
Rosa Einhörner tummeln sich neben kleinen Füchsen, nebenan hängen ein paar Zitronen, darunter liegt ein Haufen winziger Bagger – was nach einer wilden Mischung klingt, ist auf dem Deutsch-Holländischen Stoffmarkt nicht im Geringsten ungewöhnlich. Auf meterlange Stoffbahnen gedruckt, fand sich an den Ständen auf dem Schweinfurter Volksfestplatz wohl beinahe jedes Motiv.
"Es ist der Wahnsinn. Es gibt so viele interessante Sachen hier – man sollte auf jeden Fall viel Zeit mitbringen", sagt Gabrielle Reuß aus Oberwerrn, während sie eine Kiste voll mit aufgerollten Kunstleder-Stücken durchsucht. Auch sie wird an diesem Tag auf dem Schweinfurter Stoffmarkt, auf dem deutsche und holländische Händlerinnen und Händler ihre Ware ausstellen, für ihr Heimwerkerprojekt fündig werden.
"Ich habe einen Stuhl, an dem das Kunstleder kaputt ist. Den würde ich gerne neu beziehen", sagt sie. Allzu schwierig sei das nicht, "altes Kunstleder runter, neues ausschneiden, nähen und drüberziehen", sagt sie und gestikuliert mit der passenden Rolle Kunstleder in der Hand.
Monster und Totenköpfe: Stoffe für Metal-, Rock-, Punk- und Gothic-Fans
Kilometer um Kilometer bunt bedruckter Stoff türmt sich auf den Auslagen der Stände, liegt eingerollt in Kisten oder hängt in dichten Bahnen von den Vordächern herab. Einige Teile des Stoffmarkts wirken damit beinahe als wären sie einem orientalischen Tuchmarkt entnommen.

Auf den ersten Blick sticht vor allem ein Stand zwischen all den Auslagen mit hellen Stoffen, floralen Mustern und verspielten Prints heraus. Dunkle Farben und Motive wie Totenköpfe, Dämonen und Monster prägen den Stand von Sara Wennige. "Wir sind Metal-Fans und daher ein bisschen düsterer unterwegs", sagt die Oberpfälzerin. Unter dem Markennamen "MetalMotte" verkauft die hauptberufliche Mikrobiologin Stoffe, die besonders bei Fans der Metal-, Gothic-, Rock- und Punk-Szene Anklang finden.
Entstanden sei die Idee, als Wennige bei Nähprojekten für ihre eigene Tochter kaum Stoffe nach ihrem Geschmack fand. "Wir wollten keine süßen rosa Einhörner, sondern halt eher so das tote Pferd oder kleine Monster aus dem Untergrund. Aber das gab es einfach nicht", sagt sie. Also habe sie ihre künstlerisch begabte Schwägerin an Bord geholt, die nun bereits in zweiter Saison die eher ungewöhnlichen Motive im Metal-Stil selbst designt.
Und das kommt auch in Schweinfurt gut an, meint Wennige: "Klar, Schweinfurt ist jetzt nicht so 'schwarz' wie zum Beispiel Leipzig. Aber es sind auch immer wieder Nicht-Metal-Mamis dabei, die die Motive süß finden."
"I hate peole" – Der Näh-Trend geht zu ausgefallenen und mutigen Prints
Dass immer mehr Näh-Fans auch gerne mit ausgefalleneren Motiven experimentieren, merken auch Kristin Franke und Dennis Müller. Auf einer Stoffbahn an ihrem Stand prangt prominent der Schriftzug "I hate people", also "ich hasse Leute". "Das traut sich außer uns hier keiner", sagt Franke und lacht. Seit sieben Jahren ist das Paar auf Stoffmärkten unterwegs, seit etwa drei Jahren verkaufen die beiden auch eigene Designs.
"Früher haben wir nur Fremdkollektionen verkauft – je verrückter desto besser. Alles, was sich die anderen nicht getraut haben, hab ich beim Händler abgeholt und verkauft", sagt Kristin Franke. Mittlerweile seien aber auch die anderen Verkäuferinnen und Verkäufer mutiger geworden. "Da hab' ich gesagt: Jetzt müssen wir selber ran. Und jetzt sind alle Motive hier von mir handgemalt."

Besonders viele Familien mit kleinen Kindern scheinen auf dem Schweinfurter Stoffmarkt die Gelegenheit zu nutzen, sich mit Material für das nächste Nähprojekt einzudecken. So stapelt sich auch in dem Kinderwagen vor Franziska Fieseler bereits eine Auswahl verschiedener Stoffstücke. "Früher habe ich immer mit meiner Oma genäht, heute nähe ich für die Kleine", sagt die 29-Jährige aus Burgerroth (Lkr. Würzburg). Stirnbänder im Partnerlook sollen es diesmal werden, meint sie und zieht ein weißes Stück Stoff mit rosafarbenem Rosenprint hervor.
"Ich bin zwar noch blutige Anfängerin, Mützen, Stirnbänder, Halsbänder – das kriege ich aber noch hin. Bei allem anderen muss mir dann meine Mutter helfen, die ist gelernte Schneiderin", so Fieseler. Neben dem Spaß am Nähen bedeute der Einkauf auf dem Stoffmarkt für sie vor allem Kostenersparnis. Zehn Euro habe das gekaufte Stirnband ihrer Tochter gekostet. "Hier habe ich für das gleiche Geld einen ganzen Meter Stoff bekommen", meint sie.
Einen Stand weiter befühlt indes Judith Neiber eine Bahn hellbraunen Stoffs. "Ich würde mir gerne eine Culotte nähen, so eine Hose mit weiten, lockeren Beinen, ganz einfach mit Gummibund", erklärt die 32-Jährige. Auch sie nähe viel, vor allem für ihre Kinder. "Ich lasse mich hier einfach mal inspirieren und schaue, was mich so anspricht."

Inspiration für neue Nähprojekte sammeln und sich mit anderen Näh-Begeisterten austauschen, dafür sei der Stoffmarkt ideal, meint Stoffhändler Michael Knurr aus Rostock. Rund 3200 Meter Stoff hat er an diesem Tag mit nach Schweinfurt gebracht. "Das Besondere an so einem Stoffmarkt ist, dass man alles gebündelt an einer Stelle bekommt. Vom Knopf über den Reißverschluss bis zum Garn – hier hat jeder so sein Steckenpferd."
Gerade für Anfängerinnen und Anfänger lohne sich deshalb ein Besuch: "Hier kommen die Leute ins Gespräch, tauschen sich über ihre Projekte aus und helfen sich gegenseitig. Für Neulinge ist das perfekt."
Ähnlich sieht das auch Hans Joachim Narbutt. Er verkauft seit 35 Jahren Knöpfe. "In Läden gibt es oft nur eine kleine Knopfabteilung. Auf Märkten bekommt man auch viele außergewöhnliche Sachen", sagt er. Besonders beliebt seien aktuell Holzknöpfe für Kinderkleidung und handgemachte Knöpfe aus Kokosnussschale.
Eine Kundin, die die Auslage nach passenden Knöpfen für einen Wintermantel durchsucht, teilt Narbutts Begeisterung. "Ich sage immer: Knöpfe können putzen – sie können ein Nähstück so richtig schön zur Geltung bringen."