Erbbauberechtigte in Konkurs gerät oder mit dem Erbbauzins im Rückstand bleibt. Bislang sei dies nicht der Fall gewesen, sagt Pressereferentin Anna Barbara Keck. Sie bestätigt auch, dass es im Laufe des vergangenen Jahres Gespräche des Vorsitzenden Markus Seubert mit dem Sport- und Liegenschaftsamt wegen eines eventuellen Grundstückstausches für den Neubau der Reitanlage gegeben habe. Doch die Verhandlungen seien "steckengeblieben".
Reitgelände soll an die Stadt zurückgegeben werden
Zwischenzeitlich habe der Vorstand dem Liegenschaftsamt nun mitgeteilt, dass die Absicht bestehe, das Grundstück wieder an die Stadt zurückzugeben. Das eröffnet dem Rathaus neue Perspektiven für die Landesgartenschau. Das Gelände war bislang wegen der bestehenden Nutzung nicht für die Planungen vorgesehen. Wird es aber wieder in städtische Nutzung überführt durch die Rückgabe des Erbbaurechts, könne es gegebenenfalls noch mit einbezogen werden, so Keck.
Während die Stadt mit dem Pächter bereits für Januar einen Gesprächstermin vereinbart hat, um zu klären, wie es weiter geht, warten die rund 100 Mitglieder des Reitvereins noch auf eine entsprechende Einladung ihres Vorstandes. Nach § 36 des BGB ist dieser verpflichtet, eine Mitgliederversammlung in dem in der Satzung festgelegten Turnus – in der Regel einmal jährlich – einzuberufen, oder aber wenn das Interesse des Vereins dies erfordert.