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Schweinfurt
Schweinfurter Geheimnisse: Was es mit dem Doppeladler am Zeughaus auf sich hat
Mehrere Kapitel in dem Buch 'Schweinfurter Geheimnisse' widmen sich der Geschichte des Zeughauses im Herzen der Stadt.
Foto: Silvia Gralla | Mehrere Kapitel in dem Buch "Schweinfurter Geheimnisse" widmen sich der Geschichte des Zeughauses im Herzen der Stadt.
Hannes Helferich
Hannes Helferich
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:54 Uhr

Was hat das fast 500 Jahre alte Zeughaus nicht schon erlebt! Es war Lagerplatz für allerlei Zeug, das sagt ja schon der Name. Lange Zeit auch Zeitungshaus und Druckerei, was auch der Grund dafür ist, dass viele Schweinfurter noch immer vom "Tagblatt" reden, wenn sie das Zeughaus meinen. Heute ist es Familientreffpunkt der Stadt.

Am Haus findet der aufmerksame Beobachter auch einiges, das mit den Nutzungen eigentlich nichts zu tun hat, aber viel(e) Geschichte(n) erzählt. Was bedeutet der Doppeladler am Turm? Wer sind die auf einer Tafel genannten Menschen? Stimmt es, dass der Keller erst sehr viel später gebaut wurde?

Erst einmal ein kurzer Blick zurück. Auf dem heute nach dem Gebäude benannten Platz stand ab 1437 die "Roßmühle". Sie wurde beim zweiten Stadtverderben im Markgräfler Krieg 1554 zerstört. Weil der Rat der Freien Reichsstadt – 1230 bis 1802 – ein Waffenarsenal benötigte, sahen der damalige Bürgermeister Kremer und seine Räte das Gelände der ehemaligen Roßmühle als den dafür geeigneten "Bauplatz" an. Zunächst diente das 1589 bis 1591 gebaute Zeughaus als "Verwahrort der Geschütze und Munition, später als Lagerhaus für Getreide", berichtet der frühere Stadtarchivar Erich Saffert. Die einstigen Stadtbaumeister Urban Fend und Johann Holzapffel ließen das Zeughaus seinerzeit im Stil der Nachgotik/Renaissance unter Mitarbeit der Steinmetze Gabelmann und Nikolaus Sieber errichten.

An sie und die beteiligten Ratsherren erinnert die in die Turmmauer eingelassene Inschrift – in Höhe des ersten Obergeschosses und über dem zweiten erhaltenen Relikt aus der Entstehungszeit: dem Wappen als Herzschild mit dem Doppeladler von Kaiser Rudolf II. Während seiner Regierungszeit 1576 bis 1612 wurde das Zeughaus erbaut.

Seit die Kaiserwürde ab dem 16. Jahrhundert fast durchgehend an Mitglieder der habsburgischen Dynastie vergeben wurde, führten die habsburgischen Kaiser den kaiserlichen Doppeladler mit einem Herzschild, das die Wappen ihrer Länder zeigte, was die Bindung der Kaiserwürde an die Habsburger unterstreichen sollte.

Der Doppeladler an der Wand des Zeughauses im Herzen Schweinfurts zeugt von dessen jahrhundertealter Geschichte.
Foto: Hannes Helferich | Der Doppeladler an der Wand des Zeughauses im Herzen Schweinfurts zeugt von dessen jahrhundertealter Geschichte.

Heutige Doppeladler eine Kopie des Originals

Der heute zu sehende Doppeladler ist allerdings eine Kopie des historischen "Federviehs", die vor zirka 30 Jahren selbst repariert werden musste. Die Schweinfurter Firma Labus schnitt den Edelstahl-Adler per Wasserstrahl aus, das Malergeschäft Kämpf – mit Standort gegenüber dem Zeughaus – überzog den Doppeladler mit 24 Karat-Doppelgold. Er sitzt auf einer schmiedeeisernen Stange, die in die Kugel auf dem Turm eingelassen ist.

Ehemals zierten 21 Kupferknöpfe den Giebel, Treppenturm und die Dachgauben des Bauwerkes, das an der West- und Nordseite eine Mauerstärke von 1,10 Metern aufweist. Die übrigen Seiten sind kaum ein Drittel so stark, weil, so Erich Saffert, "erstere bei Beschuss am meisten gefährdet waren". Apropos Beschuss: Die Kanonenkugeln im Westgiebel sind nachträglich eingemauert worden. Die Chronik berichtet nämlich, dass diese Kugeln beim Angriff der Schweden 1647 am Mauerwerk abgeprallt sein sollen.

1826 erwarb der erfolgreiche Industrielle Wilhelm Sattler (1784- 1859) das Anwesen, in dem in den Jahren zuvor Theater gespielt worden sein soll, es diente auch als Pferdestall und Soldaten-Unterkunft. Sattler ließ damals an der Nord- und an der Westseite je einen Vorbau errichten. Ein Stein im westlichen Torbogen trug die Initialen W und S für Wilhelm Sattler. Die Stadt ließ die Vorbauten beim Umbau 2013/2014 abreißen, der Sattler-Stein wurde außen sichtbar nicht wieder eingemauert.

Am 16. September 1935 erwarb Hans Helferich das Zeughaus von der Firma Sattler. Der Verleger und Herausgeber des Schweinfurter Tagblatts fand im altehrwürdigen Gebäude den Platz, der ihm am Standort seiner Buchdruckerei in der Brückenstraße 18 fehlte. Bis dahin hatten zahlreiche Mieter das Zeughaus für ihre Zwecke genutzt, wie der technische Artikel vertreibende Rudolf Dähn, der Fahrradhändler Hans Drescher oder der Automechaniker Otto Schneider samt Werkstatt.

Mehrere Jahrzehnte als Zeitungshaus genutzt

Nach deren Auszug begannen am 26. September 1938 die Renovierungsarbeiten. Der Schornstein im Westen wurde abgebrochen. Man benötigte aber für die Heizung, Zeitungs-Papierrollen und Sozialräume einen Keller. "Ein immenser Aufwand", schreibt Helferich in der Familienchronik. Bis dahin verfügte das Zeughaus nur an der Südostecke über einen kleinen Aushub von wenigen Quadratmetern. Bei den Arbeiten stieß man auf die Überreste eines Mahlgangs, wahrscheinlich der früheren Roßmühle.

Am 8. Oktober 1940 wurde das Zeughaus dann offiziell als "Zeitungshaus" übergeben. Das 1856 gegründete Schweinfurter Tagblatt war 1900 von Gotthard Silvester Helferich, dem Vater von Hans Helferich, übernommen worden. Nach der im März 1943 auf Anordnung der Reichspressekammer der NSDAP erfolgten Verfügung wurde das Blatt verboten, 1949 durfte das Tagblatt wieder erscheinen, aber erst 1953 ins Zeughaus zurückkehren.

Da schon unter der Regie von Heinz Helferich, dem Vater des Autors. Zwei Jahre nach seinem Tod (2001) erwarb die städtische Hospitalstiftung das Baudenkmal. Die Mediengruppe Main-Post mit Tagblatt und Volkszeitung blieb noch bis 2009 als Mieter, verlegte ihren Sitz dann in die Schultesstraße. Nach umfassender Sanierung durch die Stadt dient das Zeughaus heute als "Haus der Familien" mit Angeboten vom Kleinkind- bis zum Müttertreff. Der Zeughausplatz ist mittlerweile umgestaltet, der Autoverkehr zurückgedrängt. Ein bisschen ist wieder die Zeit zurückgekehrt, die der Heimatforscher Hubert Gutermann 1927 so beschrieben hat: "Keine Fabriksirene, keine Autohupe weckt die Anwohner." An die einst ländliche Idylle dort erinnern noch heute die Namen der umliegenden Straßen und anderen Plätze: Bauerngasse, Kornmarkt, Roßmarkt.

So geht's zum Doppeladler:

Er befindet sich am Treppenturm des historischen Gebäudes Am Zeughaus 18. Dieses ist wegen seiner zentralen Lage in Schweinfurt aus allen Himmelsrichtungen problemlos zu erreichen ist.

Das Buch „Schweinfurter Geheimnisse“ ist in Kooperation zwischen der Main-Post und dem Bast Medien Verlag erschienen. Das Buch (Hardcover) kostet 19,90 Euro, hat 192 Seiten und ist durchgehend bebildert. Erhältlich im Buchhandel oder direkt beim Verlag: bestellungen@bast-medien.de (versandkostenfrei). ISBN: 978-3-946581-81-9

 
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  • Klaus Krug
    Auf dem Bild auch das traurige Zeughaus-Umfeld:
    Fast 4.000 (!) Quadratmeter vollständig gepflastert, garniert mit ein paar armseligen Bäumchen, Pflanzkübeln und einigen Betonklötzen zum Draufsetzen. Eine Steinwüste, ökologisch wert- und praktisch nutzlos, mit einer Aufenthaltsqualität unterhalb der Nulllinie.
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