So langsam fällt es schwer noch durchzublicken. Erst dürfen die Geschäfte öffnen, dann nur noch mit Termin, irgendwann unter Vorlage eines negativen Corona-Tests und letztlich darf nur noch Ware abgeholt werden. Nicht nur Kunden haben es derzeit schwer, auch die Einzelhändler selbst müssen ihre Möglichkeiten genau prüfen, um nicht gegen eine bestehende Corona-Regel zu verstoßen. Die Bilanz der vergangenen Wochen fällt deshalb erwartungsgemäß schlecht aus. Nicht zuletzt darum ist Kreativität gefragt.
"Zurzeit sind nur noch eine Hand voll Geschäfte überhaupt offen", sagt Anica Helbing, Center Managerin der Schweinfurter Stadtgalerie. Die strengen Corona-Maßnahmen hätten dort zu einem massiven Rückgang der Kunden geführt, mittlerweile seien fast nur noch die Geschäfte offen, die die Grundversorgung gewährleisten. "Unterm Strich zahlen die Läden unter diesen Voraussetzungen drauf", sagt Helbing. Alleine die Einführung der Testpflicht vor dem Shoppen habe dazu geführt, dass kaum mehr jemand gekommen sei. Durch die weitere Verschärfung hin zu "Click & Collect" sind im April dann noch mehr Kunden ferngeblieben. Helbing fehlt deshalb eine Kontinuität für den Handel.
Helbing: "Wir können Konzepte"
Natürlich, so Helbing, sei die Lage ernst, die Infektionszahlen dementsprechend hoch. "Seit einem Jahr haben wir aber mittlerweile schon bewiesen, dass wir Konzepte können, die Shops sind alle vorbereitet und könnten die Hygienemaßnahmen allesamt einhalten", so die Center Managerin. Immerhin sei mit der Gleichstellung von vollständig Geimpften mit Getesteten ein erster Schritt gemacht worden. Weitere müssten jedoch folgen. Denn für ordentlichen Betrieb in der Stadtgalerie sorge derzeit nur das Schnelltestzentrum der Medicon Apotheke, nicht der normale Handel.
Genauso mager wie in der Stadtgalerie fällt die Bilanz in der Schweinfurter Innenstadt aus. Laut Martin Weiß, Inhaber von "Leder Weiss", habe der April 23 Verkaufstage gehabt, zu denen normalerweise die umsatzstarken Tage des Ostergeschäftes zählen. Knapp die Hälfte dieser Tage habe man Terminshopping unter Vorlage eines negativen Corona-Tests anbieten dürfen, was nur rund 20 Prozent des gewöhnlichen Umsatzes erzielte. "Das ist weniger als kostendeckend", so Weiß. Durch die Umstellung auf Click & Collect ergab der ganze April sogar nur etwa zehn Prozent des Umsatzes aus dem Vorjahresmonat.
Teufelskreislauf in der "dritten Saison hintereinander"
Ein Grund für die schlechte Bilanz ist laut Weiß auch die herrschende Verwirrung. So seien die erforderlichen Tests nicht immer schnell genug verfügbar, teilweise sei der Weg zu einem negativen Befund schlicht zu zeitaufwendig. "Das und das ständige Hin-und-Her der Politik ist abschreckend", so Weiß. Für eine Familie, die zum Shoppen in die Innenstadt kommen will, fehlten die Cafés zum Draußen sitzen, das Entspannen, das Sehen und Gesehen werden und damit der Anreiz zum Bummeln. "Man kann in der Fußgängerzone zwar einen Kaffee oder ein Eis bekommen, nur trinken darf man ihn dort nicht", bemängelt Weiß.
Sein Geschäft sei seit fast fünf Monaten "eher mehr als weniger geschlossen". Dies bedeute für seine Mitarbeiterinnen Kurzarbeit, rund 30 Prozent weniger Geld auf dem Konto. Der Betrieb könne kaum Einnahmen erzielen, laufende Kosten könnten nur zu einem großen Teil durch die Überbrückungshilfe ausgeglichen werden. "Die modische Ware der Frühjahrskollektion kann nicht verkauft werden, Ware verliert an Attraktivität und damit an Wert", so der Geschäftsmann. Und damit befinde man sich in einem Teufelskreis. Denn wenn die Läden wieder öffnen dürfen, würden Händler ihre Kunden mit Rabatten anlocken, was wiederum keine Gewinne und letztlich Schulden nach sich ziehen wird. "Das ist dann die dritte Saison hintereinander, in der das passiert."
Laut Weiß haben die verschiedenen Corona-Regelungen verheerende Folgen für den Handel. Demnach führte "Click & Meet" zu 50 Prozent weniger Umsatz, "Click & Meet" plus negativer Corona-Test sogar zu 80 Prozent weniger Umsatz. "Click & Collect ist für unser Geschäft der Tropfen auf den heißen Stein, zum Vergessen", so Weiß.
Kreative Ideen für Click & Collect
Für Axel Schöll, Kreisvorsitzender des bayerischen Handelsverbandes, ist die Lage ebenfalls "beschissen, es geht stationär fast gar nichts mehr". Er vermutet hinter den ständigen Regel-Änderungen eine Taktik der Bundesregierung, Verwirrung unter den Menschen stiften zu wollen. Statt einem echten Plan herrsche nach wie vor "Irrsinn und Willkür", was sich nicht zuletzt in einer Ungleichbehandlung äußere. "Erst mussten sie auch schließen, jetzt dürfen Buch- und Blumenläden wieder aufmachen, die anderen aber nicht, das versteht keiner mehr", so Schöll. Auch die Überbrückungshilfen liefen schleppend.
Da "Click & Collect" nicht funktioniere, hat Schöll neue Ideen, um Händlern zu helfen. "Wenn der Kunde nicht zur Ware in das Geschäft kommen darf, muss die Ware eben raus zum Kunden kommen", sagt er. Er habe bereits eine Anfrage an die Stadtverwaltung gestellt, wonach Händler etwa mobile Tresen oder fahrbare Warenkörbe vor ihre Geschäfte stellen dürften. "Das könnte einigen helfen, da sie vielleicht kein großes Schaufenster besitzen oder online nicht alle Produkte präsentieren können", so Schöll. Er begrüßt, dass sich die Stadtverwaltung diesbezüglich bereits bei ihm gemeldet habe, diese müsse seine Anfrage nun noch prüfen.
Darüber hinaus appelliert Schöll an alle Kollegen, weitere kreative Ideen zu entwickeln. "Auch ich habe noch einiges im Petto, was ich derzeit prüfen lasse", erklärt Schöll. Nur so könne man irgendwie durch die Krise kommen. Denn auch er spricht von einem Umsatzeinbruch des Einzelhandels von 70 bis 80 Prozent im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie.