Endlich gute Nachrichten für Einzelhandel, Gastronomie und Gastgewerbe. Nachdem bereits seit vergangener Woche inzidenzabhängige Lockerungen in Stadt und Landkreis für ein erstes Aufatmen gesorgt hatten, bringen die am vergangenen Freitag in München verkündeten Regeländerungen sowie das Aufheben des Katastrophenfalls in Bayern endgültig etwas Normalität zurück. Doch wie geht es den Branchen im Raum Schweinfurt? Wie sind sie durch den Lockdown gekommen und machen sich die neuen Freiheiten bereits positive bemerkbar?
Seit Montag, 7. Juni, gehen auch die letzten Türen im Handel wieder auf. Bei einer Inzidenz unter 100 - also derzeit in Stadt und Landkreis Schweinfurt - gibt es keine Testpflicht und keinen Zwang zur Vorbestellung mehr. Allerdings gelten weiterhin Beschränkungen bezüglich einer maximalen Zahl von Kunden. "Das war eine frohe Kunde am Freitag, die Stimmung ist diesbezüglich natürlich hervorragend", sagt Axel Schöll, Kreisvorsitzender des bayerischen Handelsverbandes. Endlich falle "der ganze Terminshopping-Wahnsinn und das Test- und Kontaktverfolgungs-Trallala" weg, erklärt Schöll erleichtert.
Lockerungen machen sich im Handel schnell bemerkbar
Die Lockerungen machten sich unmittelbar bemerkbar. Nach und nach kämen immer mehr Kunden in die Geschäfte, auch wenn es noch Wochen oder Monate dauern wird, bis man sich an das Vorkrisenniveau herantasten könne. Für den Kreisvorsitzenden seien die Erleichterungen die "erste gute Entscheidung", die in diesem Jahr aus München gekommen sei. "Es ist schön, dass Markus Söder endlich aus seinem Dauertiefschlaf aufgewacht ist", so Schöll. Demnach seien falsche Entscheidungen – etwa der Lockdown – monatelang auf dem Rücken des Handels ausgetragen worden.
Nun müssten die Händler in Stadt und Landkreis Schweinfurt zeigen, warum Kunden vom Online-Geschäft wieder auf den stationären Handel umsteigen sollten. "Da muss der Erlebnischarakter, die persönliche Note eines Ladens wieder hervorgehoben werden", so Schöll. Auch wenn der Optimismus unter den meisten Händlern wieder zunehme, hätten noch nicht alle Geschäfte im Raum Schweinfurt wieder geöffnet. Einige Händler bräuchten demnach beispielsweise noch Zeit, um sich personell wieder richtig aufzustellen. Und eines macht der Kreisvorsitzende deutlich: "Für einige wird es womöglich noch ein böses Erwachen geben."
Handelsverband: Manche Läden werden nicht wieder aufmachen können
Laut Schöll habe der monatelange Lockdown in manchen Bereichen irreparable Schäden angerichtet. Nicht alle Händler könnten sich von den finanziellen Einbußen wieder erholen, nicht alle könnten überhaupt wieder aufmachen. Ein erstes Beispiel sei das Möbelgeschäft "Casalino" in der Schweinfurter Innenstadt. Wie die Inhaber auf ihrer Website mitteilten, werde man das Stadtgeschäft nach einem Räumungsverkauf schließen. "Nach über einem Jahr Hin und Her infolge der Pandemie mussten wir die Türen des Casalino in der Innenstadt leider seit insgesamt sieben Monaten geschlossen halten." Zwar habe man einen Onlineshop aufgebaut und "Click & Meet" angeboten. "Doch das Casalino basiert ganz wesentlich auf dem 'Erlebnischarakter' des Einkaufs", hieß es in dem Schreiben. Die Maßnahmen hätten nicht den erhofften Erfolg gebracht, so die Inhaber.
Laut Schöll müsse man damit rechnen, dass noch weitere Geschäfte schließen müssen. So würden die Folgen des Lockdowns noch zu dem ein oder anderen Leerstand in Schweinfurt führen. Und das, so Schöll, wolle man in Zukunft verhindern. "Der Handelsverband wird sich dafür einsetzen, dass solche Maßnahmen in Zukunft nicht mehr auf dem Rücken einzelner ausgetragen werden." Künftig müsse gelten: "Entweder müssen alle Läden zumachen oder keiner", so Schöll.
Gemischte Gefühle in der Schweinfurter Gastronomie
Neben dem Einzelhandel ist auch die Gastronomie erheblich von den Corona-Maßnahmen der vergangenen Monate betroffen. Nun dürfen die Gastwirte wieder auftischen – auch drinnen. Die Sperrstunde gilt im Innenbereich ab 24 Uhr, draußen gelten die üblichen Zeiten. In Gegenden, wo die Sieben-Tage-Inzidenz über 50 liegt – also in der Stadt Schweinfurt – ist ein negativer Test erforderlich, wenn man sich mit Personen an einen Tisch setzt, die nicht dem eigenen Hausstand angehören. Für Frank Seger, Kreisvorsitzender des bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), sind die Lockerungen zwar ein positives Signal. Allerdings herrsche nach wie vor viel Unsicherheit, "die Stimmung ist gemischt, es bleibt ein Hin und Her", so Seger.
So freuten sich die Gastronomen natürlich darüber, dass sie wieder öffnen dürfen. Jedoch gingen dem ein oder anderen die entsprechenden Lockerungen jetzt sogar etwas zu schnell. "In vielen Betrieben müssen erstmal genügend Mitarbeiter aktiviert werden, das geht nicht von heute auf morgen", sagt der Dehoga-Kreisvorsitzende. Er weiß, dass viele während des Lockdowns in der Gastronomie Beschäftigte mittlerweile die Branche gewechselt hätten. Zudem müsste die gesamte Wertschöpfungskette erst wieder vollständig hochgefahren werden. "Das fängt bei der Kartoffel auf dem Feld an – auf einmal bestellen wieder alle Gastronomen gleichzeitig Ware – und endet beispielsweise bei den Kühlhäusern, die erstmal vom sprichwörtlichen Staub befreit werden müssen, der sich über Monate angesammelt hat."
Raum Schweinfurt: Kehren Hotels in die Normalität zurück?
Gleiches gelte für den Tourismus und das Gastgewerbe. "Gerade im Hotelgewerbe hat die monatelange Perspektivlosigkeit dazu geführt, dass viele Mitarbeiter abgewandert sind", so Seger. Auch deshalb laufe der Tourismus erst langsam an – und auch anders, als man es von früher gewohnt sei. So seien Geschäftsreisen in der Region grundsätzlich ein wichtiger Faktor für Hotelbetreiber gewesen. Da viele Unternehmen infolge der Corona-Pandemie immer mehr auf Video-Konferenzen umgestellt hätten, müsste man nun jedoch auf viele dieser Hotelgäste verzichten.
Generell sei die Nachfrage, was den Tourismus angeht, in Raum Schweinfurt noch "eher verhalten". Auch liege das daran, dass in Stadt und Landkreis Schweinfurt oftmals inzidenzbedingt unterschiedliche Regelungen gelten. "Der Endverbraucher kann da häufig einfach nicht mehr durchblicken, die Verunsicherung ist da schon noch groß."
Generell gilt im Bereich Hotellerie und Beherbergung: Zimmer können nun wieder an alle Personen vergeben werden, die sich nach den neuen allgemeinen Kontaktbeschränkungen zusammen aufhalten dürfen (also zehn Personen aus maximal drei Haushalten bei Inzidenz zwischen 50 und 100, wie in der Stadt Schweinfurt). In Gebieten mit einer Inzidenz unter 50, also wie im Landkreis Schweinfurt, muss jeder Gast künftig nur noch bei der Ankunft (bei über 50 alle 48 Stunden) einen negativen Test vorweisen.
Dehoga-Kreisvorsitzender dankt der Stadt Schweinfurt
Laut Seger wird es sowohl im Bereich Hotellerie als auch in der Gastronomie noch Betriebe geben, die die lange Schließung auf längere Sicht nicht verkraften werden. Zwar hätten die staatlichen Hilfen vielen Menschen geholfen. "Allerdings kamen die Förderungen leider nur sehr unterschiedlich an", bemängelt Seger. So seien etwa Gastronomen, die viele Ausgaben haben, tatkräftig unterstützt worden. Dagegen seien Betriebe, die aufgrund von Eigentum weniger Ausgaben vorweisen, bei den Finanzspritzen geradezu leer ausgegangen, was zu einer Ungleichberechtigung geführt habe.
Gerade was die Gastronomie angeht, will sich Seger bei der Stadt Schweinfurt bedanken. Hier hätte die Verwaltung während der Pandemie viel geleistet, indem sie die durch Sonderregelungen auch den Gastronomen eine Bewirtung im Freien ermöglichten, die sonst keine Außenbewirtung anbieten. Laut dem Dehoga-Kreisvorsitzenden sehe man nun "Licht am Ende des Tunnels", auch wenn nicht ausgeschlossen sei, dass sich die Inzidenzwerte noch einmal erheblich verschlechtern könnten.
Am Donnerstag, 10. Juni, lag die 7-Tage-Inzidenz in Schweinfurt bei 73, im Landkreis bei 22,5.