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Schweinfurt
Schweinfurter Jugendtreff "kom,ma" bleibt wegen Personalmangels doch noch geschlossen: Stadt friert Gelder ein
Trotz städtischer Finanzspritze bleibt das "kom,ma" geschlossen. Der Mangel an qualifiziertem Personal verhindert eine Wiedereröffnung. Die Stadt wurde überrascht.
Nach der unsicheren Zukunft des Jugendtreffs kündigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.  Kirche und Stadt suchen dringend nach Verstärkung.
Foto: Anand Anders | Nach der unsicheren Zukunft des Jugendtreffs kündigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Kirche und Stadt suchen dringend nach Verstärkung.
Ella Knigge
 und  Leon Kaessmann
 |  aktualisiert: 04.11.2024 02:35 Uhr

Es steht alles bereit im "kom,ma": die Tischtennisplatte, der Billard-Tisch, der Kicker. Normalerweise wäre in dem Schweinfurter Jugendtreff gerade Hochbetrieb. Es ist 15 Uhr, für viele Schülerinnen und Schüler endet spätestens jetzt der Unterricht. Jetzt würden nach und nach Jugendliche aus der Umgebung in den einzigen Jugendtreff im Zentrum der Stadt eintrudeln. Doch Felix Eckstein sitzt hier allein im großen Hauptraum – und wartet. Doch worauf eigentlich? "Uns fehlt Personal", sagt der Erzieher. Eine Leitung, eine halbe Erzieherstelle – mindestens. "Ich bin der letzte Verbliebene."

Nach den Sommerferien sollte das "kom,ma" im Oktober wieder öffnen. Doch trotz der finanziellen Rettung durch die Stadt im Juli waren viele Mitarbeitende so verunsichert, dass die Leitung sowie mehrere Erzieherinnen und Erzieher gekündigt haben. Über den Sommer konnte die Kirchliche Jugendarbeit, betraut mit der Personalakquise, keinen passenden Ersatz finden.

Der 'letzte Verbliebene': Felix Eckstein vom Jugendtreff 'kom,ma'
Foto: Ella Knigge | Der "letzte Verbliebene": Felix Eckstein vom Jugendtreff "kom,ma"

Viele junge Menschen bedauern die Nicht-Öffnung des Jugendtreffs

Der Jugendtreff bietet seit mehr als 50 Jahren Hausaufgabenbetreuung und Freizeitaktivitäten für Jugendliche von zwölf bis 18 Jahren an. Für den offenen Treff, Veranstaltungen und Workshops kamen täglich 35 bis 50 Jugendliche vorbei.

Die Diskussion um den Fortbestand des "kom,ma" dauert nun schon weit mehr als ein Jahr an: Im Juli 2023 hatte das Bistum Würzburg angekündigt, den Jugendtreff aus Kostengründen schließen zu wollen. Über fast ein Jahr hinweg folgten mehrere Verhandlungsrunden zwischen Diözese, Dekanat, Pastoralem Raum, freien Trägern und der Stadt Schweinfurt. Im Juli präsentierten Vertreter der Diözese, des Dekanats und der Stadt schließlich stolz eine Lösung für die kommenden drei Jahre: Die Stadt Schweinfurt übernehme das Defizit von 161.000 Euro im Jahr. Eine klare Zusage an den Jugendtreff - zuvor hatte die Stadt nur etwa 11.000 Euro Zuschuss im Jahr gezahlt.

Für viele Jugendliche fällt ohne den Jugendtreff ein großer Teil der Freizeitaktivitäten weg. Die 13-jährige Najia trifft besonders der Ausfall der Hausaufgabenhilfe. "Ich muss alles alleine machen", erzählt sie. Vorher sei sie jeden Tag im "kom,ma" gewesen.

Akute Personalnot überrascht die Stadt – Kirche spricht von Fachkräftemangel

Dass der Jugendtreff dieses Schuljahr noch nicht öffnen konnte, ist offenbar noch nicht bei allen Stammgästen angekommen. Während des Gesprächs mit dieser Redaktion kommt ein 16-Jähriger durch die Tür und wundert sich, warum hier so wenig los ist. "Wir haben leider geschlossen, alle anderen außer mir sind weg", sagt Felix Eckstein bedauernd.

Doch nicht nur an den Jugendlichen ist die Nicht-Öffnung des "kom,mas" vorbeigegangen. Auch die Stadt erfuhr erst kürzlich von der Schließung. Für Jürgen Montag, Sozialreferent der Stadt, kam die unerfreuliche Nachricht überraschend.

"Uns war nicht bekannt, dass es akute personelle Probleme gibt."
Jürgen Montag, Sozialreferent der Stadt Schweinfurt

"Uns war nicht bekannt, dass es akute personelle Probleme gibt", sagt Montag. Ihm sei klar gewesen, dass einige Mitarbeiter gekündigt hätten. Doch dass der Jugendtreff aktuell nicht öffnen kann, sei ihm nicht bewusst gewesen. Die Aussage verwundert, denn dass besagte Stellen nachbesetzt werden müssen, ist schon seit Juli bekannt. Die pädagogische Leitung fehlt sogar schon seit Februar. Offenbar rechnete die Stadt damit, dass sich das Personalproblem über den Sommer rechtzeitig löst.

"Der Fachkräftemangel macht leider auch vor uns keinen Halt", sagt Annika Herzog, Leiterin der Kirchlichen Jugendarbeit, auf Nachfrage. Aktuell suche die Diözese Würzburg weiterhin nach einer Sozialarbeiterin oder einem Sozialarbeiter für die Leitung des "kom,ma" und nach einem Erzieher oder einer Erzieherin in Teilzeit. "Ohne qualifiziertes Personal können wir den offenen Treff und die Hausaufgabenbetreuung allerdings nicht verantwortlich betreiben", sagt Herzog.

Kein Geld von der Stadt, solange Treff geschlossen ist

Jürgen Montag zeigt Verständnis für die Situation der Kirche, die als Träger weiterhin verantwortlich für die Beschaffung von neuem Personal für das "kom,ma" ist. Doch er stellt klar: "Solange der Treff geschlossen ist, gibt es natürlich keine finanziellen Zuwendungen von der Stadt." Er sei in regem Austausch mit der Kirche und setze alle verfügbaren Mittel ein, um geeignete Bewerberinnen und Bewerber zu finden, zum Beispiel über die sozialen Medien.

"Kom,ma"-Erzieher Felix Eckstein wünscht sich, dass er den Jugendtreff bald wieder öffnen kann. "Ich arbeite gerne hier", sagt er.

 
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Kommentare
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  • Simone Eckenroth
    Die Personalakquise in kirchlichen Händen zu lassen, könnte unklug sein - Stichwort "Tendenzbetrieb": die Kirche stellt nicht mehr so restriktive Anforderungen an mögliche Mitarbeitende, das hat sich aber unter den Stellensuchenden noch nicht herumgesprochen. Wer nicht Mitglied einer christlichen Kirche ist, wird sich nicht bewerben.
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  • Irmgard Engert
    Das dürfte doch inzwischen allgemein bekannt sein, dass es hier große Änderungen gab!
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  • Peter Fischer
    Kann man nicht wenigstens einen eingeschränkten Notbetrieb wie z.B. Hausaufgabenbetreuung auch ohne Fachpersonal anbieten, z.B. mit Freiwilligen oder Studenten? Wäre das nicht besser als Nichts?
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  • Christof Lemberg
    Das ist für eine Stadt wie Schweinfurt unfassbar peinlich. Die Schließung eines solchen Zentrums als etablierter Treff und Ort der Jugendarbeit ist eine katastrophales Zeichen der Nicht-Wertschätzung gegenüber den Jugendlichen und verursacht unter Umständen enorme Folgekosten, weil dann irgendwann Streetworker den Mist richten müssen...
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