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Bischbrunn
Mit Nadel, Klebstoff und Helau: Wie sich acht Frauen aus Bischbrunn jedes Jahr ein kreatives Gruppen-Kostüm nähen
Mit den "Simpsons" fing es an. Mittlerweile näht und bastelt sich die Frauengruppe ihr 24. Gemeinschafts-Kostüm. Heraus kommen jedes Mal höchst aufwendige, detailreiche Unikate.
Endspurt in der Bischbrunner Kostümschmiede: (von links) Stefanie Schwab, Sabine Weis, Daniela Schäfer, Sabine Spielmann und Petra Reinfurt.
Foto: Lucia Lenzen | Endspurt in der Bischbrunner Kostümschmiede: (von links) Stefanie Schwab, Sabine Weis, Daniela Schäfer, Sabine Spielmann und Petra Reinfurt.
Lucia Lenzen
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:43 Uhr

Ein nebliger Dienstagabend in der Ortsmitte Bischbrunn: Nacheinander klingeln fünf Frauen am Haus Nummer 25 und verschwinden im Dachgeschoss. Normalerweise werden in dem großen Raum unter dem Giebel Partys gefeiert. In den Wochen vor Fasching aber wird der Platz im Hause Reinfurt zur Kostümschmiede. "Wir kennen uns alle aus der Prinzengarde des Oberndorfer Carnevalvereins (OCV)", erzählt Daniela Schäfer. Sie sitzt zusammen mit ihren vier Freundinnen an dem großen Tisch mit der leuchtend gelben Tischdecke. Vor ihnen zwei Nähmaschinen, Knöpfe, Faden in den verschiedensten Farben, Stoffe, Palletten, Scheren. Acht Frauen sind sie eigentlich. Fünf davon leben noch in der Region, drei mittlerweile in Bonn, Mülheim an der Ruhr und Berlin.

Was sie zusammen hält ist auch der Fasching: Bis 1991 tanzten die Freundinnen zusammen beim OCV. Dann gaben sie die Garde-Zeit auf. Worauf sie aber nicht verzichten wollten, war als Gruppe im Faschingszug mitzumachen. 1999 tauchten sie zum ersten Mal als "Die Simpsons" im Faschingszug der Grunddörfer auf. Seit dem sind sie jedes Jahr dabei. Ihr Markenzeichen: ein selbstgemachtes, höchst aufwändiges Gruppen-Kostüm aus der eigenen Produktion.  

Stabil, aber unbequem: Mit einer Badehaube, Draht und einem Haarreif werden die Ohren von Meister Langohr auf dem Kopf tragbar.
Foto: Lucia Lenzen | Stabil, aber unbequem: Mit einer Badehaube, Draht und einem Haarreif werden die Ohren von Meister Langohr auf dem Kopf tragbar.

"Mit der Themenfindung starten wir meist schon im Sommer", erzählt Stefanie Schwab. Sie hat sich etwas verspätet, bringt dafür noch Krapfen mit. Gemeinsam mit Petra Reinfurt, Sabine Spielmann, Daniela Schäfer und Sabine Weis stöbert sie in dem Fotoalbum, in dem sie alle ihre bisherigen Kostüme und Auftritte festgehalten haben. In diesem Jahr sitzt die Runde an ihrem 24. Gemeinschafts-Kostüm. Dabei machen auch die drei "Entfernten" Heike Sowa-Schäfer, Maria Fuhrmann und Christine Otremba mit. Von Daheim schneiden sie zu oder kümmern sich um Einzelteile, die separat gefertigt und mitgebracht werden können.

Fotoserie

Nach zwei Jahren Corona-Zwangspause: Endlich wieder nähen, plaudern, tüfteln

"Die ersten drei Kostüme haben wir noch jeder für sich allein genäht oder schneidern lassen", erzählt Petra Reinfurt. Beim vierten dann aber, das war das "Euro-Münzen-Kostüm" im Jahr 2002, begannen sie sich gemeinsam zu treffen und zu schneidern. Dass sie dieses Jahr endlich wieder gemeinsam nähern, plaudern und tüfteln freut sie besonders. Schließlich hatte auch die Kostüm-Schmiede zwei Jahre Corona-Zwangspause. An welchem Kostüm sie dieses Jahr werkeln ist streng geheim und wird erst am Tag des Umzugs gelüftet.  

Wo die Ideen für die Kostüme herkommen? Manchmal aus lauter Verzweiflung aus der Bad-Dekoration von Petra Reinfurt: "Als uns mal so gar nichts einfiel, hat jemand den Deko-Leuchtturm im Badezimmer gesehen und gesagt hat: Komm, das machen wir!", erzählen sie lachend. Wichtig ist ihnen: "Wir sind völlig unpolitisch." Und es soll ein Kostüm werden, mit dem alle leben können. Ansonsten sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. "Bevor wir richtig loslegen, machen wir immer erstmal einen Prototyp aus alten Stoffen", erzählt Petra Reinfurt. Erst wenn der sitzt, werden die Stoffe und alle notwendigen Materialien bestellt und individuell auf jedes Gruppenmitglied maßgeschneidert angefertigt. 

Bis zu 200 Euro investieren die Frauen in ein Kostüm

Das kann dann schon mal 150 bis 200 Euro pro Kostüm kosten. "Am Anfang denken wir immer: Ach, das wird günstig heuer. Und dann kommen noch die Goldborte dazu, die ausgefallenen Knöpfe, der Nerz und und und", schildert Stefanie Schwab.

2003  ging es als 'geschälte' Banane durch den Grund. Statt Bonbons gabs Bananen. 
Foto: Stefanie Schwab | 2003  ging es als "geschälte" Banane durch den Grund. Statt Bonbons gabs Bananen. 

Nach der Themenfindung und Vorbereitung läuft die Produktion ab November an und die Frauen treffen sich wöchentlich. Während Petra Reinfurt und Stefanie Schwab an der Nähmaschine sitzen, arbeiten die anderen zu, bügeln Stoffe und Kanten, schneiden zu, nähen Palletten und Knöpfe an oder kleben Hutgestelle zusammen. Je nach Kostüm überwiegen die Bastelarbeiten auch schon mal: So zum Beispiel bei der Biene im Bienenstock, wo der Stock aus mit Heißkleber zusammengeklebtem Flexrohr bestand. Mit Sprühkleber und Sägemehl bekam er seine richtige Optik. Oder bei dem Kostüm Paradiesvogel: Um hier möglichst rund und voluminös zu werden, wurde das Kostüm mit lauter Styroporkügelchen gefüllt. 

2018 zauberten sie als Zirkusdirektor die Kaninchen aus dem Hut.
Foto: Stefanie Schwab | 2018 zauberten sie als Zirkusdirektor die Kaninchen aus dem Hut.

Was den Frauen wichtig ist: Die Kostüme müssen stimmig sein, das fängt bei der Kopfbedeckung an und hört bei den Füßen auf. Das bedeutet aber auch: Bequemlichkeit ist nicht alles. So bastelten sich die Frauen 2012 zu ihrem Fliegenpilzkostüm einen Hut mit 1,30 Meter Durchmesser. "Grundlage war ein Mexikanerhut, den wir mit Gips, Hasendraht und einem Petticoat weiter in Form gebracht haben", erzählt Petra Reinfurt. Das Problem: Der Hut war nicht nur sehr breit, sondern auch schwer. Auch weniger zum Wohlfühlen: die Hasenohren beim Hasen-Kostüm 2013, bestehend aus einer Badekappe, einem Haarreif, Draht und überzogen mit Fell. 

Auffällig, aber auch aufwendig: Das Kraken-Kostüm aus dem Jahr 2011. 
Foto: Stefanie Schwab | Auffällig, aber auch aufwendig: Das Kraken-Kostüm aus dem Jahr 2011. 

Am aufwendigsten - und für manche auch am nervigsten zu tragen - sei 2011 die Krake gewesen. Dafür bastelten sie sich Arme aus Trocknerschläuchen, die mit Stoff überzogen und mit Styroporringen einzeln benäht wurden. Doch egal wie aufwendig oder anstrengend zu tragen - bisher haben sie noch jede Idee durchgezogen. 

Die Kostüme zu verkaufen, bringt keine übers Herz

Am Faschingsdienstag ist es dann soweit: Beim Umzug des OCV wird das Kostüm erstmals präsentiert. "Wir treffen uns immer schon morgens bei Sabine, um uns gemeinsam fertig zu machen", erzählt Sabine Weis. Dann geht es zur Zugaufstellung. "Da wird dann immer schon geschaut: Hatte womöglich jemand die gleiche oder eine ähnliche Idee?", erzählt Petra Reinfurt. Zum Glück sei das bisher nie der Fall gewesen.   

Rund vier Kilometer Zugstrecke gilt es dann zu laufen. Das sei bei schönem Wetter gut, bei schlechtem manchmal auch ziemlich anstrengend. "Einmal haben wir übergroße Schuhe getragen, die sich während des Zuges voller Wasser gesogen haben, so dass wir alle eine Woche Muskelkater hatten", erinnert sich Daniela Schäfer. 

Und was passiert mit den 23 Kostümen aus den Vorjahren? "Die werden alle aufgehoben", ist sich die Runde einig. Hat der eine dafür einen extra Kostümraum im Keller, belegen die Unikate bei der anderen schon zwei Kleiderschränke. "Wir tragen die Kostüme aber auch noch an anderen Terminen im Fasching", erläutert Sabine Spielmann. Zum Beispiel an Weiberfasching, den sie abwechselnd in Karbach oder Köln feiern. Eine der Verkleidungen verkaufen? Das bringt keine der acht Frauen übers Herz. 

 
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