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Schweinfurt
Schweinfurt: Wenn keine Corona-Hilfen ankommen
Der Schweinfurter Einzelhänder Intersport-Geyer muss in der Krise ohne staatliche Hilfen auskommen. Warum das so ist und was Inhaber Martin Kupfer der Politik vorwirft.
Während des Lockdowns bleibt auch der Schweinfurter Einzelhändler Intersport-Geyer geschlossen.
Foto: Nicolas Bettinger | Während des Lockdowns bleibt auch der Schweinfurter Einzelhändler Intersport-Geyer geschlossen.
Nicolas Bettinger, Volontär, Mediengruppe Main-Post
Nicolas Bettinger
 |  aktualisiert: 11.02.2024 13:48 Uhr

Dass sich der Handel in Zeiten der Corona-Krise vielerorts ungerecht behandelt fühlt, ist bekannt. Erst kürzlich forderten Axel Schöll, Kreisvorsitzender des Handelsverbandes in Schweinfurt, und der unterfränkische Handelsverbands-Geschäftsführer Volker Wedde eine Gleichbehandlung zwischen Handel und Gastronomie. Denn derzeit werde der Einzelhandel von Seiten der Politik im Stich gelassen. Ins gleiche Rohr bläst jetzt ein Schweinfurter Familienunternehmer. Martin Kupfer, Inhaber und Geschäftsführer von Intersport-Geyer, beklagt massive Umsatzeinbrüche und macht dafür vor allem die Politik verantwortlich.

"Die Bundesregierung und auch die bayerische Landesregierung brüsten sich beinahe täglich damit, hunderte Milliarden an Hilfen für coronageschädigte Unternehmen bereitzustellen", so Kupfer. In den Medien sei täglich zu hören, dass keiner allein gelassen werde. Aber: "Staatliche Hilfen haben wir bis dato, abgesehen von Kurzarbeitergeld für die sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiter, bisher genau 0 Euro bekommen." Kupfer habe deshalb den Glauben verloren, dass der Staat etwas für kleine und mittlere Familienunternehmen tut. "Außer in guten Zeiten üppig Steuern zu kassieren."

Fast 30 Prozent Umsatzeinbruch bis Dezember

Der Schweinfurter Sporteinzelhändler beschäftigt 20 Mitarbeiter. Nicht alle, etwa die Auszubildenden, können überhaupt Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmen. "Seit 80 Jahren arbeiten wir täglich mit großem persönlichen Einsatz, 70 Stunden in der Woche, und sind dabei auch immer steuerzahlend am Markt", sagt Kupfer. Die pandemiebedingten staatlichen Restriktionen haben das Familienunternehmen, wie so viele andere Betriebe, schwer getroffen. Das Umsatzminus bei Intersport-Geyer betrug im letzten Geschäftsjahr 28 Prozent bis Dezember. Mit der Komplettschließung ab Mitte Dezember habe sich die Lage weiter rapide verschlechtert.

Martin Kupfer von Intersport Geyer.
Foto: Stefan Pfister | Martin Kupfer von Intersport Geyer.

Derzeit lebe man ausschließlich von Reserven. Auch mit der neuen Abholservice-Möglichkeit "Click & Collect" könne man keine anfallenden Kosten decken. Im Lebensmittelbereich sei dies vielleicht gut umsetzbar. "Bei uns hat eine Skihose aber verschiedene Farben, verschiedene Größen, die müssen Sie eigentlich anprobieren", so Kupfer. Der Geschäftsführer hat prinzipiell Verständnis für die Notwendigkeit der Geschäftsschließung. Jedoch wünscht er sich diese Regel dann für alle "Non-Food-Sortimente" gleichermaßen und mit entsprechenden Entschädigungszahlungen. So verkauften Lebensmittelmärkte weiterhin unzählige "Non-Food-Artikel", also Produkte, die keine Lebensmittel sind, während der Einzelhandel geschlossen ist.

Vor allem aber erscheine ihm die Gastronomie-Regelung, wonach 75 Prozent des Vorjahresumsatzes von Gastronomen, ohne Materialeinsatz und sonstige Kosten, ersetzt werden sollen, "als blanker Hohn". Damit würden zahlreiche Gastronomen besser gestellt, als wenn sie geöffnet hätten, so Kupfer. "Ich würde mich ja schon freuen, wenn der Einzelhandel 30 Prozent des Vorjahresumsatzes bekommen würde."

Kein Anspruch auf staatliche Hilfen

Doch abgesehen vom Kurzarbeitergeld kommen bei Intersport-Geyer bisher gar keine staatlichen Hilfen an. Aber warum? Das Problem: Hilfen könnten erst bei Verlust beantragt werden. Da die Immobilie des Sportgeschäfts aber im Eigenbesitz Kupfers ist, können Fixkosten wie etwa Miete nicht geltend gemacht werden. Und das, obwohl durch eine Betriebsaufspaltung durchaus Miete gezahlt werde. Alle laufenden Kosten müssten deshalb vom Unternehmen selbst getragen werden, "was unsere persönliche Altersversorgung rapide auffrisst", so Kupfer.

"Wenn die Zukunft nur noch aus multinationalen steuervermeidenden Großunternehmen bestehen soll, dann gute Nacht."
Martin Kupfer, Intersport Geyer

Bei den täglichen Medienberichten über großzügige Milliardenhilfen frage er sich, wo diese überhaupt ankommen. "Bei kapitalstarken Großunternehmen wie Lufthansa , TUI oder Adidas?" Über die Zustände in Amerika wundere er sich nicht mehr. "Ähnliches steht uns auch bevor." Er appelliert deshalb an alle politischen Entscheidungsträger, die Kriterien für Hilfen endlich auf "betriebswirtschaftlich sinnvolle, gerechte und nachvollziehbare Füße zu stellen". Die Ungleichbehandlung müsse ein Ende haben. Andernfalls drohe eine Zerstörung der Kleinselbstständigenstruktur, "was zu unübersehbaren gesellschaftlichen Verwerfungen führen wird".

Schließlich, so Kupfer, stellten Klein- und Mittelunternehmen den Großteil der Arbeits- und Ausbildungsplätze und zahlten das Gros der Steuern. "Wenn die Zukunft nur noch aus multinationalen steuervermeidenden Großunternehmen bestehen soll, dann gute Nacht."

 
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Kommentare
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  • W. T.
    Leider ist es so das Politiker oftmals keine Ahnung von dem haben was Sie dem Bürger erzählen ihre Gehälter sind ja jeden Monat auf dem Konto.Es ist Wahlkampf.
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  • R. F.
    "Über die Zustände in Amerika wundere er sich nicht mehr." Was für Zustände ? Die amerikanische Wirtschaft erlebt einen Aufschwung...
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  • G. S.
    Lieber Herr Kupfer,

    ich schätze Ihr inhabergeführtes Geschäft sehr. Wenn ich Ab und An in SW bin, schaue ich gerne vorbei, den mir „passiert“ genau dass, dass eben die Stärken von Familienunternehmen sind: Persönliche Beratung, Fachkunde und –im Fall des Falles– Kulanz. Hoffen wir, dass Sport Geyer die Krise übersteht.

    In Einem muss ich jedoch widersprechen: Es mag sein, dass die Ankündigungsweltmeister Merkel, Altmaier, Söder und (als humoriger Onkel) Aiwanger der Gastronomie hohe Entschädigungen versprochen haben, angekommen ist seit der Ankündigung im November eben außer einem lausigen Abschlag noch Nichts.

    Vielleicht würde die Politik endlich mal aufwachen, wenn vor allen Geschäften und Gaststätten gut sichtbare Schilder stehen würden: „Mandatsträger und Parteisoldaten haben wegen Geschäftsschädigung hier Hausverbot.“ Denn nur, wenn man die Damen und Herren Politiker da kratzt, wo es am meisten wehtut, nämlich beim Ansehen in der Öffentlichkeit, dann wird sich etwas tun.
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