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Schweinfurt
Schweinfurter Geheimnisse: Warum das Strafrecht am Jungfernkuss schrecklich war
Hier wurde Strafrecht ausgeübt: Christina Schuhmann auf der Plattform des Jungfernkusses.
Foto: Katja Glatzer | Hier wurde Strafrecht ausgeübt: Christina Schuhmann auf der Plattform des Jungfernkusses.
Katja Glatzer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:56 Uhr

Auf dem Gelände des Alten Friedhofs, nahe dem Mainufer gelegen, erregt der Überrest eines Turmes Aufmerksamkeit. Treppen führen hinauf auf eine Plattform, und gerade an warmen Sommertagen findet sich hier ein lauschiges Plätzchen zum Verweilen. Es handelt sich um den so genannten Schalenturm, der aber eher unter dem Namen „Jungfernkuss“ in die Schweinfurter Geschichte eingegangen ist.

Im Hintergrund sind nicht selten Melodien aus der nahe gelegenen Musikschule zu hören. Dass es hier nicht immer so lauschig zugegangen sein mag, wissen viele Schweinfurter vermutlich nicht. "Es ist auch wirklich eine schaurige Geschichte, die sich um diesen historischen Ort rankt", erzählt Schweinfurts allererste Weinprinzessin, Christina Schuhmann. Aber vielleicht übt dieser Ort genau deshalb eine solche Faszination aus.

Doch zunächst zu den Fakten: Nach Sanierungsarbeiten an den Stadtmauerresten am Alten Friedhof und der Entdeckung der historischen Spitaltorbrücke 2007 kam im Jahr 2008 ein weiteres Zeugnis der Stadtgeschichte auf dem Gelände an der Schultestraße zutage, nämlich der Jungfernkuss oder eben Schalenturm, eine in Teilen erhaltene Turmanlage, die die Südwestecke der Schweinfurter Stadtmauer markierte. Bei der Freilegung einzelner Teile wurden eben auch der gut erhaltene Treppenabgang sowie ein intaktes Gewölbe entdeckt.

Die Main-Post wies in einem Bericht von 2009 darauf hin, dass am Schalenturm verschiedene Bauphasen ablesbar seien. So stammten ältere Bauteile vermutlich noch aus dem Jahr 1367 – nämlich aus dem von der Bürgerin Kunigunde Esel gestifteten Karmelitenkloster. Es stand bis 1542 an der Stelle des späteren Friedhofs und wurde auch eine Zeitlang als Waisenhaus genutzt.

Nach der Reformation wurde das Kloster aufgegeben, die Liegenschaft von der Stadt verwaltet. 1553/54, während des Markgräflerkrieges, diente das Anwesen als Geschützstellung und wurde schwer beschädigt. Die Stadt erwarb das Grundstück 1560 und legte hier den Friedhof an, der bis 1874 bestand (siehe Geheimnis 04).

Der Jungfernkuss und das Hinweisschild im Hof der Volkshochschule in der Schultesstraße.
Foto: Helferich | Der Jungfernkuss und das Hinweisschild im Hof der Volkshochschule in der Schultesstraße.

Der Sage nach, so die Weinprinzessin und Touristikfachfrau, wurde in dem Gewölbekeller zur Zeit des Spätmittelalters ein geheimnisvolles, schauderhaftes Strafrecht vollzogen. So soll hier eine eiserne Jungfrau gestanden haben, die in jeder Hand ein scharfes Schwert hielt. „Wenn ein Verbrecher aufflog und für todeswürdig erklärt wurde, sollen die Täter auf unterirdischem Weg in den Turm geleitet worden sein, um dort angeblich die Jungfrau zu küssen.“

Wenn sie sich ihr aber näherten, seien die zwei Schwerter zusammengeschlagen und "schlugen den Kopf des Verbrechers ab", erzählt Christina Schuhmann weiter. Die Köpfe der Straftäter, so wird erzählt, seien samt der Körper in das Wasserbecken gefallen, das sich am Turm befand. "Sahen nun beispielsweise vorbeigehende Mägde das rot verfärbte Wasser des Teiches, sprachen sie laut ‚Die Jungfrau hat gearbeitet‘ und beteten für die Seele der Gerichteten", erzählt die ehemalige Weinprinzessin schaudernd.

Diese Legende stamme vermutlich aus dem 19. Jahrhundert, meint Schuhmann, Belege für eine reale Existenz der eisernen Jungfrau seien vor Ort nicht gefunden worden. Heute ist der gesamte Bereich um die Spitaltorbrücke und den Jungfernkuss angelegt wie eine Parkoase – zum Erholen und Energie tanken. Nur: Wer sich hier zum Kuss bereit macht, der sollte sich vorher gut überlegen, ob der "Jungfernkuss" wirklich der geeignete Ort ist.

So geht's zum Jungfernkuss

In der Schultesstraße direkt neben der Schweinfurter Musikschule geht es die Treppen hoch in den Alten Friedhof. Auf dessen rechter Seite liegt an der Stadtbefestigung, in Richtung Vhs, der Jungfernkuss.

Das Buch „Schweinfurter Geheimnisse“ ist in Kooperation zwischen der Main-Post und dem Bast Medien Verlag erschienen. Das Buch (Hardcover) kostet 19,90 Euro, hat 192 Seiten und ist durchgehend bebildert. Erhältlich im Buchhandel oder direkt beim Verlag: bestellungen@bast-medien.de (versandkostenfrei). ISBN: 978-3-946581-81-9

 
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