
Dass viele Schweinfurter Einzelhändler unzufrieden mit der Corona-Lage sowie dem Krisenmanagement der Stadt sind, ist nicht zuletzt im Disput zwischen Citymanagement und Handelsverband deutlich geworden. Während letzterer der Stadt Tatenlosigkeit vorwarf und sofortige Öffnungen forderte, verwies die Stadt auf zahlreiche Maßnahmen, die man in Coronazeiten zur Unterstützung des Einzelhandels unternommen hat. Um die neue Corona-Regel (Click & Meet mit negativem Corona-Test) überhaupt mittragen zu können, fordern Schweinfurts Einzelhändler von der Stadt, dass sie deutlich mehr Testangebote zur Verfügung stellt, um einen reibungslosen Einkauf zu ermöglichen. Martin Weiß, Inhaber vom Schweinfurter Geschäft Leder Weiss, wünscht sich darüber hinaus mehr Initiative.
"Es werden lediglich die Vorgaben der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung umgesetzt", sagt Weiß. Es fehlten jedoch kreative Lösungen, um Handel und Gastronomie während der Pandemie über Wasser zu halten. Weiß wünscht sich etwa von Seiten der Stadt, "kostenloses City-Parken" (bisher bereits für zahlreiche Mitglieder der Werbegemeinschaft Schweinfurt erleben möglich) oder kostenlose Stadtbusse an Samstagen. "Es ist offensichtlich nicht gewollt, Menschen in die Innenstadt zu bringen." Man nehme bewusst in Kauf, das sich der verbleibende Rest der (inhabergeführten) Geschäfte überschuldet und schließen muss, so Weiß. Das liege nicht zuletzt auch daran, dass das Testangebot der Stadt alles andere als serviceorientiert aufgebaut sei.
Forderung nach mehr Testkapazitäten
Deshalb fordern neben Weiß auch Händler wie das Modehaus Wöhrl oder der Handelsverband, die Testkapazitäten schnellstmöglich zu erweitern. Auf Nachfrage der Redaktion antwortete Pressesprecherin Kristina Dietz: "Die Stadt Schweinfurt arbeitet mit Hochdruck daran, das Angebot an Teststellen in der Schweinfurter Innenstadt auszubauen." Zuletzt wurde etwa das kommunale Schnelltestzentrum in der Georg-Wichtermann-Halle installiert, welches vielen Händlern nicht zentral genug liegt.
Doch Martin Weiß bezieht seine Kritik nicht nur auf die aktuelle Krisenbewältigung der Stadt. Er attestiert der Stadtverwaltung generelle Untätigkeit und Versagen, was die Aufgabe angeht, neue Geschäfte in die Leerstände zu bringen, um damit Passanten und Kunden in die Innenstadt zu lotsen. "Hier hat das Citymamagement nichts substanzielles vorzuweisen. Ramsch und Leerstände sind zu sehen. Der Branchenmix stimmt nicht, Qualität und Individualität gingen verloren", so Weiß.
Citymanager: Marktlage ist sehr angespannt
Angesprochen darauf, zeigt Schweinfurts Citymanager Thomas Herrmann grundsätzliches Verständnis für den Unmut der Einzelhändler inmitten der Krise. "Die aktuelle Situation macht es natürlich nicht einfacher, Handelsunternehmen zu finden, die expandieren", erklärt Herrmann. Große namhafte Textilunternehmen gerieten demzufolge seit Jahren zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten, welches sich auf die Handelslandschaft und den Branchenmix in Städten bundesweit auswirke. Dies sei keine Schweinfurter Besonderheit.
"Auch für die geforderten 'kleinen, individuellen Händler' ist die Marktlage sehr angespannt, das wissen wir aus unzähligen Gesprächen mit Händlern in Schweinfurt", so Herrmann. Daher unterstütze die Stadt "über vielfältige Angebote" jeden Interessenten, der in der Innenstadt ein Gewerbe plant und begleite ihn bis zur Eröffnung sowie auch noch danach. Man suche aktiv nach neuen Mietern um die Handelslandschaft in Schweinfurt auszubauen, versichert Herrmann.
Händler kritisiert "lokale Einkaufsplattform"
Genau diese Handelslandschaft ist für Weiß derzeit nicht zufriedenstellend. Ebenso funktioniere die während der Pandemie eingerichtete "lokale Einkaufsplattform" nicht richtig. Stadt und Werbegemeinschaft "Schweinfurt erleben" hatten hierzu bereits mitgeteilt, dass die Beteiligung der Händler an besagter Plattform äußerst enttäuschend sei. Viele würden etwa den Aufwand zum onlinegerechten Fotografieren und Beschreiben der eigenen Produkte nicht auf sich nehmen können. "Das sagt einer, der das noch nie gemacht hat, der das gar nicht einschätzen kann was das für ein Aufwand ist. Dafür gibt es heutzutage Bilder-Datenbanken", entgegnet dem Martin Weiß.
Der Geschäftsmann fürchtet, dass bei der Stadt und beim Stadtmarketing Experten tätig sind, welche noch nie hinter einer Ladentheke gestanden haben, den Einzelhändlern aber deren Beruf erklären wollen. Dass die Stadt den bayerischen Stadtmarketingpreis für ihr Engagement erhalten habe, sei "nett". Aber: "Ist deshalb nur ein Kunde mehr nach Schweinfurt gekommen?"
Der Wunsch nach einer Tübingen-Kopie
Auch die Bewerbung Schweinfurts als bayerische Modellstadt sieht Weiß kritisch. "Wie lange dauert das wieder, Monate, wenn überhaupt je?", fragt er. Der Handel brauche jetzt sofort Hilfe und Unterstützung, sonst werde es ihn in dieser Form bald nicht mehr geben. "Meine Kollegen und ich, wir wollen einfach nur unserem Beruf nachgehen, nach allen Regeln der Hygienvorschriften, so wie das im Lebensmittelhandel oder einer Drogerie problemlos gehandhabt wird", fordert Weiß.
Er wünscht sich von der Stadt Schweinfurt eine Kopie des Tübinger Modells. So könnten auch hier schnelle Coronatests den Zutritt von Geschäften, Kinos und Cafés für jeweils einen Tag ermöglichen. "Ich sehe nur Vorteile. Das geht, man muss es halt wollen." Derzeit sind von Seiten der Stadt keine Bestrebungen nach solchen Öffnungen unabhängig von der Modellstadt-Bewerbung bekannt.