Die Kulturszene und Corona, das ist wie Donald Trump und die Wahrheit – zwei Pole, die sich gegenseitig abstoßen. Leider, denn neben vielen anderen ist vor allem die Kulturbranche von den erheblichen Einschränkungen bei Veranstaltungen durch die Gefahr der Infektion mit dem Coronavirus betroffen, natürlich auch in Schweinfurt.
Schon vor einigen Wochen rief ein Zusammenschluss von Schweinfurter Kulturakteuren aus Stattbahnhof, Disharmonie, KuK, KulturPackt sowie der Agenturen L19 und 19Sieben ein "Nicht-Festival" ins Leben – als Solidaritätsaktion für die freie Kultur in Schweinfurt, die durch die Corona-Krise vor einer völlig ungewissen Zukunft steht. Auf zwei Bühnen werden namhafte regionale wie internationale Bands und Künstler, die in der Vergangenheit fast alle auch schon tatsächlich auf Schweinfurter Bühnen standen, am 20. Juni nicht kommen. Wie der Name der Aktion schon sagt. Unterstützer-Tickets sind für zehn bis 18 Euro erhältlich.
Bisher läuft es schon sehr gut, wurde eine deutlich vierstellige Zahl an Karten verkauft, wie Ralf Hofmann von der Agentur L19 auf Nachfrage erklärte. Aus ganz Deutschland gebe es Anfragen, sogar aus Spanien, wie Hofmann kürzlich berichtete. Darüber hinaus ist die Unterstützung prominenter Künstler für das Projekt in Schweinfurt, das sein Vorbild in einer ähnlichen Aktion zu Beginn der Pandemie in Hamburg hat, ungewöhnlich groß.
Auf der Internet- und der Facebookseite (www.keiner-kommt-nach-schweinfurt.de) gibt es Videos, in denen über 20 Künstler, die schon in Schweinfurt zu Gast waren, für Solidarität werben. Erwin Pelzig etwa kaufte für sich, den Hartmut und Dr. Göbel je ein Ticket. Gitarrist Pete Koller von der New Yorker Hardcore-Legende "Sick of it all" steht im Meer beim Baden und wirbt leidenschaftlich für seine Freunde vom Stattbahnhof, einem seiner Lieblingsorte wenn sie auf Tour in Deutschland sind. Auch die Wellküren, die erst Anfang des Jahres in der Disharmonie waren, werben in ihrer Küche per Videobotschaft für das Festival, das es gar nicht gibt.
Mit dem "Nicht-Festival" sollen Gelder generiert werden, die von einer 17-köpfigen Kommission hinterher an Schweinfurter Künstler, Trägervereine, Veranstalter und deren betroffene Infrastruktur vergeben werden. "Wir sind alle unverschuldet in diese erdrückende Situation geraten", erklärte Ralf Hofmann vor Wochenfrist, der mit seiner Agentur L19 unter anderem für das Honky Tonk in Schweinfurt verantwortlich ist.
Die Initiatoren weisen darauf hin, dass alle Kulturakteure, die hauptberuflich von und mit der Kultur leben, Unterstützungsanträge stellen können. Eine Gemeinnützigkeit im steuerrechtlichen Sinne sei keine Voraussetzung. Die Aktion wende sich ausdrücklich auch an kommerzielle Anbieter, denen aufgrund der Corona-Pandemie zum Teil komplett die Arbeits- und Existenzgrundlage entzogen wurde.
Zusammenarbeit mit der Stadt wurde bewusst nicht gesucht
Bei diesem Festival gibt es keine Zusammenarbeit zwischen der Stadt und der freien Kultur. Ein Zeichen dafür, dass aus verschiedenen Gründen der Graben zwischen dem städtischen Kulturamt und der freien Szene immer größer geworden ist. Das begann mit der seit Jahren geführten Diskussion darüber, ob freie Kulturträger wie Disharmonie oder Stattbahnhof, die gut zwei Drittel der über 650 Veranstaltungen pro Jahr in Schweinfurt zusammen anbieten, nicht stärker bezuschusst werden müssen, um zukunftsfähig zu sein. Verbitterung gab es von Seiten der nicht städtischen Kultuträger auch beim Thema Kulturforum, da unter anderem der gewünschte Veranstaltungssaal mit 300 Plätzen nicht realisierbar ist. In der Corona-Krise entfremdete man sich endgültig voneinander, als klar wurde, dass die Stadt ihre Priorität insbesondere bei den eigenen städtischen Kulturbetrieben setzt.
Für das Festival, das es gar nicht gibt, wird auf allen Kanälen analog und online getrommelt. Tickets gibt es natürlich noch, darüber hinaus entsprechende Festival-Shirts. Infos unter www.keiner-kommt-nach-schweinfurt.de zu kaufen oder in der Buchhandlung Collibri am Schweinfurter Marktplatz.