Über zwei Monate ist es her, seitdem die Bundesregierung die Mehrwertsteuer gesenkt hat. Die Maßnahme sollte der Wirtschaft in der Corona-Pandemie wieder auf die Beine helfen und die Bürger zum Geldausgeben anregen. Noch bis zum Ende des Jahres wird dabei der Standard-Mehrwertsteuersatz von 19 auf 16 Prozent, der ermäßigte Satz von 7 auf 5 Prozent gesenkt. Letzterer betrifft vor allem Lebensmittel und die Gastronomie, der Standardsatz alles andere. Nach zwei Monaten stellt sich die Frage, welchen Effekt die Maßnahme wirklich hat und wie es den Händlern derzeit geht. Der Handelsverband in Schweinfurt äußert sich kritisch.
"Dem Handel geht es unverändert beschissen", sagt Axel Schöll, Schweinfurter Kreisvorsitzender des bayerischen Handelsverbands. Die Lage habe sich in den vergangenen zwei bis drei Monaten kaum verändert, die Umsatzeinbußen im Vergleich zum Vorjahr lägen weiter bei 20 bis 40 Prozent. Kunden seien nach wie vor verunsichert und dies zeige sich auch in deren Einkaufsverhalten. Für Schöll keine Überraschung: "Ein Shoppingerlebnis mit Maske ist natürlich schwierig", sagt der 48-jährige Schuhhändler, der dennoch Verständnis für die zahlreichen Sicherheitsmaßnahmen aufbringt. Das Umsatzminus werde sich laut Schöll bis zum Jahresende fortführen, auch wenn sich die Besucherfrequenz in den Läden wieder verbessert habe.
Schöll betont, dass die verschiedenen Branchen sehr unterschiedlich von den Einbrüchen betroffen seien. So habe man im Bereich der Bekleidung, der Schuhe und Lederwaren starke Einbußen zu verzeichnen. Deutlich besser gehe es dagegen dem Buch-, Fahrrad- und Sportfachhandel. "Viele Leute sind im Homeoffice oder haben mehr Zeit für Fitness", erklärt Schöll die Entwicklung. Deshalb hätten vor allem auch Baumärkte profitiert. "Ich glaube, ich bin der einzige, der sich noch keinen Pool für den eigenen Garten angeschafft hat." Klar sei auch, dass der Onlinehandel in allen Bereichen stark gewachsen sei.
Schöll: Mehrwertsteuersenkung ohne Effekt
Keinerlei Verständnis zeigt Schöll für die Mehrwertsteuersenkung. "Das ist die dümmste und blödeste Maßnahme überhaupt, ein Rohrkrepierer sondergleichen.", so Schöll. Die Idee, den Bürger damit zu mehr Ausgaben zu animieren, sei komplett fehlgeschlagen. "Viele Menschen sind in Kurzarbeit, warum sollten sie gerade jetzt mehr Geld ausgeben?", fragt sich Schöll. Zwar seien einige geplante Anschaffungen nun etwas verfrüht getätigt worden, ein Mehrumsatz für den Handel bedeute dies aber nicht. Die Senkung rentiere sich für Kunden nur bei sehr teuren Anschaffungen. "Es ist der sogenannte Porscherabatt, ansonsten verändern die zwei Cent bei einer Schokolade nicht das Kaufverhalten der Kunden."
Laut Schöll frage auch kaum ein Kunde nach der Senkung. Ob der Händler den Rabatt dann an seine Kunden weiter gibt oder diesen für sein Geschäft einbehält, sei ihm selbst überlassen. "Die einen machen es so, die anderen so. Klar ist aber, der positive Effekt für den Handel ist definitiv ausgeblieben." Probleme bereite die Senkung beispielsweise Lebensmittelhändlern. Da Discounter die Mehrwertsteuersenkung als Marketing-Instrument nutzen, müssten lokale Händler mitziehen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Schöll kritisiert die Politik deshalb für ihr realitätsfernen Maßnahmen.
Bonpflicht als zusätzliche Belastung für den Handel
Nicht nur die Mehrwertsteuersenkung ist Axel Schöll ein Dorn im Auge. Auch die Bonpflicht, die seit 2020 eingeführt wurde, mache es dem gesamten Handel deutlich schwerer. "Gerade in dieser schwierigen Phase müsste man die Einzelhändler doch nicht noch unnötig damit belasten", moniert Schöll. Denn jeder Verkäufer müsse die Kassenbelege ausdrucken, auch wenn diese in vielen Branchen, etwa beim Bäcker, vom Kunden gar nicht verlangt würden. Alle Händler müssten sich derzeit zudem eine "technische Sicherheitseinrichtung" (TSE) für die Kassen anschaffen, die Daten für eine mögliche Überprüfung durch das Finanzamt speichert. "Diese Einrichtung hat uns 1200 Euro gekostet, noch dazu fallen mehr Kosten durch mehr Bonrollen an", erklärt Schöll.
Außerdem stelle die Maßnahme die gesamte Branche unter Generalverdacht, dass dort geschummelt würde. Schöll versteht zwar, dass der Staat Steuerbetrug verhindern möchte, die Maßnahme empfindet er aber als eine "Frechheit von Seiten der Politik". Noch dazu sei es angesichts hitziger Umweltdebatten scheinheilig, nun mehr Papier für die ausgedruckten Kassenbelege zu verbrauchen. Es bringe nichts, Plastiktüten abzuschaffen und gleichzeitig mit mehr Bons der Umwelt wieder zu schaden. "Ein Bon ist nun über 50 Prozent länger, da dort die sogenannte TSE-Signatur draufsteht, die den Kunden ohnehin nicht interessieren."
In unserem Betrieb ist die Senkung, die wir voll weitergeben spürbar! Für den Endkunden ist es sogar ein ganz wichtiger Aspekt! Von daher warne ich vor der Aussage dass es ein Porscherabatt wäre! Klar wirken sich 2 Cent kaum aus aber den ganzen Einkauf gilt es zu bewerten und auch auf ein halbes Jahr!
Das wäre respektlos gegenüber den Menschen die ihr Geld hart verdienen müssen oder nicht viel verfügbar haben!
Beim Bon stimme ich voll zu! Das ist ein Schildbürgerstreich!
Klar, deutlich sichtbar wird es erst bei größeren Anschaffungen... und ich lege auch nicht unbedingt drauf wert, dass ICH den Rabatt bekomme -steckt ihn sich das Geschäft ein ist es auch ok - Gewinnmargen sind oft niedrig und da können 3% mehr Gewinn in Summe schon etwas ausmachen!
Stellen sie sich vor sie bekämen morgen irgendwo plötzlich 3% sichere, risikofreie Guthabenzinsen angeboten...
Jetzt noch auf der Bonpflicht herumzureiten hat gar nichts mit dem Thema Corona zu tun! Gerade bei der Einführung Bonpflicht hat sich die Lobby der Händler deutlichst zu Wort gemeldet und auch "Unbeteiligte" auf ihre Seite gezogen - ich bin froh, dass der Gesetzgeber hier nicht eingeknickt ist!
"Die Bonpflicht stellt eine ganze Branche unter Generalverdacht": Mit Recht. Meiner Meinung nach ist man nicht weit genug gegangen. Man hätte die Kunden auch noch verpflichten sollen, den Bon mitzunehmen. Damit ist Italien gut gefahren.