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Ebertshausen
Skurrile Faschingstradition: Wie das Dorf Ebertshausen Neubürger am Rosenmontag im Dorf willkommen heißt
Seit Urzeiten feiert der Ort im Landkreis Schweinfurt den "Gemesuff" am Rosenmontag. Was hinter der eigenartigen Tradition steckt und welche Premiere es gab.
Altbürgermeister Klaus Katzenberger, Bürgermeister Johannes Grebner und Gemeinderat Gerhard Kamusin sitzen beim traditionellen 'Gemeesuff' am sogenannte Herrentisch in Ebertshausen.
Foto: Josef Lamber | Altbürgermeister Klaus Katzenberger, Bürgermeister Johannes Grebner und Gemeinderat Gerhard Kamusin sitzen beim traditionellen "Gemeesuff" am sogenannte Herrentisch in Ebertshausen.
Marcel Dinkel
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:36 Uhr

Dass die Menschen, allen voran die Männer, in ihrem Heimatort wohl eine gewisse Eigenart besitzen, wissen Maximilian Nossek und Rudolph Veit aus Ebertshausen, einem Ortsteil der Gemeinde Üchtelhausen, wohl spätestens seit diesem Jahr etwas genauer. In weißer Schürzte zapfen die beiden jungen Männer zusammen eine Maß Bier nach der anderen und hieven die Krüge samt Tellern voller Weißwürste und Brezeln in den Gastraum nebenan. Dort sitzen rund 50 Herrschaften, die bei ausgelassener Stimmung Karten spielen und sich über die vergangenen Monate austauschen. 

Nossek kommt ursprünglich aus dem zirka 30 Kilometer entfernten Wülfershausen im Landkreis Rhön-Grabfeld. "Als Dorfkind sind mir gewisse Traditionen durchaus bekannt", sagt der 33-Jährige. Von einem derartigen Brauch habe aber selbst er vorher noch nicht gehört. Jedes Jahr am Rosenmontag feiert der kleine Gemeindeteil Ebertshausen traditionell den sogenannten "Gemeesuff" im Pfarrheim.

Der 250 Jahre alte Brauch geht zurück auf das sogenannte "Petersgericht"

Rein vom Prinzip her ist der "Gemeesuff" nichts anderes als eine etwas kleinere und weniger förmliche Bürgerversammlung, erklärt Joachim Zehner, Gemeinderat aus Ebertshausen. Der 250 Jahre alte Brauch geht zurück auf das sogenannte "Petersgericht", welches innerhalb der Dorfgemeinschaft abgehalten wurde. Damals kamen die Dorfbewohner hier zusammen, um Streitigkeiten untereinander zu schlichten und rechtliche Übertretungen wie das Überackern einer Ackergrenze zu ahnden. Aber auch Lehen mussten entrichtet werden. Zudem vergab die Gemeinde Pachtrechte, Bauplätze und Kellerstellplätze unter den Familien.

Heute dient die Versammlung in erster Linie dazu, zugezogene oder Einheimische, die einen eigenen Hausstand im Ort gegründet haben, offiziell und in lockerer Atmosphäre willkommen zu heißen, erklärt Bürgermeister Johannes Grebner (SPD) in seiner Laudatio vor der Gemeinschaft. Neben den Neuankömmlingen ist der diesjährige "Gemeesuff" auch für den erst seit zwei Jahren im Amt tätigen Bürgermeister eine Primiere. Gemäß der Tradition hält er die offizielle Ansprache auf der Versammlung. Bier und Weißwürste sorgen hinterher für gute Stimmung.

Die Zeche dafür zahlen die Neubürger, wie Maximilian Nossek und Rudolph Veit. "Alle Bürger, die im vergangenen Jahr geheiratet haben oder zugezogen sind, müssen hier ihren Einstand von 15 Maß Bier bezahlen", erklärt Grebner. Konkret sind das in diesem Jahr um die 75 Euro. Neben der Rechnung übernehmen die Zugezogenen in weißer Schürze außerdem die Bewirtung.

Die Neubürger Maximilian Nossek, Walter Göbel - Haupt, Rudolph Veit und Alois Memmel stoßen mit Altbürgermeister Klaus Katzenberger und Bürgermeister Johannes Grebner auf ihren Einstand an.
Foto: Josef Lamber | Die Neubürger Maximilian Nossek, Walter Göbel - Haupt, Rudolph Veit und Alois Memmel stoßen mit Altbürgermeister Klaus Katzenberger und Bürgermeister Johannes Grebner auf ihren Einstand an.

Zudem gelten während der Versammlung eine Handvoll spezieller Regeln, die es einzuhalten gilt. So muss jeder Bürger vor Betreten des Veranstaltungsraums mit abgenommenem Hut oder Kappe anklopfen, darf während der Ansprache des Bürgermeisters weder essen noch trinken oder rauchen oder sich unaufgefordert an den „Herrentisch“ zu den Gemeindeoberhäuptern setzen. "Sämtliche Vergehen werden mit dem Zahlen von zwei Maß Bier geahndet", sagt Grebner.

Der Ort Ebertshausen schrumpft

In seinem Vortrag holt der Bürgermeister zudem mit einigen aktuellen Fakten der Ortschaft aus. Seit der letzten Versammlung im Jahr 2020 wurden neun Kinder in der Gemeinde geboren, sagt Grebner. Außerdem gab es vier Hochzeiten und 15 Beerdigungen. "Der Trend ist, glaube ich, klar. Wir sind am Schrumpfen."

Dennoch: Es gebe auch positive Entwicklungen, bekräftigt er. Zum einen wäre da die bevorstehende Vollendung des Projekts "Dorfmitte" zu nennen. Festscheune, Dorfgemeinschaftshaus, Feuerwehrhaus und Festplatz werden dabei im Rahmen eines Entwicklungsprojekts für rund dreieinhalb Millionen Euro in der Dorfmitte integriert und sollen so das Dorfleben vereinen. Auch ein Neubau des Kindergartens mit Kindergrippe für rund 2,3 Millionen Euro wird dort unmittelbar in der Nähe geplant.

Atmosphäre wie am Stammtisch: Nach dem offiziellen Teil packen die Gäste die Karten zum Schafkopfspielen aus.
Foto: Josef Lamber | Atmosphäre wie am Stammtisch: Nach dem offiziellen Teil packen die Gäste die Karten zum Schafkopfspielen aus.

Um den alten Kindergarten werden etwa zwei bis drei Bauplätze entstehen, ein neues Baugebiet mit rund 20 Bauplätzen sei in Planung, so Grebner. "Ich hoffe auf die Besitzer der dortigen Grundstücke, dass wir hier verantwortungsvoll miteinander umgehen und Lösungen finden." 

Aber auch bei strittigen Themen wie dem Bau neuer Windkraftanlagen auf dem Gemeindegebiet habe die Gemeinde einen Grundstein dafür legen können, dass die Wertschöpfung bestmöglich hier verleibe und der Weg gemeinsam gegangen werde, hebt Grebner hervor. Im letzten Jahr haben sich die Bürgerinnen und Bürger in einem Bürgerentscheid für den Bau neuer Windkraftanlagen auf dem Gelände zwischen den Gemeindeteilen Madenhausen, Hoppachshof, Hesselbach und Ebertshausen ausgesprochen.

Waren die Beteiligten zufrieden?

Trotz des lockeren Rahmens gibt sich Grebner am Ende seiner Ansprache durchaus erleichtert. "Ich bin froh, dass die Krüge noch so voll sind." Eine Versammlung wie der "Gemeesuff" sei wichtig, um trotz aller schlimmen Krisen und Katastrophen in der Welt nicht im Trübsal zu versinken. Auch Amtsvorgänger Klaus Katzenberger ist zufrieden mit seinem Nachfolger. "Er hat sich standesgemäß vorbereitet", bilanziert der Altbürgermeister. 

Auch die Zugezogenen sind freuen sich. "Gerade nach der langen Corona-Zeit helfen Anlässe wie dieser, den eigenen Ort und die Gemeinschaft besser kennenzulernen," sagt Maximilian Nossek. Auch Rudolph Veit fühlt sich nun besser integriert. "Ich bin gebürtiger Ebertshäuser. Nach dem "Gemeesuff" gehöre ich endgültig dazu."

Was die Zukunft der Tradition betrifft, denke man innerhalb der Gemeinschaft nun darüber nach, künftig auch weibliche Hausvorstände zum "Gemeesuff" einzuladen, sagt Bürgermeister Grebner. Da hinterher immer der örtliche Kinderfasching am Veranstaltungsort ausgerichtet werde, seien diese ab einer gewissen Uhrzeit sowieso mit vertreten, warum also nicht auch schon vorher, so Grebner. 

 
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  • W. W.
    Da wird auf die Schulter geklopft, endlich kommen die Windräder und das Geld nach Üchtelhausen! Wenn man aber bedenkt was man dafür zerstört, ein ökologisches Kleinod, die meisten Bürger die dafür stimmten wurden ja nicht bekannt gegeben, dürften aber aus Üchtelhausen, Zell und Weipolsthausen sein. Denn sie sind weit ab vom Schuss. Obwohl ihre Umgebung genauso hoch ist wie der jetzige Standort und was dazu kommt, die aufsteigende Thermik aus dem Maintal die sich beim Windrad in Hesselbach bei Schwachwind auswirkt, dieses Windrad ist oftmals das einzige das sich dreht, zeigt, dass bei Stücht und Zell die Effizient größer wäre. Ab ins Hinterland und wir hier vorne haben unsere Ruhe, auch der Wohnort des Bürgermeisters. Ein Schelm der Böses denkt!
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  • M. D.
    Hallo einFranke,

    hier hat sich wohl bedauerlicherweise ein Fehler eingeschlichen. Vielen Dank für den Hinweis!

    Mit freundlichen Grüßen
    Marcel Dinkel, Redakteur
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  • M. S.
    Zitat: "Nossek kommt ursprünglich aus dem zirka 50 Kilometer entfernten Wülfershausen im Landkreis Rhön-Grabfeld."

    Die Strecke von Ebertshausen nach Wülfershausen im Grabfeld beträgt 28 Kilometer.
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