Im Zuge der "Elektrifizierung des Verkehrs" ist das Thema Wasserstoff ins Hintertreffen geraten. Dass dies nicht so bleibt, war Ziel des zweiten Wasserstoff-Forums in der FHWS, zu dem die Schweinfurter Wirtschaftsjunioren (WJ) und die Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt im Rahmen der "Innovation Week" eingeladen hatten. Der Bachelor-Studiengang "Wasserstofftechnik", den die Hochschule anbietet, ist einzigartig in Deutschland.
Wasserstoff als Energieträger gilt als Schlüsseltechnologie und Wegbereiter in ein Co2-neutrales Zeitalter. Aber Wasserstoff hat ein Imageproblem, das Angebot an Wasserstoff-Tankstellen ist knapp, es fehlt an Fahrzeugen, Speichermöglichkeiten und einer funktionierenden Wasserstoff-Logistik. Es braucht Visionen und Innovationen, um die Wasserstofftechnologie auf die Straße und in die Köpfe zu bringen.
Wie das gelingen kann, darüber diskutierten beim Wasserstoff-Forum Prof. Dr. Winfried Wilke (Leiter des Studiengangs Wasserstofftechnik an der FHWS), Oliver Freitag (Bereichsleiter Innovation und Umwelt bei der IHK), Alfred Ulbrich (Betriebsleiter Pabst Transporte), Kai Vedder, Geschäftsführer der Translog Transport+Logistik GmbH, Railport-Betreiber des Schweinfurter Güterbahnhofs), Andreas Göb (Technischer Leiter der Stadtwerke Schweinfurt) und Michele Maggio von Lauda Temperiersysteme in Lauda-Königshofen. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Anna Meusert, Kreissprecherin der Schweinfurter Wirtschaftsjunioren.
"Nachhaltigkeit ist wichtig", so Meusert in ihrer Anmoderation. Ein Beispiel dafür sei die Firma Pabst-Transporte, die 45 mit verflüssigtem Erdgas (LNG) laufende Lastwagen in Betrieb habe. Seit knapp einem Jahr verfügt das Unternehmen über eine eigene LNG-Tankstelle in Gochsheim. "15 Prozent unserer 300 Lkw laufen mit LNG", so Alfred Ulbrich. Aber auch er bezeichnete den Wasserstoff als "Medium der Zukunft", denn im Schwerlastverkehr habe man mit rein elektrisch betriebenen Lkw Reichweiten-Problem. Er hofft auf die Entwicklung von Hybrid-Fahrzeugen, die durch Kombination von Wasserstoff-Brennstoffzelle und Elektrik die gebrauchten Reichweiten erzielen.
Vorschlag: Wasserstoff-Zentrum auf dem Gelände des ehemaligen Kernkraftwerks
Ulbrich regte an, die vorhandene Infrastruktur des stillgelegten AKG in Grafenrheinfeld zu nutzen, um dort ein Wasserstoff-Zentrum zu errichten. "Kabel, Leitungen, Netze, alles ist da." Windkraft- und Fotovoltaikanlagen könnten dort entstehen, der so gewonnene Strom werde genutzt, um im Elektrolyseverfahren Wasserstoff zu erzeugen. Seine Visionen "Wasserstoff als Speichermedium in stationären Anlagen und Wasserstoff in der Mobilität, wobei wir gerne bereit sind, mitzuentwickeln".
Für Studiengangleiter Professor Winfried Wilke ist Wasserstoff nicht nur ein Weg zur Klimarettung, sondern auch zu neuen Produkten. "Durch das Verbrennen fossiler Energieträger setzen wir CO₂ frei, das vor 650 Millionen Jahren aus der Atmosphäre eingesammelt wurde, genau das überfordert unser Klima", betonte er die Dringlichkeit auf durch Sonne, Wind und Wasser erzeugten Strom umzusteigen, der in der Wasserstofftechnik verwendet werden kann. Auch als Langfristspeicher sei der Wasserstoff die beste Option.
"Kein anderer Stoff hat mehr Energie pro Kilogramm, blöd nur, dass auch keiner so eine geringe Dichte hat", so Wilke über den Wasserstoff. Es braucht also Druck, um Wasserstoff volumensparend zu speichern. Eines der wenigen wasserstoffbetriebenen Fahrzeuge auf dem Markt, der Toyota Mirai, fährt mit 700 bar-Druckwasserstoff, lädt fünf Kilogramm in den Tank, fährt damit etwa 500 Kilometer weit.
Wasserstoff auch für den Wärmemarkt interessant
"Die Technik ist da", so Wilke im Hinblick auf den Wasserstoff. Produzieren, transportieren, verteilen, speichern und nutzen, so beschrieb er die Wirkkette des Wasserstoffs. Und da böten sich auch Chancen für neue Produkte, denn Wasserstoff sei auch für den Wärmemarkt interessant, neue Märkte seien durch den Aufbau einer Wasserstoff-Transport-Logistik denkbar. Deshalb sei es wichtig, regionale Kompetenzen zu nutzen und Kooperationspartnerschaften zu entwickeln.
Und dennoch ist die "Energiequelle Wasserstoff nicht mit der Popularität unterwegs, die sie bräuchte", so Anna Meusert. An was fehlt es, damit diese Energiequelle in Fahrt kommt? In der Diskussion wurde klar, dass vor allem die Menge des "grünen Wasserstoffs" größer werden muss. Wasserstoff, für den es viel regenerativen Strom braucht, den es nicht im erforderlichen Umfang gibt. Nur wenn die Wasserstoff-Fahrzeuge mit Strom aus regenerativen Quellen betrieben würden, seien sie eine klimafreundliche Alternative. Im Moment werde der überwiegende Teil des weltweiten Wasserstoffs aus Atomstrom oder mit Öl, Gas und Kohle gewonnen, der sogenannte "graue Wasserstoff".
Nur wenige Wasserstoff-Fahrzeuge auf dem Markt
Um Anwender werden zu können, brauche es ein Produkt. Aber die sind Mangelware. Im Augenblick gibt es nur sehr wenige und teure Autos auf dem Markt, wurde auf dem Podium bemängelt. Lediglich asiatische Autobauer wie Hyundai und Toyota böten je ein Fahrzeug an, bei deutschen Herstellern herrsche Fehlanzeige. Das Tankstellennetz (um die 100) sei sehr ausbaufähig. Wasserstoff gilt, weil explosiv, als gefährlich. Ein überkommenes Imageproblem, denn nach Stand der Technik ist ein wasserstoffbetriebenes Fahrzeug nicht nur sauber, sondern auch sicher unterwegs.
Wahrscheinlich, so die Prognose, werde sich der Wasserstoff zunächst im Schwerlastverkehr und auf der Schiene durchsetzen. Vor allem für nicht elektrifizierte Nebenbahnstrecken wäre Wasserstoff eine hervorragende Alternative in Zeiten ständig steigender Dieselpreise. "Die Erfurter Bahn wäre prädestiniert dafür", so Professor Wilke.
Wasserstoff als Energieträger hat weniger in technischer Hinsicht, vielmehr in seiner Akzeptanz so manche Hürde zu nehmen. Professor Winfried Wilke ist sich aber sicher, dass er sich durchsetzen wird, nicht nur, weil er viele Vorteile hat, sondern weil die bisher genutzten fossilen Brennstoffe knapper und teurer werden und endlich sind, was den Wasserstoff zur attraktiven Alternative mache – nicht nur für Fahrzeuge, sondern auch zu Heizzwecken.
Zu zögerliche Haltung: Technologievorsprung könnte verloren gehen
Beklagt wurde in der Runde auch eine zu zögerliche Haltung seitens der Fahrzeugindustrie gegenüber dem Wasserstoff. "Wir wollen die Welt retten, aber keiner traut sich richtig nach vorne, warum tun die sich nicht zusammen, um gemeinsam etwas zu entwickeln", so etwa Michele Maggio.
Deutschland müsse aufpassen, seinen Wissens- und Technologievorsprung nicht noch zu verspielen, so eine Erkenntnis der Podiumsdiskussion. Umso wichtiger sei es, sich regional zu vernetzen und Projekte auf den Weg zu bringen.