In vielen Ländern Europas stechen sie optisch aus dem Pflaster hervor – die goldenen Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig. Sie sollen Anlass geben zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus, an all die vertriebenen, verfolgten und ermordeten jüdischen Mitmenschen.
Auch in Schweinfurt will man diese Erinnerungskultur leben. Stolpersteine waren hier dennoch lange kein Thema. Das hat sich jetzt geändert. Im Rahmen einer kleinen Gedenkfeier hat Demnig am Mittwoch in der Schweinfurter Siebenbrückleinsgasse 14 in Gedenken an Bernhard, Elise und ihren Sohn Wilhelm "Willy" Adler drei Stolpersteine verlegt. Doch der Weg dahin war lang.
Erste Stolperstein-Anfrage vor 20 Jahren abgelehnt
Bereits vor 20 Jahren habe sie das erste Mal bei Gunter Demnig angefragt, ob in der Schweinfurter Innenstadt in Gedenken an ihre Urgroßeltern Stolpersteine verlegt werden könnten, erzählt Urenkelin Susan Worthington im Gespräch mit dieser Redaktion. Vergeblich – Schweinfurt sei da schwierig, sie sei nicht die Erste, die das versucht habe und am Stadtrat gescheitert sei, habe Demnig ihr damals mitgeteilt.
Vor zwei Jahren konnte Worthington dann Schweinfurts zweite Bürgermeisterin Sorya Lippert für ihr Vorhaben begeistern. "Wir haben uns in Schweinfurt lange schwergetan mit der Verlegung von Stolpersteinen", gibt Lippert zu. Man plane ja bereits ein Projekt an der Stadtmauer am Unteren Wall, wo eine Tafel auf das Schicksal der verfolgten und ermordeten Schweinfurter Jüdinnen und Juden aufmerksam machen soll. Außerdem wolle man nicht mit Füßen auf die von den Steinen symbolisierten Schicksale treten. "Ich finde das nachvollziehbar. Aber das Argument ist für mich in dem Moment entkräftet, in dem Angehörige das für ihre Vorfahren wünschen", sagt Lippert.
Mehr als 20 Menschen waren zu der Gedenkfeier in der Schweinfurter Siebenbrückleinsgasse 14, dem ehemaligen Wohnort der Familie Adler, gekommen. Konzertsänger Igor Dubovsky untermalte die Verlegung mit Liedern auf Jiddisch.
Damm für weitere Schweinfurter Stolpersteine gebrochen?
Susan Worthington, die für die Verlegung extra aus Basel angereist war, zeigte sich sichtlich bewegt. "Da kommen Emotionen hoch", sagt sie. "Es ist ein persönliches, kleines Denkmal für einen Menschen, aber es fügt sich auch in ein größeres Ganzes. Ich bin froh, dass wir dazugehören." Die Kosten von 120 Euro pro Stein hat sie selbst finanziert.
Die Steine sollen erinnern an Bernhard Adler, ehemaliger Religionslehrer der jüdischen Gemeinde in Schweinfurt und Gründer der ersten Privat-Handelsschule der Stadt, seine Frau Elise und ihren Sohn Wilhem Adler. Das Ehepaar war im September 1942 gemeinsam mit anderen Schweinfurter Jüdinnen und Juden in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und dort Anfang 1943 ermordet worden. Wilhelm Adler war vor den Nationalsozialisten ins Ausland geflohen.
Mehr als 96.000 Stolpersteine in 1265 Kommunen erinnern mittlerweile europaweit an Schicksale, wie das der Familie Adler. Susan Worthington hofft nun, das diese drei Steine weitere Angehörige bestärken, sich mit diesem Anliegen an die Stadt Schweinfurt zu wenden. "Ich denke, dass das ein Anstoß sein kann. Und ich hoffe, dass jetzt noch andere dazukommen", sagt sie. Auch Bürgermeisterin Lippert vermutet, dass jetzt der Damm für weitere Schweinfurter Stolpersteine gebrochen sein könnte. "Meine Unterstützung hätten sie", sagt sie.