Es ist sein erstes, allererstes Bild, an das sich Günter Hübner am liebsten erinnert. Ein Foto seiner Großeltern, geknipst mit der Kamera seines Onkels. Einem kleinen schwarzen Kasten, bei dem man oben in den Sucher gucken musste. "Die Box", mancher wird sich erinnern. Hübner, Jahrgang 1941, war damals noch ein Junge. Einer, der sich für Technik im Allgemeinen und die – wenn auch nicht umfangreiche, aber zumindest vorhandene – Fotoausrüstung seines Onkels begeisterte. Es sollte noch ein wenig dauern, bis er sich seine erste eigene Kamera kaufen würde. Mit 16, den Ausbildungsvertrag bei SKF gerade in der Tasche.
Auf Raten hat er die Kleinbildkamera abgestottert – "eine Braun Nürnberg, die gibt es heute glaube ich nicht mehr", erzählt der Wahl-Schonunger, der im Sudetenland geboren wurde und mit seiner Mutter nach Schweinfurt kam, der Vater war im Krieg gefallen, dort im Bunker seinen fünften Geburtstag erlebte und in Euerbach aufwuchs. Seit den 90er-Jahren lebt er in Schonungen, mit seiner zweiten Frau Marga, hoch oben, wo der Blick über den Ort in die Weite schweifen kann. Genau das war es, das Panorama, warum sich die beiden in Schonungen verliebt hatten. Auch fotografisch gesehen ein Gewinn. Viele Aufnahmen hat Günter Hübner von seinem Dachfenster aus geschossen – und kann sich doch nie satt sehen.
Die Natur, Menschen, Wetterphänomene sind es, die den Hobbyfotografen faszinieren. Eigentlich die komplette Bandbreite, von Makrofotografie bis hin zu Panoramabildern. Und Luftaufnahmen. Ein Zufall hat diese Leidenschaft entfacht – und eng damit verbunden eine zweite. Die Begegnung mit Helmut Meinlschmidt, damals Student, der in die Abteilung Entwicklung & Forschung kam, wo Günter Hübner als Maschinenbautechniker arbeitete und schon damals den Beruf mit seiner Leidenschaft, Fotografie und Filmen, verbinden konnte. Zur Dokumentation.
Meinlschmidt machte gerade seine Ausbildung zum Ballonfahrer. Der Rest ist Geschichte. Mit einigen anderen gründeten die beiden den Freiballonclub Franken in Schweinfurt. Die ersten Fahrten, die ersten Bilder aus einer Perspektive, die Günter Hübner faszinieren und nie wieder loslassen würde. 25 Jahre ist er Ballon gefahren, erst mit anderen, später – den Pilotenschein in der Tasche – selbst. Immer mit dabei: die Kamera.
Es entstanden Aufnahmen, die uns die Heimat aus einer ganz neuen Perspektive zeigen – und die ersten Selfies. Nicht mit dem Smartphone, an so etwas dachte damals noch keiner. Ganz einfach die Kamera am Einbeinstativ nach oben gehalten, den Rest machte der Selbstauslöser. Was irgendwie sofort an den heutigen Selfie-Stick erinnert. "Mir hat mal jemand gesagt, ich hätte das Selfie ja sozusagen erfunden", sagt Hübner und muss lachen.
Unzählige Fahrten über die Region liegen hinter Hübner. Von oben hat er Orte wachsen, sich verändern sehen. Und das alles festgehalten. Zweimal hat er die Alpen überquert, ist vom Chiemsee aus nach Italien geflogen, über China, über Kenia, Tunesien, Marokko und und und. Oft mit seiner Frau Marga, sagt Hübner. 1500 Fahrten mit dem Ballon waren es insgesamt, 25 Jahre, das "beste Drittel meines Lebens", nennt es der Hobbyfotograf heute.
Das Ergebnis sind unendlich viele Bilder, von denen etliche auch bei regionalen und überregionalen Ausstellungen zu sehen waren und mit Preisen ausgezeichnet wurden. Dann, vor vier Jahren, war erst einmal Schluss mit dem Blick von oben. Nach einer Hüft-OP war Hübner das Risiko zu groß. Er hing das Ballonfahren an den Nagel, schweren Herzens.
Trotzdem, Luftaufnahmen macht Hübner auch heute. Vor drei Jahren hat er sich einen Copter gekauft. Heute geht es mit der Drone in die Luft, hoch genug, um nach wie vor die Welt aus einer ungewöhnlichen Perspektive zu zeigen. Zwei Bücher hat der Hobbyfotograf herausgebracht: den Bildband "Mainfranken in Luftaufnahmen" und ein Postkartenbuch. Bis heute ist er Mitglied im SKF-Fotoclub, den er – selbst Gründungsmitglied – auch 18 Jahre lang geleitet hat. Mit SKF verband ihn viel. 41 Jahre hat er dort gearbeitet, bis er in den Vorruhestand ging. Ein ganzes Arbeitsleben.
Mitglied im Fotoclub ist er bis heute, hat sich aber zurückgezogen, wie er sagt. Zu viel gibt es zu tun, zu fotografieren. Doch auch heute organisiert Hübner noch Ausstellungen, wie die über die Bergheide in Gochsheim 2018oder die Schonunger Bucht, beides Landschaften, die ihn faszinieren. Und bis heute werden seine Bilder bei Ausstellungen prämiert. Beispielsweise beim Mainfränkischen Fotofestival in Schweinfurtvergangenes Jahr, nach dem er mit einigen Urkunden nach Hause ging. Ebenso wie bei der2019er-Auflage in Schwanfeld.
Seine Lieblingsbilder sollte er aussuchen, hatte ich Hübner im Vorfeld des Gesprächs gebeten. Schwierig, sagt er, also habe er vor allem Neues genommen. Die Auswahl ist riesig, in Jahrzehnten sind so viele Bilder, so viele Filme entstanden, erst 8-Millimeter-Filme, später Super-Acht-, dann Videofilme. Ein riesiges Archiv, dem die ebenso stattliche Sammlung an Hardware in nichts nachsteht. "Mit der Zeit bin ich zum Kamerasammler geworden", sagt Hübner, der sich vor allem eines wünschen würde: Seine Sammlung öffentlich ausstellen zu können.
Einen Vorstoß in der Richtung gab es schon. Gemeinsam mit dem Historischen Verein hatte Hübner bei der Gemeinde angeklopft. Das Haus, in dem das kleine Apothekermuseum untergebracht ist, könnte zum Museums-Häuschen ausgebaut werden – mit Foto- und Ballonmuseum und anderen Ausstellungsthemen. Ein Vorschlag, auf den die Gemeinde bisher nicht eingegangen ist. Schade, sagt Hübner, der die Hoffnung doch nicht aufgeben will. Denn zu sehen gäbe es einiges in diesem Fotomuseum, das dann neben dem Foto-Museum in der Museums-Scheune in Schwebheim eines von zwei in der Region wäre, nachdem das Zeiler Fotomuseum 2018 nach dem Tod seines Gründer schließen musste.