In Obbach ist es ruhig an diesem Morgen. Auch am Nachmittag. Und genauso am Abend. Eigentlich ist es immer ruhig in Obbach. Dabei könnte man erwarten, dass es in dem 800-Seelen-Dorf rumort. 32,6 Prozent der Menschen hier haben bei der Landtagswahl ihr Kreuz bei der rechtsextremen AfD gemacht. Mehr als in anderen Dörfern im Landkreis Schweinfurt.
Zumindest sieht das auf den ersten Blick so aus. Denn die Analyse des Wählerverhaltens in der Gemeinde Euerbach mit den beiden Ortsteilen Sömmersdorf und Obbach gestaltet sich aufgrund der nicht getrennten Briefwahlbezirke schwierig. Das Ergebnis von 32,6 Prozent für die AfD spiegelt nur das Wahlverhalten an der Urne wider. Trotzdem ist Obbach prädestiniert für eine Spurensuche.
Zwei Flüchtlingsunterkünfte im Ort
Seit einigen Monaten gibt es im Dorf eine Flüchtlingsunterkunft. Die Regierung hat ein Wohnhaus angemietet und dort 14 junge, asylsuchende Männer aus Afghanistan einquartiert. Nächste Woche sollen weitere 18 Flüchtlinge kommen. Das neue Quartier, ebenfalls ein leerstehendes Wohnhaus, wird gerade hergerichtet.
"Wenn das vor der Landtagswahl bekannt gewesen wäre, dann hätten hier doppelt so viele die AfD gewählt", sagt Hermann Roßbach. Der 60-Jährige glaubt genau zu wissen, warum die rechtsextreme Partei in Obbach so viele Stimmen bekommen hat, auch wenn er sie selbst nicht wählen würde: "Es geht um die Ausländer." Früher gab es sie hier nicht, "da war Obbach sauber". Jetzt würden immer mehr fremdländisch aussehende Menschen im Ortsbild sichtbar. Manch einer fühle sich da bedroht.
Es geht auch um die Geldleistungen für Flüchtlinge. "Die sind viel zu hoch", meint Hermann Roßbach, auch wenn er nicht weiß, wie hoch sie tatsächlich sind. Und es geht um "die vielen Zuwanderer, die nicht arbeiten". Das stoße vielen Menschen auf, auch wenn die Gesetzeslage dafür die Ursache ist. Denn aktuell dürfen Menschen, die nach Deutschland flüchten, gar nicht arbeiten, zumindest in der Anfangszeit nicht. Die AfD zu wählen, hält Roßbach aber nicht für "die richtige Lösung". Er habe lieber gar nicht gewählt.
Denkzettel für die Regierung
Auch Heinrich Fredrich hat nicht gewählt. Er gehört zur Gemeinschaft der Zeugen Jehovas, die nur ihren Gott, aber keine weltliche Regierung wähle. Er lebt zurückgezogen. Wenn es einen Rechtsruck in Obbach gibt, hat ihn der 78-Jährige nicht mitbekommen.
"Das Ergebnis war vorauszusehen", meint dagegen ein 88-jähriger Obbacher, der am Tag der Wahl seinen Stimmzettel nicht mehr gefunden hat. Er hätte aber nicht die AfD gewählt, sagt er, auch wenn er von den etablierten Parteien enttäuscht ist. Dass so viele Menschen ihr Kreuz bei der rechtsextremen Partei gemacht haben, führt er auf "schlechte Bildung" zurück.
"Es war eine Protestwahl", glaubt dagegen ein 37-Jähriger, der vor kurzem mit seiner Familie nach Obbach gezogen ist, und der ebenfalls seinen Namen nicht nennen will. Er habe nicht die AfD gewählt, sagt er. Aber er weiß von Bekannten, die wie er Migrationshintergrund haben, dass sie ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben, "um der Regierung einen Denkzettel zu verpassen". Sie seien unzufrieden mit den Ampel-Entscheidungen in Berlin, die das Leben für sie schwerer machen würden.
Wir treffen Frauen, Männer, jung und alt, aber keinen AfD-Wähler und keine AfD-Wählerin. Alle reden bereitwillig mit uns. Nur ein junger Mann nicht. Er will keinen Dialog: "Mit euch spreche ich nicht." Wen er gewählt habe? Das gehe niemanden etwas an.
"Es ist sicher nicht so, dass Obbach von heute auf morgen rechtsradikal geworden ist", nimmt Bürgermeisterin Simone Seufert die Bürgerinnen und Bürger in dem kleinen Dorf in Schutz. Nichtsdestotrotz: "Das Ergebnis ist für mich richtig erschreckend." Sie weiß aber auch aus Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern, dass das Ankerzentrum vor der Haustür "belastend" sei. Vor allem für den Ortsteil Euerbach, der in fußläufiger Entfernung zu der großen Flüchtlingsunterkunft in Geldersheim liegt und deshalb von den Flüchtlingen aus dem Ankerzentrum stark frequentiert wird. Sie kaufen im Ort ein und halten sich im Ort auf. "Das wirkt auf manche Menschen befremdlich", meint Seufert.
Am Deutschhof holte die AfD 39,8 Prozent
15 Kilometer östlich von Obbach, im Schweinfurter Stadtteil Deutschhof. Auch hier der Versuch, mit Anwohnerinnen und Anwohnern über die Wahl und die AfD zu sprechen. Auf dem Marktplatz ist elf Tage nach der Wahl ebenfalls nur eine Handvoll Leute unterwegs. Knapp 6000 Menschen leben hier in dem Spätaussiedler-Viertel aus den 70er-Jahren – viele davon mit doppelter Staatsbürgerschaft. Fast 39,8 Prozent der Wählerinnen und Wähler am Deutschhof haben der AfD ihr Stimme geschenkt.
Eine von ihnen ist Elena Lohmann. Die gelernte Verkäuferin ist vor 25 Jahren zusammen mit ihrem Mann aus Osteuropa an den Deutschhof gekommen. Heute arbeitet die Verkäuferin am Leopoldina Krankenhaus, die Tochter studiert auswärts an der Universität. Früher, sagt Lohmann, habe sie immer CSU gewählt. Warum sie sich dieses Mal für die AfD entschieden hat? "Weil wir kein Vertrauen mehr in die aktuelle Politik haben."
Ein paar Meter daneben steht Alexej Suchanow mit Daunenjacke und Kaffeetasse vor seinem Geschäft und raucht eine Zigarette. Der 35-Jährige betreibt am Marktplatz eine Security-Firma mit mehreren Angestellten. Gewählt habe er nicht, sagt Suchanow. Allerdings glaubt auch er zu verstehen, warum viele Menschen hier die Rechtsaußen-Partei wählen. "Viele schreckt das ab", sagt Suchanow und verweist auf die Migrationspolitik. Er selbst sympathisiere ebenfalls mit einigen Positionen der Partei, kritisiert aber auch deren Standpunkt bei Alleinerziehenden oder der Doppelstaatlichkeit.
Beim Bäcker nebenan sitzt Theo Hergenröther, Vorsitzender des Deutschhöfer Bürgervereins und ehemaliger SPD-Stadtrat. Bevor Hergenröther vor 40 Jahren mit seiner Frau an den Deutschhof zog, lebte er lange Zeit am Bergl. Dort erzielte die AfD mit 43,61 Prozent ihr stadtweit stärkstes Ergebnis. Das gute Abschneiden der in großen Teilen rechtsextremen Partei in den beiden Vierteln knüpft Hergenröther an die besondere Struktur der beiden Stadtteile. "Es gibt viele Ältere und Rentner am Deutschhof, die Angst vor Veränderung und der Zukunft haben." Der Vereinsvorsitzende ist überzeugt, dass viele hier nicht aus Überzeugung, sondern aus Protest die AfD gewählt haben.
Er habe in den vergangenen Jahren beobachtet, wie sich immer mehr Menschen aus der Gesellschaft zurückziehen und lieber unter sich bleiben, egal welches Milieu. "Wir strengen uns zwar an, aber schaffen es nicht, mehr Leute anzusprechen." Aus seiner Sicht müsste man die Menschen mehr an die Hand nehmen und besser in eine gemeinschaftliche Gesellschaft integrieren.
Menschen fürchten sich vor sozialem Abstieg
Ähnlich sieht das auch Johannes Michalik, Pfarrstelleninhaber der Auferstehungskirche im Stadtteil Bergl. Über die Menschen am Bergl sagt er: "Ich nehme im Leben der Menschen hier ein anderes Menschenbild und Handeln wahr, als das, was die AfD nach außen transportiert." Er selbst zeigt sich überrascht von dem Ergebnis der rechten Partei in seinem Viertel. Wie der Deutschhof sei auch der Bergl multikulturell und von Menschen aus dem Arbeitermilieu geprägt.
Viele von ihnen, vermutet Michalik, haben die AfD offenbar aus Angst gewählt. "Die Angst als Nachfahre der Menschen, die damals nach Deutschland gekommen sind, sich hier etwas aufgebaut haben und das jetzt an andere Menschen verlieren könnten." Aus seiner Sicht jedoch gebe es keine einfachen Lösungen für die Probleme im Land. "Ich würde mir wünschen, dass die Politik ehrlicher und transparenter mit den Menschen spricht, um ihnen Hoffnung zu geben."
Und wer den Versuch unternimmt, sich mit Thematiken intensiver zu beschäftigen, stellt alsbalden fest, dass Komplexität der Einfachheit entgegen steht.
Ist mir gerade so eingefallen, weil im Begriff Andersdenkende das Wort Denken drinsteckt.
LG
Am Schluss macht es keinen Unterschied, ob Rechtsextremisten aus Überzeugung oder aus Protest an die Macht kommen. Wer Rechtsextreme wählt kann nachher zwar sagen, dass er das eigentlich nicht wollte, nützt aber nichts. Man muss vorher über die Konsequenzen nachdenken. Andernfalls ist man ist Rechtsextremist.
Sucht man auch mal bei sich selbst?
Kann es nicht auch ein bisschen Schild der heimischen Presse sein, die mit einer vielleicht diskussionswürdigen Berichterstattung das teilweise auch gefördert haben könnte?
Es ist zu einfach mit dem Finger auf andere zu zeigen!
Es ist ein Bunter Strauß von Fehlern, die dazu führen!
Es fängt bei der Bundespolitik an, geht auch übers Land und sogar in die Kommunen! Wie die Flüchtlingsströme auch.
Die Menschen sind nicht dumm und haben Antennen!
Warum tut die Presse selbst nichts, das grade zu rücken oder wenigstens einen Beitrag zu leisten?